Papst muss Brücken bauen

Die Papstvisite am Bosporus wirft ein Licht auf die Beziehungen zwischen Christentum und Islam. Franziskus könnte wichtige Zeichen setzen. Kommentar von Stefan Reis Schweizer.

Stefan Reis Schweizer
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Wenn ein Papst in die Türkei reist, geht es immer auch um das Verhältnis zwischen dem Christentum und dem Islam. Die beiden monotheistischen Weltreligionen verbindet eine komplexe und spannungsreiche Geschichte, die aber keineswegs nur von Ablehnung geprägt war. Man tolerierte sich gegenseitig, weil es die Verhältnisse erforderten oder es nützlich erschien. Spuren, die gar von einer gegenseitiger Bereicherung zwischen Christen, Muslimen und auch Juden in vergangenen Jahrhunderten zeugen, finden sich heute noch in Spanien.

Düsteres Islam-Bild

Das Bild speziell des Islam wird freilich in jüngerer Zeit zunehmend durch seine radikalen Ausprägungen bestimmt. Ist es in Westafrika die Terrorgruppe Boko Haram, die in ihrem Kampf für die Einführung des islamischen Rechts buchstäblich über Leichen geht, Christen und moderate Muslime ermordet, verbreiten in den türkischen Nachbarländern Syrien und Irak die Extremisten des Islamischen Staats Angst und Schrecken, indem sie ebenfalls Greueltaten begeht. Die Terrororganisation beruft sich dabei auch explizit auf den Koran, die Heilige Schrift des Islam. So entsteht das Bild einer finsteren, mittelalterlich anmutende Gewaltreligion, die im zwar teilweise noch christlich geprägten, aber sonst weitgehend säkularisierten Westen für unverständliches Kopfschütteln sorgt. Zugleich greift eine Art Ehrenrettung des Islam, diesen Terrorgruppen eine irregeleitete politische Ideologie vorzuwerfen, die mit der Lehre des Islam nicht zu tun habe, zu kurz.

Umgekehrt kann bei praktizierenden Muslimen ein Bild von Christen im Westen entstehen, die ihren Gott und ihre Religion mit Füssen treten. In der westlichen Perspektive geht zudem oft verloren, dass zur Geschichte des Christentums auch Themen wie Kreuzzüge, Hexenverfolgungen oder auch die Judenfeindlichkeit gehören. Die Deutungshoheit über den Islam darf bestimmt nicht in Händen von selbsternannten Gotteskriegern liegen, umgekehrt kann sich das Christentum nicht einfach über die blutige Seite seiner Geschichte erheben.

Unter Beobachtung

Der Papst kann hier wichtige Zeichen setzen und seinem Titel als Pontifex, Brückenbauer, gerecht werden. Zum ersten Mal besucht Franziskus seit seinem Amtsantritt eine Moschee. Franziskus misst der Beziehung zu den Muslimen grosse Bedeutung bei, das hat er nicht zuletzt in seinem ersten grossen Rundschreiben «Evangelii Gaudium» betont. Von muslimischer Seite wird man sehr genau auf seine Worte und Gesten achten.

Noch in Erinnerung ist der Besuch des nun emeritierten Benedikt XVI. im Jahre 2006, der wenige Monate zuvor in einer Rede in Regensburg einen Satz des byzantinischen Kaisers Manuel II. zitiert hatte, in dem von der Gewalttätigkeit des Islam die Rede war. Die Folge war eine weltweite Entrüstung in der muslimischen Welt, die sich nach dem damaligen Besuch am Bosporus wieder weitgehend beruhigte.

Franziskus kann die vielen Gemeinsamkeiten zwischen Christen und Muslimen bei seinem Besuch verdeutlichen. Er könnte zeigen, dass Christen den Glauben an den einen Gott genauso ernst nehmen wie Muslime, und zugleich tolerant sind gegenüber denen, die einen Gott ablehnen. Das wäre ein wichtiges Signal an die muslimische Welt.

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