Streit um Einfluss der Nato in der Ukraine-Krise: Russland fordert Neutralität der Ukraine

Kämpfe im Osten gefährden Waffenruhe ++ Ukrainische-Premier: Nur die Nato kann uns schützen

Die Regierungen in Kiew und Moskau haben sich am Wochenende einen Schlagabtausch über eine zukünftige Nato-Mitgliedschaft der Ukraine geliefert. Während der ukrainische Ministerpräsident Arseni Janzenjuk erklärte, nur die Allianz könne sein Land vor russischen Plänen zur Übernahme seines Landes schützen, warnte der russische Außenminister Sergej Lawrow vor einem Beitritt zur Nato.

Die ohnehin brüchige Waffenruhe in der Ostukraine wurde durch neue Gefechte belastet. Die Krise wirkt sich zunehmend auf die Wirtschaft der Ukraine aus: Die Zentralbank befürchtet inzwischen einen Konjunktur-Einbruch von bis zu zehn Prozent.

Janzenjuk nannte Russland am Samstag auf einer Konferenz eine „Bedrohung für die globale Ordnung und der Sicherheit ganz Europas”. Der russische Präsident Wladimir Putin werde sich nicht mit der Krim zufriedengeben, sondern wolle die ganze Ukraine einnehmen.

„In dieser Situation kann uns nur die Nato schützen”, sagte Jazenjuk. Er verstehe aber, dass die Allianz im Moment nicht zur Aufnahme der Ukraine bereit sei.

Lawrow nannte die Neutralität des Nachbarlandes dagegen eine „elementare Frage”. Der Nachrichtenagentur Itar-Tass erklärte er, Jazenjuks Vorstoß zur Nato-Mitgliedschaft sei nicht im Sinne der Ukraine, sondern derer, „die einen tiefen und breiten Keil zwischen Russland und Europa treiben wollen”. Dies seien in erster Linie die USA. Die Vorstellung, dass Russland die Ostukraine in eine Pufferzone verwandeln wolle, wies Lawrow als dumm und irreführend zurück.

DEUTSCHE WIRTSCHAFT KRITISIERT SANKTIONEN

Seit etwas mehr als einer Woche gilt in der Ostukraine eine Waffenruhe zwischen der Regierung und den pro-russischen Separatisten. Am Samstag wurde sie wieder auf die Probe gestellt: In der Nähe des Flughafens der Rebellenhochburg Donezk war heftiges Artilleriefeuer zu hören, schwarzer Rauch stieg auf.

Das Gelände wird von der Armee kontrolliert, die bereits in der Nacht auf Samstag von einem Beschuss ihrer Stellungen berichtet hatte. Die Ukraine und der Westen werfen der Moskauer Regierung vor, die Rebellen mit Soldaten und Panzern zu unterstützen. Russland weist dies zurück. In dem monatelangen Konflikt starben bislang mehr als 3000 Menschen.

Am Samstag kündigte Russland Hilfen für den von Sanktionen betroffenen Ölkonzern Rosneft und den Gasproduzenten Novatek an.

Die Regierung reagierte zudem auf frühere Sanktionsrunden mit Importverboten für bestimmte Güter aus dem Westen. Zudem kam in einigen Ländern Zentral- und Osteuropas in den vergangenen Tagen weniger Gas aus Russland an als bestellt – so am Samstag in der Slowakei und zuvor auch in Polen und Österreich. Russland hatte zuvor kritisiert, dass einige EU-Länder Erdgas an die Ukraine zurückleiten, die wegen unbezahlter Rechnungen von Russland nicht mehr beliefert wird.

Die deutsche Wirtschaft übte heftige Kritik an den neuen Strafmaßnahmen. Der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes, nannte sie in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” einen Fehler. „Wir befinden uns jetzt vermutlich am Beginn einer gefährlichen Sanktionsspirale.” Die Sanktionen hätten bislang keinen Fortschritt in der Krise gebracht. „Wir schaden uns also zunehmend selbst, ohne die erhoffte politische Wirkung zu erzielen.” Gerade kleine und mittlere deutsche Unternehmen sähen sich in ihrer Existenz bedroht.

Die ukrainische Zentralbank befürchtet inzwischen wegen des Konflikts einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von bis zu zehn Prozent in diesem Jahr.

„Er könnte minus neun oder sogar minus zehn Prozent betragen”, sagte Notenbank-Chefin Valeria Hontarewa der Nachrichtenagentur Interfax Ukraine unter Hinweis auf das Bruttoinlandsprodukt des Landes. Der Internationale Währungsfonds rechnet bislang mit einem Minus von 6,5 Prozent.

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