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  • maibaum1

593 Beiträge seit 17.07.2006

Einfach mal die zitierten Quellen lesen.

> Nein, "public viewing" bedeutet *nicht* "Ausstellung  eines
> aufgebahrten Leichnams". Das kann es zwar *auch* bedeuten, es ist
> aber keineswegs das, was ein durchschnittlicher englischer
> Muttersprachler damit spontan assoziiert.

Eight schrieb am 16. Juni 2010 10:45

> Ein Engländer vielleicht nicht, aber ein Amerikaner schon. 

Nein. Ein Engländer (der mit amerikanischem Englisch nicht vertraut
ist) nicht nur "vielleicht", sondern mit Sicherheit nicht; ein
Amerikaner aber eher ebenfalls nicht. Wenn "public viewing" im
amerikanischen Sinne von "öffentliche Aufbahrung" benutzt wird, dann
immer in einem entsprechenden Kontext. Für sich genommen bedeutet
"public viewing" einfach nur das öffentliche Betrachten von
*irgendetwas*. Oder glaubst du, in den "public viewing areas" z.B. an
amerikanischen Flughäfen würden Absturzofper aufgebahrt? ;)

Der wahre Kern lautet: Wenn ein Deutscher sagt "Ich gehe zum Public
Viewing", meint er damit eine Fußball-Übertragung. Wenn ein
Amerikaner oder Engländer sagt: "I'm going to a public viewing", dann
meint er...? Das ist eine von vornherein falsche Fragestellung - er
würde das so isoliert nämlich überhaupt nicht sagen. Er würde es nur
sagen, wenn im Kontext klar ist, was damit gemeint ist. Bei "Michael
Jackson's public viewing" oder "public viewing for Michael Jackson"
wäre klar, dass es sich nicht um ein Live-Konzert auf einer
Großbildleinwand handelt. 

Wenn es aber heißt "historic homes to open for public viewing", ist
damit gemeint, dass die historischen Häuser öffentlich zugänglich
sind - nicht, dass darin Leichen aufgebahrt werden. In der "Public
Viewing Night at the Fuertes Observatory" oder beim "public viewing
through a new reflecting telescope" werden möglicherweise
"Sternleichen", aber sicher keine Menschenleichen aus großer Distanz
betrachtet. Wenn es heißt, "Senators Urge for Public Viewing of ACTA
Text", wird damit leider keineswegs ausgesagt, dass das
Anti-Counterfeiting Trade Agreement schon tot wäre. Wenn die ACLU
sich für das "public viewing of executions" einsetzt, meint sie damit
ausdrücklich die öffentliche Zurschaustellung der Hinrichtung selbst,
nicht von deren Ergebnis. Bei einem "Kindle 2 review, feedback and
public viewing" geht es nicht um defekte Geräte. Bei einem "Queen
Mary 2 Public Viewing" im Hafen von New York geht es nicht darum,
dass eine britische Königin dort aufgebahrt würde. Wenn "Senator
McCain reveals his spiritual side for public viewing" will er damit
nicht kundtun, dass seine "spirituelle Seite" tot wäre - das
Gegenteil ist der Fall. Beim "Public Viewing of Dead Sea Scrolls"
geht es nicht um die öffentliche Aufbahrung "toter
Meeres-Schriftrollen", sondern um die öffentliche Ausstellung der
"Schriftrollen vom Toten Meer". Beim "Public viewing of bald eagles
in their natural environment" darf man davon ausgehen, dass die Adler
noch putzmunter sind und nicht verwesend in ihrem natürlichen
Lebensraum herumliegen. Da Jesus bekanntlich körperlich in den Himmel
aufgefahren ist, kann es beim "Shroud of Turin public viewing" nur um
das öffentliche Zeigen seines Leichentuchs (ohne Inhalt) gehen. Wenn
"mammoth bones open for public viewing" annociert wird, ist nicht
davon auszugehen, dass die Knochen im Anschluss feierlich beigesetzt
werden. Bei "local public viewing parties for tonight's premiere"
dürfte es durchaus feuchter und fröhlicher zugehen als bei einer
öffentlichen Aufbahrung. "Public viewing of sexually violated bodies"
bezieht sich nicht auf ermordete Vergewaltigungsopfer, sondern "nur"
auf Fotos von sexuellen Erniedrigungen in Abu Ghuraib. Wenn vom
"Purchasing public viewing rights" die Rede ist, geht es nicht um
einen Trick von Bestattungsunternehmern, Trauernden Geld aus der
Tasche zu ziehen. Denn tatsächlich kann "public viewing" auch im
Amerikanischen "öffentliche Aufführung" von Filmen usw. bedeuten -
wie in "Free Public Viewing of Top Gun", bei dem die Zuschauer
aufgefordert werden "Bring your lawn chairs and blankets". Das wäre
für eine Aufbahrung auch ein reichlich pietätloser Vorschlag. Zu
guter letzt findet sich auch im Zusammenhang mit Sportübertragungen
der Begriff "public viewing", auch wenn dabei eher herkömmliche
Fernseher in Kneipen zum Einsatz zu kommen scheinen: "DIRECTV
Programming for Public Viewing - Build repeat business by presenting
your customers with the best in satellite-delivered television". 

Alle Beispiele sind willkürlich ausgewählt aus hunderttausenden
amerikanischen Google-Treffern. 

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