Angela Merkel und der "Lookismus"

George Packer hat sich hat sich Gedanken über die Bundeskanzlerin und ihr Äußeres gemacht

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Der US-amerikanische Journalist George Packer schrieb mit Die Abwicklung eines der am meisten beachteten Bücher der letzten Zeit. Derzeit erregt er Aufsehen mit einem Artikel für den New Yorker, in dem er andeutet, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel habe wegen ihrer "unmöglichen" Topfhaarschnitts und ihrer "Farblosigkeit" noch mit 18 zum "Club der Ungeküssten" gehört. Einen Mitschüler Merkels, der dies öffentlich machte, hätte das, so Packer, fast seinen Arbeitsplatz als Polizeichef von Templin gekostet.

Geht man dieser Behauptung auf den Grund, dann liest sich das etwas anders: In Alexander Osangs Neunundachtzig - Heldengeschichten erzählt der Templiner Polizeihauptkommissar Harald Löschke zwar tatsächlich, dass die spätere Bundeskanzlerin "schon damals zur CDU" gehörte, zum "Club der Ungeküssten" - aber er liefert an anderer Stelle eine Erklärung dafür, die eher mit ihrer Strebsamkeit als mit ihrem Aussehen zu tun hat:

Angela war etwas Besonderes, für ihre Siege in der Russisch-Olympiade bezirksweit bekannt. Sie wurde geehrt und geachtet, aber ruhte sich nicht aus. Sie wusste, wie sie besser werden kann und wurde es. Überall trug sie ihr Buch mit sich und schaute Vokabeln nach. Hast Du ihr eine Frage gestellt, hast Du eine Antwort bekommen.

Belege für die Behauptung, Löschke hätte durch die Äußerung seine Beamtenstelle gefährdet, finden sich nirgends. Der Polizeihauptkommissar selbst war für eine Stellungnahme dazu bislang nicht erreichbar.1

Angela Merkel 1990. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1990-0803-017 / Settnik, Bernd / CC-BY-SA.

In sozialen Netzwerken in den USA wird Packer für seinen "Lookismus" und seinen "Sexismus" in seiner Analyse Angela Merkels scharf kritisiert - auch deshalb, weil er schreibt, ein wichtiger Grund für Merkels Einstieg in die Politik sei gewesen, dass sie zur Wendezeit Mitte 30 und kinderlos war. "Trying to imagine a situation in which these words would appear in a profile of a man" heißt es da beispielsweise.

In Deutschland fehlt solche Kritik an The Quiet German bislang - und zwar bemerkenswerterweise auch in solchen Kreisen, die sonst sehr schnell in Schnappatmung verfallen, wenn es um die Berührung postmoderner Tabus geht. Stattdessen kommt der Spiegel-Kolumnist Jakob Augstein zum Ergebnis, Packer sei ein "ruhiger Beobachter" und ein "exzellenter Stilist", der "schonungslos freilegt".

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