Schon am Mittwochabend ruft die ARD Das Ende der Geduld aus. Aber damit ist natürlich nicht der frühzeitige Abbruch der umstrittenen Themenwoche Toleranz gemeint, sondern ein TV-Film über die Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig und die kriminellen Jugendbanden in Neukölln. Also noch zwei Tage weiter im Programm.

Man kann schon mal schlechte Laune bekommen, wenn man sich ein paar Stunden am Tag die Beiträge der Toleranzwoche ansieht, die die ARD samt Rundfunkanstalten zusammengesammelt haben: Depressionen bei Profifußballern, eine Familie, die durch Abschiebung zerrissen werden soll, stigmatisierte Ex-Sträflinge, ein Student mit Glasknochenkrankheit, Asperger-Autisten. Puh.

Schon an dieser Auswahl wird das erste, grundlegende Problem dieser Fernsehwoche sichtbar. Das Motto: Guckt mal auf die anderen. Und: Guckt mal, wie schlecht es denen geht. Den Flüchtlingen im ersten Asylbewerberheim, das seit 23 Jahren wieder in Hoyerswerda eröffnet. Der lesbischen "Zweitmutter", die im Adoptionsverfahren dem Jugendamt Rechenschaft über den "Harmoniestatus" ihrer Beziehung ablegen muss.

Der ARD ist im Vorfeld vorgeworfen worden, sie habe mit ihrer Plakataktion ("Normal oder nicht normal") genau das Gegenteil der von ihr proklamierten Toleranz erreicht: nämlich die Exposition sogenannter Randgruppen an den Rand einer selbst definierten Mehrheitsgesellschaft. Das ist vielleicht ein etwas zu hartes Urteil. Wenn man sich durch das Programm der letzten sieben Tage liest, kann man den Verantwortlichen durchaus abnehmen, dass es ihnen darum ging, Verständnis zu wecken und nicht weitere Gräben zu ziehen.

Dennoch blitzt das Zeigefingerhafte in einigen Beiträgen durch. In der Reportage Lesbische Eltern – Familien zweiter Klasse? des WDR etwa fragt die Reporterin einen Sechsjährigen, wie er eigentlich seine Eltern nenne. Der Junge, verständnislos: "Na, Mama und Mami." Nächste Frage der Interviewerin: "Sind Sie eine ganz normale Familie?" In Faszination Wissen: Vorurteile – wie sie unser Leben bestimmen (BR) wird ein junger schwarzer Bayer vorgestellt, der zum ersten Mal im Kindergarten als "Neger" bezeichnet wurde und bis heute von Fremden angerempelt und angespuckt wird. Die ARD-Stimme im Off kommentiert seine Erzählungen mit den Fragen: "Was soll man über ihn denken? Wie er aussieht? Wie er sich anzieht? So wie er und seine Freunde sich geben?" Es sind genau diese schiefen Zwischentöne, die das Bild dieser Themenwoche stören.

Noch mehr stören allerdings die Vorhersehbarkeit und Langeweile vieler Formate. Toleranz, das betont auch die ARD pausenlos in ihren Chats, soll gerade nicht als Erdulden andersartiger Meinungen und Lebensstile definiert werden, sondern als Verschiebung oder Erweiterung des eigenen Blickwinkels. Das findet bei dieser Themenwoche nur bedingt statt, zum Beispiel beim überraschend bissigen #Redefreiheit-Slam oder in einigen Beiträge im Toleranz-Chat auf der Themenwochen-Website. Meist aber bleiben die Menschen, um die es hier gehen soll, Objekt der Berichterstattung. Der Zuschauer ist nicht mittendrin, sondern bleibt auf seinem gemütlichen Zuschauerplatz außen vor.