Sind Medien und Justiz in der Wulff-Affäre zu weit gegangen? Um diese Frage drehte sich die Talksendung Maybrit Illner am Donnerstagabend. Und sie war aus drei Gründen sehr gelungen.

Erstens: Bild-Chefredakteur Kai Diekmann war nicht eingeladen, obwohl es ausführlich um seine Rolle ging. Die Runde war mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, der früheren Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer und Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung zwar übersichtlich, und sie waren auch alle drei bereit zu Medienkritik. Aber genau das war gut. Die Runde wäre zu einem Witz geworden, hätte jemand daran teilgenommen, der gegen medienkritische Anmerkungen einen Pappkameraden zur Selbstverteidigung in Stellung gebracht hätte.

Zweitens: Die Diskussion hatte dadurch eine Haltung, die immer dann fehlt in Talkshows, wenn die Gesprächsteilnehmer aus völlig verschiedenen Welten kommen, um sich nirgends zu treffen. Mancher Journalist empfand die Zusammensetzung des Podiums auf dem Nebenschauplatz Twitter als einseitig – aber das ist kurz gesprungen. Von Wulffs Fehlern hat jeder schon gehört. Von der Rolle der Journalisten in der Wulff-Affäre, die als Medienaffäre Wulff besser bezeichnet wäre, nicht.

Keineswegs eine große Verteidigung Wulffs

Und drittens: Die Diskussion führte noch einmal vor Augen, wie es um den Jahreswechsel 2011/2012, bevor Wulff als Bundespräsident zurücktrat, zu diesem medialen Tiefpunkt kommen konnte. Wulff zeigte bei Illner wieder diesen interessanten Unwillen, das große Ganze in den Blick zu nehmen, und argumentierte formal und klein-klein. Das erinnerte stark an sein desaströses Kommunikationsverhalten während der Affäre selbst.

Insofern geriet die Sendung keineswegs zu einer großen Verteidigung Wulffs. Was er seinerzeit verbockt hatte, kam zur Sprache. Zwei Dinge waren dabei zentral: zum einen sein Verhalten gegenüber Diekmann, dem er einen Brief und eine Weihnachtskarte schrieb, den er zu sich ins Schloss Bellevue einlud, und dem er bekanntlich auf die Mailbox quatschte, um einen kritischen Artikel zu verhindern. Vollmer nannte Wulffs Verhalten "naiv"; Prantl nannte es – wozu ist man Leitartikler? – "zu eng, zu privat, zu persönlich, zu vertrauensselig, zu naiv".

Wulff hätte außerdem, so fand Prantl, den schwelenden Korruptionsverdacht nicht frühzeitig ausgeräumt, sondern darauf beharrt, formal stets korrekt gewesen zu sein. Dem medialen Narrativ "Da sitzt jemand, der überall Reibach macht" (wiederum Prantl) setzte der Bundespräsident seinerzeit nichts entgegen. Bei Illner vermittelte er nun den Eindruck, er habe bis heute nicht verstanden, worin seinerzeit – ob zu Recht oder nicht – das Problem gesehen wurde, nämlich in seiner großen Nähe zu Unternehmern. Kurz, wer vor der Talkshow noch kein Verständnis für Wulff entwickelt hatte, dürfte hinterher auch keines entwickelt haben.

Journalisten bewegten sich nur in eine Richtung

Nein, die Sendung konzentrierte sich auf die anderen Protagonisten der Geschichte, und das war nur angemessen. Diese anderen Protagonisten waren Journalisten und, später, Staatsanwälte. Wenn man über Wulff sagen kann, dass er sich durch Instinktlosigkeit auszeichnete, so muss man über Journalisten sagen, dass sie in einem Tunnel steckten. Sie blickten nicht etwa auf die Dinge wie von außen in eine Schneekugel. Sie machten selbst die Geschichte und sie bewegten sich dabei nur in eine Richtung. 

Die Dramaturgenrolle des Springer-Verlags kam bei Illner ausführlich zur Sprache. Antje Vollmer vertrat die Position, dessen Medien hätten schon vor Wulffs Wahl nicht nur Joachim Gauck unterstützt, sie hätten auch tatsächlich ihre Macht beweisen wollen. Vielleicht ist das zu eingleisig. Vielleicht war es auch so.