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Schulen in Indien: Man spricht doch kein Deutsch

Foto: SPIEGEL ONLINE

Trotz Steinmeier-Visite Indien streicht Deutsch als erste Fremdsprache

Das Projekt des Goethe-Instituts lief bestens: Deutsch als erste Fremdsprache in 1000 indischen Schulen. Nun kippt die rechtsnationale Regierung die von Berlin bezahlte Initiative - und düpiert Außenminister Steinmeier.

"Herzlich Willkommen, Herr Steinmeier!" Aus mehreren Hundert Kinderkehlen schallte es dem deutschen Außenminister entgegen. Der schaute fröhlich: Denn dass ihn in der Masjid-Moth-Schule im Süden der indischen Hauptstadt Neu-Delhi die Schüler auf Deutsch begrüßten, zeugte von dem Erfolg eines Projekts, mit dem das Auswärtige Amt den Deutschunterricht in indischen Schulen fördert. Wie wichtig die Initiative der Regierung in Berlin ist, zeigte sich daran, dass Frank-Walter Steinmeier sich 90 Minuten Zeit nahm, um zu hören, was die Schüler an Deutschland schätzen: Die Fußball-Nationalmannschaft, Mercedes und - hier musste Steinmeier grinsen - Angela Merkel.

Der morgendliche Schulbesuch des Ministers fand Anfang September statt und galt einem Projekt, das nun, sechs Wochen später, vor dem Aus zu stehen scheint: "Deutsch in 1000 Schulen", in dessen Rahmen künftig bis zu 115.000 indische Schulkinder Deutsch als erste Fremdsprache lernen sollten.

Das indische Ministerium für Bildung und Personalwesen entschied Anfang Oktober, ein Abkommen zwischen dem Verband staatlicher indischer Schulen (KVS) und dem Goethe-Institut auslaufen zu lassen. Im Rahmen des Abkommens hatten die KVS-Schulen 2011 begonnen, Deutsch in ihren Lehrplan aufzunehmen. Bereits mehr als 78.000 Kinder lernen heute an über 500 Schulen Deutsch. Das Goethe-Institut hat dafür mehr als 700 Deutschlehrer ausgebildet. Das Auswärtige Amt fördert das Projekt mit jährlich rund 700.000 Euro.

"Schattenseite des Hindunationalismus"

Vor Steinmeiers Besuch hatte Neu-Delhi signalisiert, das Abkommen um weitere drei Jahre zu verlängern. Umso größer ist nun die Enttäuschung im Auswärtigen Amt. Der neue Premierminister Narendra Modi setzte zwar auf die nationalistische Karte, hieß es. Doch habe man gehofft, dass Modi das Wirtschaftswachstum über den Nationalstolz stellen würde - und für Wachstum seien Fremdsprachenkenntnisse unerlässlich. Diplomaten in Neu-Delhi sprachen von der "Schattenseite des Hindunationalismus".

Den Sinneswandel in der rechtsnationalen Regierung hatte eine Klage des Verbands indischer Sanskrit-Lehrer ausgelöst. Die Organisation, die sich dem "Schutz" und der Verbreitung der toten Sprache verschrieben hat, hatte vor dem Obersten Gericht in Neu-Delhi argumentiert, dass es nicht mit der Verfassung zu vereinbaren sei, in Indien Fremdsprachen statt heimische Sprachen zu unterrichten.

Indiens Presse kritisiert Regierungsentscheidung

Der KVS-Verband hatte vor Gericht erwidert, eine Schule müsse ihre Schüler auf die globalisierte Welt vorbereiten. Da nütze Sanskrit, das heute nur noch bei religiösen Riten verwandt wird, nichts. An indischen Schulen werden obligatorisch die offiziellen Landessprachen Hindi und Englisch unterrichtet. Als dritte Sprache wurde - bis zur Einführung von Deutsch - oft Sanskrit oder eine örtliche Sprache angeboten.

Die indische Presse hat die die Entscheidung des Ministeriums, Deutsch vom Stundenplan zu streichen, äußerst kritisch aufgenommen. Während die Modi-Regierung einerseits Investoren den roten Teppich ausrolle und ausländische Firmen davon überzeugen wolle, in Indien zu produzieren, sei ihre Bildungspolitik immer noch selbstbezogen und trage den globalen Realitäten keinerlei Rechnung, kommentierte "India Today".

Derzeit bemühen sich deutsche Diplomaten, das Vorzeigeprojekt doch noch zu retten. Staatssekretär Markus Ederer, der für eine Konferenz in Neu-Delhi ist, sprach dort das Thema am Montag beim Berater Modis an und versicherte, Berlin habe kein Interesse, die indischen Landessprachen zu verdrängen.

Bei dem Gespräch bekam Ederer den Eindruck, dass es aufseiten der indischen Regierung Verhandlungsbereitschaft gibt. In den nächsten Wochen wollen die Deutschen versuchen, doch noch eine Verlängerung des Abkommens durchzusetzen. Der Unterricht an Schulen, die jetzt schon Deutsch im Angebot haben, werde vorerst weitergehen, hieß es.