Russland in der Krise : Moskaus Ärger mit den Nachbarn
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Unwillige Partner: Weißrusslands Präsident Lukaschenka, Russlands Präsident Putin und Kasachstans Präsident Nasarbajew. Bild: AP
Nicht nur mit dem Westen, sondern auch mit seinen Verbündeten hat Russland Schwierigkeiten. Moskau will, dass Weißrussland und Kasachstan die antiwestlichen Sanktionen mittragen. Doch die weigern sich.
Vordergründig wird die von Russlands Präsident Wladimir Putin vorangetriebene „eurasische Integration“ Anfang kommenden Jahres einen Schritt vorankommen. Dann tritt der Vertrag über die Gründung der Eurasischen Wirtschaftsunion in Kraft, den die Staatschefs Russlands, Kasachstans und Weißrusslands Ende Mai in Astana unterzeichnet haben. Auch Armenien wird dann Mitglied, so haben es die Partner im Oktober beschlossen.
Dort gab es Bedenken gegen eine engere Anbindung an Moskau – so wie früher auch schon in Weißrussland und Kasachstan. Beseitigt wurden solche Zweifel bisher stets mit einer Mischung aus Dollar-Krediten und Drohungen. Armenien erklärte sich im April dieses Jahres zum Beitrittskandidaten, nachdem Moskau den Gaspreis um 50 Prozent erhöht und den Verkauf von noch mehr Waffen an den Feind Aserbaidschan in Aussicht gestellt hatte.
Aus Sicht des Kremls ist die Eurasische Wirtschaftsunion eine „höhere Ebene der Integration“. Die Partner sollen nach dem Muster der EU Waren, Dienstleistungen, Arbeitskräfte und Kapital frei untereinander austauschen. Es soll einen gemeinsamen eurasischen Markt geben, wenn auch – mit Ausnahme der russisch besetzten Halbinsel Krim – ohne die Ukraine, die Putin noch im März als „Schlüsselpartner“ des Zusammenschlusses bezeichnet hat.
Zweifel beseitigt Moskau mit Krediten - und Drohungen
Das ist die Theorie. Wie die Praxis aussieht, zeigt ein aktueller Streit zwischen Russland und Weißrussland. Auslöser ist auch hier der Ukraine-Konflikt. Der russische Expansionsdrang hatte dem weißrussischen Präsidenten Aleksandr Lukaschenka Anlass zu einigen kraftmeierischen Aussprüchen gegeben, bis hin zu dem Versprechen, er werde sein Land gegen jeden Angreifer verteidigen, auch gegen Putin. Eine „Föderalisierung“ der Ukraine nach russischem Wunsch lehnt er ab und sucht eine Rolle als Mittler zwischen den „Brudervölkern“.
Dabei ist die militärische und geheimdienstliche Anbindung Weißrusslands an Russland umfassend, finanziell ist Minsk von Putins Milliardenkrediten abhängig. Auch die gefühlte Bedrohungslage ist gleich: Erst am Dienstag sprach Lukaschenka vor seinem Nationalen Sicherheitsrat über die Bedrohung durch vom Westen unterstützte „radikale“ Kräfte, zu denen Nichtregierungsorganisationen zählten. Es wirkte wie ein Zitat Putins. Auch Lukaschenka beklagt eine „Verstärkung des Potentials der Nato an den Westgrenzen“, in Polen und im Baltikum.
Die Ähnlichkeit der Interessen an der inneren und der äußeren Front hält Lukaschenka freilich nicht davon ab, die Verwerfungen über die Ukraine zum eigenen Vorteil zu nutzen. Kaum hatte Putin Anfang August seine „Antisanktionen“ verkündet – ein Embargo von Lebensmitteln aus Ländern, die Sanktionen gegen Russland verhängt haben –, bot Lukaschenka sein Land offen als Umschlagplatz für Waren aus dem Westen an.
EU-Embargo : Alles Käse in Russland?
Minsk profitiert von den russischen „Antisanktionen“
Zwar hat sich Weißrussland verpflichtet, Waren, deren Einfuhr nach Russland verboten ist, nicht dorthin weiterzuexportieren, doch erstreckt sich dieses Verbot nicht auf in Weißrussland verarbeitete Rohstoffe. „Wenn wir irgendetwas verarbeiten müssen, kaufen wir es und verarbeiten es“, sagte Lukaschenka seinerzeit.
In der Praxis läuft dies nach Darlegung Putins, der in diesem Fall von Wirtschaftsfachleuten bestätigt wird, auf schlichte Umetikettierung hinaus. Man übergeht in Moskau aber, dass dieser Reexport an das russische Argument gegen das Assoziierungsabkommen der Ukraine mit der EU erinnert – nur, dass er eben jetzt vom Partner betrieben wird.