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Waffenlieferungen - Deutschlands Sicherheit wird nun auch am Sindschar-Gebirge verteidigt

Der Bundestag debattierte heute über die Lieferung von Waffen in den kurdischen Nordirak – symbolisch. Die Bundesregierung hat sich schon längst dazu entschlossen. Die Diskussion ist dennoch wichtig. Denn sie zeigt, wie Idealisten zu Realpolitikern werden können – und umgekehrt. Ein Kommentar

Autoreninfo

Vinzenz Greiner hat Slawistik und Politikwissenschaften in Passau und Bratislava studiert und danach bei Cicero volontiert. 2013 ist sein Buch „Politische Kultur: Tschechien und Slowakei im Vergleich“ im Münchener AVM-Verlag erschienen.

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Zynismus oder ein starkes Zeichen? Schon die Wahl des Datums, an dem die Regierung ihren Entschluss zur Waffenlieferung in den Irak verteidigt, spaltet den Bundestag. „Mehr als stillos“, findet es Linken-Fraktionschef Gregor Gysi. Sein Pendant in der CDU/CSU, Volker Kauder, nennt es „eine Botschaft, am 1. September das zu diskutieren“. An diesem Tag 1939 begann Deutschland mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg.

75 Jahre später spricht Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung davon, dass sich zwar kein Konflikt der Welt allein militärisch lösen lasse. Allerdings gebe es Situationen, in denen eine politische Option anders nicht herbeizuführen sei. Im Irak ist die Situation derzeit die folgende: Terroristen des Islamischen Staates (IS) schlagen das irakische Militär und kurdische Einheiten zurück. Eine politische Option gibt es bislang nicht.

10.000 Handgranaten an die Kurden im Nordirak


Deshalb hat sich die Bundesregierung dazu entschlossen, 10.000 Handgranaten, 16.000 Sturmgewehre, 240 Panzerfäuste und weiteres Material aus Bundeswehrbeständen in die autonome Region Irakisch-Kurdistan zu liefern. Der Beschluss wurde mit den Stimmen von Union und SPD bestätigt. Eine wirkliche Parlamentsabstimmung war dies allerdings nicht. Denn für Waffenlieferungen benötigt die Bundesregierung kein Einverständnis des Bundestages.

Merkel sagte, nicht nur die Menschen im Irak, sondern auch „unsere eigenen Sicherheitsinteressen“ seien bedroht. Der frühere Verteidigungsminister Peter Struck sagte einmal, Deutschlands Sicherheit werde auch am Hindukusch verteidigt. Nun soll sie auch am irakischen Sindschar-Gebirge verteidigt werden. Von Kurden.

Die Opposition fürchtet, dass die Waffen nicht bei den Peschmerga-Kämpfern bleiben. Sie könnten in den Händen der verbotenen PKK landen, erklärt Gysi. Anton Hofreiter, Chef der Grünen-Fraktion im Bundestag, sagt, es sei sicher nicht die Absicht der USA gewesen, dass nun IS-Kämpfer amerikanische Waffen nutzten.

Regieren im Indikativ-Präsens


Dieses Argument gegen Waffenlieferungen in den Irak versucht Angela Merkel am Ende ihrer Regierungserklärung mit einem Satz beiseite zu räumen: „Das, was ist, wiegt in diesem Fall schwerer als das, was sein könnte.“ Merkel regiert im Indikativ-Präsens. Bedenken werden hintangestellt. Deutsche Waffen könnten aber zur entscheidenden militärischen Ressource für eine etwaige Abspaltung des kurdischen Nordiraks werden. „Diese Waffen haben keinen Rückholschein“, sagt auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann.

Mit ihrer Argumentation hebelt sich Merkel allerdings selbst aus. Denn Außenpolitik ist konjunktivisch, sie denkt immer in möglichen Welten. In einer obsiegt der IS aufgrund ausbleibender Gegenwehr. In einer ideellen wird er durch – dann auch deutsche – Waffen zurückgeschlagen.

Gysi bedauert Kontakt-Abbruch zu Assad


In einer solchen ideellen Welt macht Die Linke Außenpolitik. Die verkauft sie allerdings als eine realpolitische Option. Der Westen hätte sich niemals mit Russland in Sanktionen hochschaukeln sollen, wenn man eine Entscheidung der Vereinten Nationen zum Irak hätte herbeiführen wollen, sagt Gysi. Denn die Stimme Russlands benötige man jetzt im Sicherheitsrat. Eine Kooperation mit Syrien gegen den IS hält Gysi offenbar für eine verpasste Chance. „Ich will Assad nicht schöner reden, als er ist. Aber gar keine Gesprächskontakte zu haben, war wohl doch ein Fehler“, sagt er.

Damit versucht der Linken-Fraktionschef einen Rollentausch vorzunehmen: Von der komfortablen Oppositionsbank mimt er den Realpolitiker, der die strikte Haltung der Regierung gegenüber Assad und Putin geißelt. Selbst jedoch bleibt er beim historisch-kategorischen Nein der Linken zu Waffenlieferungen.

Die Grünen können sich dagegen nicht so richtig entscheiden. „Wir halten Ihren Vorschlag für falsch, nicht Ihre Intention“, spricht Hofreiter zur Regierungsbank. „Den Grundsatz, keine Waffen in Krisenregionen zu liefern, sollten wir beherzigen.“ Die Grünen stecken fest, zwischen Realpolitik und Kategorismus. Das entspricht auch ihren künftigen Bündnisoptionen: Union und SPD auf der einen und Die Linke auf der anderen Seite.

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