Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer haben sich laut einem Medienbericht unter dem Eindruck der NSA-Affäre darauf verständigt, im Bundestagswahlkampf nicht wie bisher für die Vorratsdatenspeicherung einzutreten. In den kommenden Tagen werde Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) den Kurswechsel öffentlich vollziehen, schreiben Welt und Spiegel Online.    

Im Wahlprogramm von CDU und CSU, das die Parteien am 23. Juni beschlossen haben, taucht der Begriff Vorratsdatenspeicherung nicht mehr auf. Stattdessen wird das Wort Mindestspeicherfristen verwendet. Auf Seite 114 des Programms wird die Datenspeicherung gleichwohl als erforderlich eingestuft. "Mindestspeicherfristen für Verbindungsdaten sind notwendig, damit bei der Verfolgung von schweren Straftaten auf Anordnung eines Ermittlungsrichters oder zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit ein Datenzugriff erfolgen kann." 

Manche Straftaten, etwa die Verbreitung von Kinderpornographie im Internet, ließen sich nur so aufklären. "Gerade auch im Kampf gegen Terroristen ist dies oftmals ein entscheidendes Mittel, um Anschläge verhindern zu können. CDU und CSU wollen daher eine entsprechende Richtlinie der Europäischen Union in nationales Recht umsetzen", heißt es im Wahlprogramm für die Bundestagswahl.

Die Richtlinie, von der da die Rede ist, trägt die Vorratsdatenspeicherung schon im Titel. Sie sieht die Einführung von Mindestspeicherfristen von mindestens sechs Monaten bis zu zwei Jahren für Telekommunikationsverkehrsdaten vor. Die Provider sollen danach verpflichtet werden, für diesen Zeitraum zu speichern, wer mit wem wann kommuniziert hat. Die Polizei- und Strafverfolgungsbehörden können, wenn die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, im konkreten Verdachtsfall auf diese Daten zugreifen. 

Die deutsche Regelung zur Umsetzung der Richtlinie wurde vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 2010 teilweise kassiert. Das Bundesinnenministerium schreibt dazu auf seiner Homepage, Karlsruhe habe deutlich gemacht, dass die Einführung solcher "Mindestspeicherfristen" grundsätzlich verfassungskonform sei. Innenminister Friedrich und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sind beim Thema Vorratsdatenspeicherung so zerstritten, dass die Richtlinie bislang nicht umgesetzt wurde. Daher rechnet das Bundesinnenministerium mit einem Strafgeld von rund 115 Millionen Euro.

Der Verzicht auf den Begriff wird in der Union seit Jahren diskutiert. ZEIT ONLINE berichtete im Oktober 2010 über einen Vorschlag des früheren Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU), lieber von einer Mindestspeicherfrist zu sprechen. So werde deutlicher, dass nicht der Staat die Daten sammle und hinterlege, sondern die Telefon- und Internetanbieter.

Reaktionen auf Twitter

Die netzpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Halina Wawzyniak, kritisierte auf Twitter, dass sich mit der Namensänderung inhaltlich nichts ändere.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, twitterte, Merkels Wahlkampfstrategie sei der Comicfigur Garfield entlehnt: "Wenn Du sie nicht überzeugen kannst, verwirr sie."

EuGH verhandelt über Vorratsdatenspeicherung

Am kommenden Dienstag findet am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg die mündliche Verhandlung zur EU-Richtlinie über die     Vorratsdatenspeicherung statt. Das Gericht muss die Frage klären, ob die Richtlinie mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dem Datenschutz, dem Grundrecht auf Privatleben und der Meinungsfreiheit vereinbar ist. Das Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.