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Auf Spurensuche an der alten Batschkapp

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Vor einem Monat rückte der Bagger an und riss die Batschkapp ab. Tag für Tag verschwand so ein Stück Tradition aus Eschersheim. Während das Denkmalamt nun in den Trümmern nach stummen Zeugen der Zeit sucht, werfen wir einen Blick zurück in die Geschichte in und um die alte Batschkapp. Gefeiert wurde dort nämlich schon immer.

Es ist vorbei. Endgültig. Die alte Batschkapp ist Geschichte. Viel mehr als eine plane Fläche aus Schutt ist nicht mehr zu sehen auf dem Areal zwischen Bahngleisen und Maybachstraße. Ein Bagger ist allerdings noch aktiv, Meter für Meter gräbt er sich in den Erdboden und hebt eine drei, vielleicht vier Meter tiefe Grube aus. Am Rand des quadratischen Erdlochs steht Hans-Jürgen Semmler, Grabungstechniker beim Denkmalamt der Stadt Frankfurt. „Direkt an der Maybachstraße gab es vorgeschichtliche Funde, deswegen überprüfen wir dieses Gelände auch“, erklärt der Experte.

Mit einer Schneide, einem Baggerlöffel ohne Zähne, trägt der Baggerführer vorsichtig Schicht für Schicht des ockerfarbenen Erdbodens ab. Der geschulte Blick von Semmler erkennt schnell: Hier findet er nichts. „Es gibt keinerlei Verfärbungen im Erdreich. Daran erkenne ich, dass es sich um gewachsenen, also unberührten Boden handelt“, erklärt der Grabungstechniker, der nur bei Abschnitten mit hellerer Erde aufmerksam geworden wäre. So ist die Arbeit für ihn an der Batschkapp getan. Aber auch wenn an diesem Tage nichts gefunden wurde, eine Kloake sowie einen aus Ziegelsteinen gemauerten Hausbrunnen aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts hat das Denkmalamt bereits entdeckt.

Diese beiden Funde stammen dann wohl aus den Anfängen des Gebäudes mit Vorder- und Hinterhaus, in dem zuletzt die Batschkapp beheimatet war. Gefeiert wurde in dem um 1900 erbauten Gebäude allerdings schon immer – lange bevor der kultiger Musikclub 1976 dort einzog. Zunächst in der Bahnhofswirtschaft Georg Müller, dem Müllerschorsch der mit eigener Apfelweinkelterei, Biergarten und großem Festsaal die Eschersheimer lockte. „Neben der Gaststätte Drosselbart, einst das Lokal ,Zur Stadt Frankfurt’, war die Bahnhofswirtschaft der Treffpunkt in Eschersheim. Zumal an beiden Lokalen damals noch die Eschersheimer Landstraße vorbeiführte“, berichtet Werner Balzer. Der 69-Jährige wohnt seit seiner Geburt in Alt-Eschersheim und ist ein wandelnde Geschichtsbuch.

Schranke und Jägerzaun

Dort, wo man heute nur über eine Fußgängerbrücke die Schienen zur alten Batschkapp überqueren kann, erzählt Balzer weiter, gab es Anfang des 20. Jahrhunderts noch eine Schranke sowie einen Jägerzaun. Ein Unfall mit einem Eselskarren auf den Schienen, so munkelt man bei den alteingesessenen Eschersheimern, führte damals dazu, dass der Bahnübergang geschlossen und der Fußgängerüberweg eröffnet wurde. 1908, als die Tramstrecke von Eschersheim nach Heddernheim erweitert wurde – bislang stoppte die Dampfstraßenbahn am heutigen Drosselbart –, wurde zudem das Viadukt über Schienen und Nidda gebaut und ein Jahr später eröffnet. Noch heute wird dies von der U-Bahn genutzt.

Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 wurde die Gaststätte geschlossen, im Festsaal bis zu 100 Zwangsarbeiter untergebracht. Wie in vielen Lokalen in und um Frankfurt. Eigene Erinnerungen an das alte Batschkapp-Gebäude hat Werner Balzer erst ab Anfang der 1950er Jahre. „Das Metropol-Kino war damals dort untergebracht. Mit einem sehr großen Kinosaal, in dem die neuesten Streifen gezeigt wurden“ erinnert sich der Rentner. Eröffnet wurde das Lichtspielhaus 1949, geschlossen wurde es allerdings bereits 1965. Immer mehr Menschen kauften sich einen Fernseher, das Kino rentierte sich nicht mehr.

Geliebt und gehasst

Elf Jahre lang stand das Gebäude mit seinem Vorderhaus und dem daran anschließenden langgezogenen Anbau leer. Bis das Kulturzentrum Batschkapp sowie der Elfer Musikclub das Gebäude bezogen. Sehr zum Ärger der in direkter Umgebung wohnenden Eschersheimer. Immer wieder gab es Probleme wegen Ruhestörungen, auch Werner Balzer war in seiner Tätigkeit als Polizeibeamter mehrfach vor Ort. „Die Batschkapp war vielen Eschersheimern ein Dorn im Auge, das Publikum, das dort verkehrte, passte kaum jemanden“, erzählt Balzer. Kein Wunder, dass der Umzug des Musikclubs im Dezember 2013 von Eschersheim nach Enkheim gerngesehen war.

Kritisch beäugt wird allerdings der Abriss des Gebäudes. „Das Haus ist verwurzelt mit dem Stadtteil, es ist Tradition und auf vielen alten Ansichtskarten sichtbar. Der Abriss dieses Wahrzeichens ist für mich unverständlich und ein Unding. Denkmalschutz für das Gebäude wäre angebracht gewesen“, ist Balzer verärgert, dass das Gebäude binnen eines Monats verschwunden ist.

Wie sehr die Eschersheimer an „ihrer“ alten Batschkapp hängen, zeigt eine Geschichte, von der Grabungstechniker Hans-Jürgen Semmler erzählt. Ein Ehepaar sei in die Maybachstraße gekommen, als das Gebäude schon zur Hälfte in Schutt und Asche lag. „Sie haben weinend vor den Trümmern gestanden, denn für sie hatte die Batschkapp eine ganz besondere Bedeutung: Sie haben sich dort kennen- und lieben gelernt“, sagt er. Solche Geschichten zeigten eben, dass es sich bei der alten Batschkapp nicht nur um eine Gebäude aus Stein und Holz, sondern vielmehr auch um einen Ort der Erinnerung handle.

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