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Griechenland geht das Geld aus Nur noch wenige Tage bis zum großen Knall?

Griechenland unter Druck: Der Regierung in Athen geht zunehmend das Geld aus. Die Verhandlungen mit den Geldgebern in Brüssel blieben ergebnislos. Und nun droht auch noch der IWF auszusteigen.
Von Andreas Petzold

Es wird eine Einigung geben innerhalb der Eurozone!" Oft und gerne sagt Yanis Varoufakis solche Sätze, meistens gut gelaunt und voller Optimismus. Doch diese Zuversicht erscheint in diesen Tagen so realitätsfremd wie seine neo-marxistische Mission, den Kapitalismus neu zu ordnen. Griechenlands Staatskasse leert sich bedrohlich. Es gibt Anzeichen dafür, dass Athen innerhalb der kommenden zwei Wochen das Geld ausgeht. Die Regierung müsste dann einseitig die Zahlungsunfähigkeit erklären - mit unkalkulierbaren Folgen.

Auf Betteltour bei EZB-Chef Draghi

Bei den Verhandlungen mit der Troika in Brüssel ist die griechische Seite, angeführt von dem neu ernannten Chefunterhändler Euklidis Tsakalotos, weiterhin nicht bereit, die viel zitierten roten Linien zu überschreiten. Streitpunkte sind weiterhin die Bereiche Arbeitsmarkt, Renten und die Aufbereitung verlässlicher Zahlen. Und der Druck wächst: An diesem Mittwoch sind 200 Millionen Euro Zinszahlung an den Internationalen Währungsfond (IWF) fällig; Freitag müssen kurzlaufende Staatsanleihen im Wert von 1,4 Milliarden Euro zurückbezahlt und neu ausgegeben werden. Weiter geht es am 12. Mai: Eine erneute Zinszahlung an den IWF in Höhe von 770 Millionen Euro steht an. Und am 14. Mai müssen die Beamtengehälter mit knapp einer Milliarde überwiesen werden. Die griechischen Staatsdiener erhalten ihr Monatsgehalt traditionell in zwei Tranchen.

Die grausame Kassenlage führt zu hektischen Telefonaten und verstärkter Reisediplomatie. Am Nachmittag gehen Unterhändler Tsakalotos und Vize-Ministerpräsident Giannis Dragasakis bei EZB-Chef Mario Draghi auf Betteltour: Nach stern-Informationen aus dem Zentralbank-Tower in Frankfurt möchten sie, dass der EZB-Rat die 15-Milliarden-Grenze für kurz laufende Staatsanleihen (T-Bills) deutlich erhöht. Das würde Athen Luft für weitere Verhandlungen schaffen. Doch so lange es in Brüssel keine Einigung über neue Reformgesetze gibt, werden die Frankfurter Geldwächter hart bleiben. Varoufakis shuttelt heute nach Paris, um bei seinem französischen Kollegen Michel Sapin, Unterstützung zu finden. Dann geht es weiter nach Brüssel zu einem Treffen mit EU-Währungskommissar Pierre Moscovici.

IWF verlangt indirekt Schuldenschnitt

Am Montag telefonierte Griechenlands Regierungschefs Alexis Tsipras mit IWF-Chefin Christine Lagarde in Washington. In dem Gespräch dürfte es auch um das bedrohliche Szenarium gegangen sein, über das die "Financial Times" berichtete: Der IWF erwägt, aus den Hilfsprogrammen für Griechenland auszusteigen, falls die Schulden der Hellenen nicht nachhaltig gesenkt werden. Indirekt verlangt der IWF also einen Schuldenschnitt.

Warum plötzlich diese harte Haltung? Während der Euro-Gruppensitzung der Finanzminister in Riga hatte IWF-Europachef Paul Thompson gewarnt, dass die Griechen in diesem Jahr ein Primärdefizit von 1,5 Prozent einfahren könnten. Geplant war eigentlich ein Primärüberschuss (Einnahme des Staates vor Zahlung von Zinsen und Tilgung) von immerhin drei Prozent. Das Haushaltsloch könnte sich also dramatisch vergrößern, der Schuldenstand weiter steigen. Nach seinen Regeln darf der IWF jedoch nur Hilfsgelder bewilligen, wenn das Nehmerland innerhalb eines definierten Zeitplans seine Schulden wieder selber tragen kann, also die sogenannte Schuldentragfähigkeit erreicht. Dieses Ziel könnte jetzt in weite Ferne rücken.

Besonders problematisch für die Griechen: Der Anteil des IWF an jenen 7,2 Milliarden Euro aus dem zweiten Hilfsprogramm, über deren Auszahlung derzeit in Brüssel verhandelt wird, beträgt 3,4 Milliarden. Gut möglich, dass Christine Lagarde die Überweisung verhindert, selbst wenn es eine Einigung gäbe. Diese Gewitterfront aus Washington ist jedenfalls für Alexis Tsipras brandgefährlich. Denn auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die deutschen Finanzhilfen immer an das Engagement des IWF geknüpft. Kaum anzunehmen, dass der Haushaltsausschuss die Restzahlung genehmigen oder der Bundestag für einen neues Hilfsprogramm votieren würde, wenn der IWF nicht dabei wäre.

Stoppt Athen seine Rückzahlungen?

Die Situation ist also völlig verfahren. Griechenlands Wirtschaftsleistung sinkt. Der Einkaufsmanager-Index, eine wichtige Kennzahl, die Auftragseingänge und Auftragsbestände misst, ist abgesackt. In- und ausländische Investoren sind vollkommen verunsichert. Dennoch betont Tsipras immer wieder, kein drittes Hilfsprogramm zu wollen. Dabei ist allen Beteiligten klar: Griechenland benötigt für die nächsten Jahre ein neues Rettungspaket in Höhe von 30 bis 50 Milliarden, um nicht unterzugehen.

Denkbar ist aber auch, dass die Griechen ihr Heil darin suchen, den Spieß notgedrungen umzudrehen: Wir zahlen nicht an den Währungsfonds, solange es mit den Geldgebern keine Einigung gibt. Dies jedenfalls empfahl am Sonntag Yannis Milios, bis vor Kurzem Chef-Ökonom der Regierungspartei "Syriza", auf seiner Homepage. Mit dem typisch revolutionären Pathos formulierte er: "Falls die Gläubiger gleichgültig sind gegenüber der Demokratie und dem Willen des griechischen Volkes ...dann gibt es nur eine einzige Lösung: Den Verzug der Zahlungsverpflichtungen bis zur Erzielung einer Übereinkunft." Verlockend erscheint dieser Weg auch deshalb, weil die großen Ratingagenturen signalisiert haben, dass eine Zahlungsverweigerung gegenüber dem IWF nicht als "Default" (Zahlungsausfall) gewertet werden würde. Denn bei diesen Krediten handelt es sich nicht um marktgängige Anleihen.

Die Verweigerungshaltung scheint auch im linken Flügel der Regierungspartei populär zu sein. Jedenfalls kann Tsipras nicht auf die vollständige Unterstützung seiner Fraktion zählen, wenn er die roten Linien gegenüber der Troika aufgibt. Es rächt sich nun, dass der Regierungschef nicht von Anfang an eine klare Linie verfolgt hat. Er agiert wie ein Feuerwehrmann, der mit einer Wolldecke einen Waldbrand bekämpft.

Mitarbeit: Ferry Batzoglou

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