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Bundesverfassungsgericht

Kirche darf "Sündern" kündigen

  • 20. November 2014 86 4 Min.

Das Bundesverfassungsgericht gibt der Kirche das Recht, ihren Mitarbeitern auch im privaten Bereich Vorschriften zu machen

Die Kirche als Arbeitgeber in sozialen Einrichtungen ist für all jene gefährlich, die nicht so leben, wie es das Dogma vorschreibt. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die Rechte der Kirchen gestärkt, sich über das weltliche Arbeitsrecht hinwegzusetzen. In einer am Donnerstag verkündeten Entscheidung (2 BvR 661/12) erklärten die Richter, dass trotz individueller Rechte die Kirche als Arbeitgeber ein "gewisses Maß an Loyalität" von Mitarbeitern verlangen könne.

Das ergebe sich aus dem im Grundgesetz zugesicherten Selbstverwaltungsrecht der Kirchen. Im vorliegenden Fall rügten die Richter ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Das hatte sich 2011 noch auf die Seite eines Chefarztes gestellt, der ein zweites Mal eine Frau geheiratet hatte und gekündigt worden war. Das katholische Krankenhaus in Düsseldorf hatte darin einen Loyalitätsverstoß gesehen.

Das Bundesarbeitsgericht hatte argumentiert, dass die Kirche mit zweierlei Maß messe, weil sie etwa auch nicht-katholische Mitarbeiter beschäftige, und kritisiert, dass sie in das vom Grundgesetz geschützte Privatleben des Chefarztes eingreife.

Staat darf kirchliche Dogmen nicht bewerten

Das Bundesverfassungsgericht warf der Vorinstanz nun aber vor, die "Bedeutung und Tragweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts" der Kirchen nicht ausreichend berücksichtigt zu haben. "Die staatlichen Gerichte dürfen sich nicht über das kirchliche Selbstverständnis hinwegsetzen, solange dieses nicht in Widerspruch zu grundlegenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen steht", erklärte das höchste deutsche Gericht. Der Staat habe die Pflicht zur "weltanschaulich-religiösen Neutralität". "Diese verwehrt es dem Staat, Glauben und Lehre einer Kirche oder Religionsgemeinschaft als solche zu bewerten. Die Eigenständigkeit der kirchlichen Rechtsordnung hat er zu respektieren", so die Richter.

Karlsruhe gab den Kirchen dabei einen sehr weiten Spielraum: So habe auch ein kirchliches Krankenhaus, das wie nicht-kirchliche Mitbewerber hautpsächlich von den Einnahmen aus den Krankenkassen und von staatlichen Zuschüssen lebt, trotzdem eine Verkündungs-Botschaft im kirchlichen Sinn. Der Staat dürfe sich daher nur beschränkt einmischen, Gerichte nur die "Plausibiltät" der kirchlichen Argumentation überprüfen.

Im vorliegenden Fall spielte es etwa eine Rolle, dass die Kirche Führungspersonal – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nur mit Kirchenmitgliedern besetzt und in Arbeitsverträgen bestimmte Loyalitätspflichten und entsprechende Kündigungsgründe definiert. Der Chefarzt, der sich "freiwillig" dieser Regelung unterworfen hatte, hätte demnach wissen können, dass er im "Fall des Abschlusses einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe" gekündigt wird, wie es in einer entsprechenden "Erklärung der deutschen Bischöfe zum kirchlichen Dienst" aus dem Jahr 1993 heißt.

Die Sache ist damit aber noch nicht ausgestanden: Karlsruhe gab den Fall zurück an das Bundesarbeitsgericht, das auch neue Fragen klären muss. Etwa ob sich das kirchliche Eheverbot mit dem grundgesetzlichen Schutz der Ehe verbinden lässt. Der Schutz bezieht sich auf die rechtliche und nicht religiöse Eheauffassung. Allerdings wäre auch diese Frage abzuwägen mit dem Selbstverwaltungsrecht der Kirchen, so Karlsruhe.

Ball liegt beim Staat

Die Entscheidung des Gerichts war auch von LGBT-Aktivisten mit Spannung erwartet worden: In der Vergangenheit hatte die Kirche auch immer wieder Homosexuelle gefeuert, wenn sich diese als solche zu erkennen gaben. So wurde etwa vor einigen Jahren die Entlassung einer Putzfrau in einem katholischen Kindergarten bekannt, die eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen war (queer.de berichtete).

Das neue Urteil mutet da wie ein Rückschlag an, zumal der Prüfauftrag an das Bundesarbeitsgericht zur Frage der grundgesetzlichen Ehe hier nicht weiterhilft: Sie steht Schwulen und Lesben nicht offen und wird von Karlsruhe weiter als Verbindung von Mann und Frau definiert.

So ist in der Frage der Gesetzgeber auf allen Ebenen gefragt, vor allem, in dem er den Einfluss kirchlicher Einrichtungen zurückdrängt und so allen Arbeitnehmern eine freie Entfaltung ermöglicht. "Viele Menschen werden durch das Urteil in Geiselhaft der katholischen Morallehre genommen, denn kirchliche Träger haben vielerorts praktisch ein Monopol bei Einrichtungen im Sozial-, Gesundheits- und Erziehungswesen", kritisierte der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) am Donnerstag. Rund 40 Prozent der Beschäftigten im sozialen Sektor arbeiteten in einer kirchlichen Einrichtung.

"Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner neuen Entscheidung dennoch bestätigt, dass nur die Katholische Kirche bestimmen kann, welche Grundsätze sie bei Kündigungen anlegt", so Manfred Bruns vom LSVD."Viele Beschäftigte sind deshalb dauernd von Kündigungen bedroht. Für Lesben und Schwule bedeutet das, dass sie sich wieder so tarnen und verstecken müssen wie in früheren Zeiten staatlicher Verfolgung. Das ist einer demokratischen Gesellschaft unwürdig."

Der LSVD forderte den Gesetzgeber auf, die "gesellschaftlichen Realitäten anzuerkennen und der unhaltbaren, weltfremden Kündigungspraxis der Katholischen Kirche einen Riegel vorzuschieben". Ein großer Kampf des Staates mit den Kirchen ist freilich nicht zu erwarten: Karlsruhe hatte das Bundesjustizministerium, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Justizministerium von Nordrhein-Westfalen um eine Stellungnahme zum Fall gebeten – und keine erhalten. (dk)

#1 lucdf
  • 20.11.2014, 17:16hköln
  • Ich versuche immer alle kirchlichen Einrichtungen zu boykottieren aber es ist verdammt schwierig in einem Land, in dem Kirche und Staat nicht ganz getrennt sind.
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#2 goddamn liberalAnonym
  • 20.11.2014, 17:17h
  • Man darf nie vergessen, dass die Kirchen in unserem Kirchenstaat die meisten Mitarbeiter, die sie kujonieren dürfen, nicht aus den eigenen riesigen Vermögen, sondern aus ALLGEMEINEN Steuern bezahlen.

    Das Urteil ist ein Skandal.

    Vielleicht hilft da nur noch der Fachkräftemangel.

    Gerade KatholikInnen unterschreiben heute ungern die Unterwerfungserklärungen kirchlicher Krankenhäuser und Schulen und suchen sich ihre Arbeit eben woanders.
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#3 täglicheOhrfeigeAnonym
  • 20.11.2014, 17:29h
  • Peinliches Urteil, unfassbar peinlich!
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