"Capture or kill", heißt eine der wichtigsten Taktiken der amerikanischen Regierung, um in fremden Ländern gegnerische Gruppen zu bekämpfen – Gefangennahme oder Erschießung. Wobei die Gefangennahme dabei oft eine eher theoretische Möglichkeit ist, meist wird geschossen. In geheimen Missionen werden Kommandosoldaten abgesetzt oder ferngesteuerte Flugzeuge losgeschickt, um in Afghanistan, Jemen oder Somalia Führer der Taliban und von Al-Kaida zu töten. Bislang verteidigte die US-Regierung diese Taktik als erfolgreich und rechtfertigte so die völkerrechtlich umstrittenen Einsätze.

Ein geheimer CIA-Bericht zur "gezielten Tötung" von feindlichen Kämpfern, den die Whistleblowerplattform WikiLeaks gerade veröffentlicht hat, legt jedoch nahe, dass diese Einsätze nicht sonderlich wirksam sind. In dem Bericht mit dem Titel Best Practices in Counterinsurgency (Die besten Praktiken der Aufstandsbekämpfung) werden Strategien zur Tötung aufgeführt und die Vorteile von Tötung und Gefangennahme gegeneinander abgewogen. Auf dem Titel des Papiers sind in Kufiyas vermummte Bewaffnete, ein Kamelreiter und Soldaten zu sehen.

Die beschriebenen Taktiken, zu denen auch der Angriff mit bewaffneten Drohnen gehört, hätten in Einsätzen in Afghanistan nur einen geringen Effekt erzielt, heißt es in dem 18-seitigen Bericht. Die CIA-Studie wurde im Juli 2009 im Auftrag des damaligen CIA-Direktors Leon Panetta erstellt, wenige Monate bevor US-Präsident Barack Obama im Kampf gegen die Taliban und Al-Kaida eine Aufstockung der US-Truppen in Afghanistan anordnete.

"Die Taliban haben insgesamt eine große Fähigkeit, tote Anführer zu ersetzen", befanden die CIA-Experten. Auch die Führung des Terrornetzwerks Al-Kaida im Irak sei durch die Einsätze nicht entscheidend geschwächt worden.

Erfolgreich sei die Taktik hingegen in Bezug auf Al-Kaida-Chef Osama bin Laden gewesen, heißt es in dem Bericht. Dieser sei gezwungen worden, sich zu verstecken, die Kommunikation mit seinen Kämpfern stark einzuschränken und die Aufständischen von einem abgelegenen Rückzugsort aus zu führen. Auch bei der Bekämpfung der peruanischen Rebellenorganisation Leuchtender Pfad hätten die gezielten Angriffe auf die Führungsriege einen entscheidenden Beitrag geleistet.

Angriffe trotzdem noch ausgedehnt

In dem Bericht wird aber auch vor möglichen negativen Auswirkungen solcher Einsätze gewarnt. Die Angriffe könnten demnach die Solidarität der einheimischen Bevölkerung mit den Aufständischen erhöhen und die verbliebenen Kämpfer radikalisieren. Zudem könnten die Rebellen nach Ansicht der CIA-Experten gezwungen werden, ihre Strategie zu ändern, was ihnen letztlich zugutekommen könnte.

Brisant daran: Präsident Obama hatte den Kampf mit bewaffneten Drohnen nach seinem Amtsantritt massiv ausgeweitet. Allein in Pakistan flog die CIA zwischen 2004 und 2014 mindestens 405 Angriffe mit Drohnen, bei denen Schätzungen des Bureau of Investigative Reporting zufolge – genaue Zahlen gibt es nicht – zwischen 2.400 und 3.900 Menschen starben. Von diesen 405 Angriffen wurden 354 in der Amtszeit Obamas angeordnet.  Eine andere Organisation, die dazu Informationen sammelt, die New America Foundation, kommt auf 390 Angriffe allein in Pakistan, davon 343 unter Obama.

Offensichtlich hatte die Studie also keinen Einfluss auf die Strategie, im Gegenteil, sie wurde erheblich ausgedehnt. 

Die geheime Studie ist nicht der einzige Beleg dafür, dass Drohnen kein sonderlich wirksames Mittel sind, um Gruppen wie Al-Kaida oder die Taliban zu bekämpfen. Das Bureau of Investigative Reporting, eine britische Bürgerrechtsorganisation, untersucht die Folgen von Drohnenangriffen seit Jahren. In einer Studie stellte das Bureau fest, dass lediglich vier Prozent der dabei Getöteten sich eindeutig Al-Kaida zuordnen lassen. So genau wie möglich wurde dabei erforscht, wer die Toten waren, wie sie hießen, wo sie wohnten und ermittelt, ob sie Anhänger von Al-Kaida oder einer anderen Fraktion waren. Die mit Abstand meisten Opfer sind demnach Zivilisten. 

Die New America Foundation zählte in Pakistan 2.200 bis 3.600 Opfer, darunter 258 bis 307 Zivilisten. Allerdings untersuchte sie nicht genauer, zu welcher Fraktion die getöteten Militanten zählten und ob sie wirklich Mitglieder von Al-Kaida waren. Der Ausdruck Kämpfer oder Militante ist nicht sonderlich genau, da die CIA lange jeden männlichen Menschen zwischen 16 und 65 Jahren, der bei solchen Angriffen starb, als "military abled men" zählte, also als potenzielle Kämpfer – egal ob die Opfer bewaffnet waren oder nicht.

Erst im Mai 2013 räumte auch Obama ein, dass die Drohnenangriffe nicht der geeignete Weg seien, um solche Gruppen zu bekämpfen. In einer Rede kündigte er an, ihre Zahl wieder einzuschränken. Vier Jahre und Tausende Tote nachdem die CIA diese Erkenntnis formuliert hatte. 

Nachtrag: Der Text wurde nachträglich um die Zahlen der New America Foundation ergänzt.