Lisa Fischer* ist zufrieden mit ihrem Beruf und führt eine glückliche Beziehung. Ihr Glück ist ein Problem. Sie ist als Sozialarbeiterin bei der Caritas beschäftigt, einem katholischen Arbeitgeber. Lisa Fischer lebt seit vielen Jahren mit einer Frau zusammen, ihr Chef weiß nichts davon. Ihre Partnerin erwartet nun ein Kind. "Das Kind kann ich nur adoptieren", sagt Fischer, "wenn ich mich verpartnere." Ansonsten bekommen die beiden kein gemeinsames Sorgerecht.

Die Verpartnerung wiederum verbietet Lisa Fischers Arbeitgeber. Beim Deutschen Caritasverband gilt das kirchliche Arbeitsrecht, und das greift tief ins Privatleben der Beschäftigten ein. 1993 verabschiedete die Deutsche Bischofskonferenz die Grundordnung des kirchlichen Dienstes, diese enthält zahlreiche Loyalitätsverpflichtungen. Unter anderem heißt es: "Von den katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten." Eine eingetragene Lebenspartnerschaft ist nicht erlaubt.

"Meiner Partnerin und mir wäre es wichtig, dass das Kind zwei Elternteile hat, auch damit es abgesichert ist, falls ihr etwas zustößt."

Nun bringt ausgerechnet die katholische Glaubenslehre Lisa Fischer in einen Gewissenskonflikt: Hier die Arbeit, dort die Verantwortung für das Kind. "Meine persönlichen Lebensverhältnisse dürften keine Rolle spielen, im Vordergrund sollten doch die Klienten stehen." Als "gläubig" bezeichnet sich die Sozialarbeiterin "eher nicht". Sie habe sich für den Arbeitgeber Caritas entschieden, "weil er Träger der Einrichtung ist, in der ich gern tätig bin". Mit der römischen Lehre zum Thema Homosexualität kann Lisa Fischer nichts anfangen – natürlich nicht. "Aber ich kenne sehr gläubige Menschen, die mir tolerant begegnen und die offizielle Kirchenlehre selbst ablehnen." Eine Kluft, die zuletzt auch die Umfrage des Vatikans zur Familiensynode zutage förderte: hier die Haltung praktizierender Katholiken, dort die Lehrmeinung und das sich darauf beziehende Arbeitsrecht.

Fischer ist seit mehr als zehn Jahren bei der Caritas, eine erfahrene Mitarbeiterin also. "Bei mir in der Arbeit gibt es keine Verpartnerung, das traut sich niemand." Andere hätten die Caritas verlassen, bevor sie ihre homosexuelle Lebenspartnerschaft offiziell besiegelt hätten.

Dieser Umstand ist doppelt problematisch: Einmal, weil die Kirche im konkreten Fall verhindert, dass Lisa Fischer rechtsverbindlich Verantwortung für das Kind ihrer Partnerin übernimmt. Zum anderen, weil sie sich mit der kirchlichen Grundordnung selbst ein Bein stellt. Qualifizierte Arbeitnehmer wie Lisa Fischer werden rar. Neben dem Priestermangel kommt nun auch bei den Laien ein Fachkräftemangel auf die Kirchen zu. "Wir spüren das in einigen Bereichen deutlich, vor allem wenn wir Erzieher oder Sozialpädagogen suchen", sagt Nils Wenderdel vom Personalreferat des Erzbistums Hamburg. "In einer Großstadt wie Hamburg konkurrieren wir natürlich mit einigen großen Unternehmen."

Dieser Text stammt aus der Christ & Welt-Ausgabe 48/14 © Christ & Welt

Die christlichen Kirchen sind nach dem öffentlichen Dienst der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland. Zusammen mit ihren Wohlfahrtsverbänden Caritas und Diakonie beschäftigen sie rund 1,3 Millionen Menschen in mehr als 100 verschiedenen Berufen: vom Computerspezialisten über die Therapeutin bis zum Koch. Regelmäßig gibt es Stellen, die sich nicht so einfach besetzen lassen. "Wir sind immer wieder auf der Suche", bestätigt Nils Wenderdel vom Erzbistum Hamburg. "Und wir fragen uns: Wie können wir aufzeigen, dass wir ein attraktiver Arbeitgeber sind, welche Entwicklungsmöglichkeiten es bei uns gibt?"

Das neue Zauberwort in den kirchlichen Personalabteilungen heißt Arbeitgebermarkenbildung. Jörg Schleburg, Inhaber der Münchner Agentur Von Vorteil, hat sich vor einigen Jahren auf dieses Thema spezialisiert. Er hat Audi beraten, die Bierbrauer von Beck’s und die Elektronikkette Saturn. "Als zweitgrößter Arbeitgeber bewirbt sich die Kirche mit um die besten Köpfe", sagt Schleburg. Viele haben es noch nicht mitbekommen, aber in etlichen Bereichen des Arbeitsmarktes hat sich das Blatt gewendet. Der demografische Wandel macht sich bemerkbar, die Zahl potenzieller Mitarbeiter geht stetig zurück. Waren früher diejenigen, die einen Job suchten, die Bittsteller, so müssen sich heute Unternehmen und Institutionen um geeignetes Personal bemühen: "Es geht nicht mehr nur darum, was kann mir der Bewerber bieten", erklärt Markenexperte Schleburg. "Heutzutage ist die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf Augenhöhe."