Zweiter Film abgesagt : Bestimmt jetzt Nordkorea, was Hollywood macht?
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Bei der Gepäckkontrolle: Szene aus Guy Delisles Graphic Novel „Pjöngjang“ Bild: Reprodukt
Die Sony-Leaks und die Terror-Drohungen der „Guardians of Peace“ bekommen einen immer bittereren Beigeschmack: Nun wurde auch der zweite Film abgesagt. Das nennt man wohl vorauseilende Feigheit. Ein Kommentar.
Es sah zuerst so lustig aus. Ein Leak nach dem anderen, E-Mails peinlichen Inhalts zuhauf, Interna noch und nöcher über Schauspieler, Produzenten und Regisseure. Das Filmstudio Sony Pictures steht nackt da, und was ein bestimmter Produzent von Angelina Jolie hält, wissen wir jetzt auch. War das ein Fest. War das ein Fest? War es nicht. Denn die Hacker, die in die Datenbestände von Sony Pictures eingedrungen waren, sorgten nicht nur für Stimmung. Sie versuchten, das Studio um Geld zu erpressen. Und sie sind vermutlich auch diejenigen, die mit Anschlägen drohen, falls der Sony-Film „The Interview“ gezeigt wird.
Nordkorea soll hinter diesem Cyberangriff stecken. Dessen Urheber können feiern: „The Interview“ wird nicht gezeigt – eine harmlose Klamotte, deren Pointe darauf hinausläuft, dass der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un durch zwei von Seth Rogen und James Franco gespielten Trotteljournalisten ermordet werden soll oder tatsächlich hingestreckt wird. Trotteljournalisten, so weit das Auge reicht: die einen leaken, die anderen sollen killen. An den existierenden Journalisten lässt der amerikanische Produzent und Drehbuchautor Aaron Sorkin wegen der Sony-Leaks-Affäre kein gutes Haar. Der Mann, der in der Serie „The Newsroom“ Journalisten auftreten lässt, die um das Ethos ihres Berufsstandes kämpfen – es sind sehr hehre Charaktere dabei –, stellt der Presse ein mieses Zeugnis aus.
Flugs zum Bösen gewendet
Die Hacker, schreibt Sorkin, verfolgten mit ihren Attacken zumindest noch eine „Sache“, die Journalisten aber gerierten sich als deren Helfershelfer allein um des Geldes willen: „The press ist doing it for a nickel.“ Die Münze freilich, um die es hier geht, wird nicht nur von den Medien ausgezahlt. Die Währung heißt: Aufmerksamkeit. Um diese wird mit Klatsch und Tratsch, der sich in diesem Fall flugs zum Bösen gewendet hat, im Online-Zeitalter nicht nur von Journalisten gerungen. Die sind heute oft genug hintendran, wenn es darum geht, etwas in die Welt zu setzen. Erst einmal darüber nachzudenken, ob etwas berichtenswert ist, bedeutet, dass man im Aktualitätswettbewerb, in dem die Presse mit nur noch ansatzweise redaktionell arbeitenden Bloggern und Portalen steht, eine Geschichte unter Umständen eben nicht zuerst hat.
Worin eine Qualität liegt, die man erst einmal erkennen muss. Ob die Geschichte von „The Interview“ den hartgesottenen Verbreitern von Nachrichten eine Lehre ist? Man darf es bezweifeln. Doch man darf sich vor allem fragen, warum jetzt schon der zweite Film, der etwas mit Nordkorea zu tun hat, abgesagt wird. Die Produktionsfirma New Regency verzichtet darauf, den Comic „Pjöngjang“ zu verfilmen. Die Graphic Novel von Guy Delisle handelt von einem Kanadier, der nach Nordkorea kommt. Er wird als Spion verdächtigt. Im März 2015 sollten die Dreharbeiten beginnen, Steve Carell sollte die Hauptrolle übernehmen, Gore Verbinski Regie führen.
Das nennt man vorauseilende Feigheit. Wenn nicht die Vereinigten Staaten, so scheint doch Hollywood diese Schlacht im Cyberkrieg zu verlieren. Niemand wird das Risiko geringschätzen, das mit der Terrordrohung gegen Kinobesucher verbunden ist, die „The Interview“ hätten sehen wollen. Doch wenn das Filmstudio und die Kinoketten zurückziehen und nicht einmal DVDs des Films aufgelegt werden, sollte Sony Pictures, wie von vielen Seiten angeregt, „The Interview“ wenigstens online stellen. Meinethalben als kostenpflichtigen Download. Millionen Nutzern in aller Welt nachzustellen dürfte die Reichweite der Nordkorea-Hacker mit dem irreführenden Namen „Guardians of Peace“ übersteigen.