Alexis Tsipras hat sich in Moskau nicht verkauft. Er hat aber auch nichts bekommen, wofür es sich auch nur im Entferntesten gelohnt hätte. Präsident Putin versprach weder finanzielle Hilfe noch Erdgas zum Discountpreis. Dabei sollte der zweitägige Besuch des griechischen Ministerpräsidenten in Moskau Teil einer außenpolitischen Offensive der Athener Regierung sein, auch jenseits der EU Unterstützung für das Land einzuwerben.

Die Tsipras-Reise nach Russland hatte einen rationalen und einen gefühligen Aspekt: Es ging erstens um Interessen und zweitens um Symbolik. Das erste sollte man in Europa verstehen. Über das zweite darf man in diesen Zeiten beunruhigt sein.

Die Interessen Griechenlands liegen klar zutage. Das Land braucht eben keinen Rubelkredit, weil das Athen wenig helfen würde in seiner chronischen Haushaltsmisere. Und Putin würde für Hellas kaum in seine schnell schwindenden Devisenreserven greifen. Die Griechen hatten aber Nachsicht der Russen erwartet in Fragen, wo sie wirklich etwas geben könnten. Da wären zum einen die Lebensmittelsanktionen, mit denen Putin die russische Mittelklasse und die europäischen Bauern dafür bestrafte, dass die EU 2014 gegen Russland Sanktionen verhängte. In Griechenland traf es die Erdbeer- und Pfirsichfarmer. Tsipras konnte nichts Greifbares mitnehmen, wohl aber die Aussicht auf gewisse Erleichterungen. Zum anderen sind es die hohen Gaspreise, auf die sich die Griechen vor Jahren eingelassen haben. Hier gab es ein offenes Ohr der Russen, aber keine Festlegungen.

Stattdessen machte Putin Tsipras den Mund wässrig, dass Griechenland eine Energiedrehscheibe werden könne. Nebenbei: Das sagt Putin jedem Türken, Ungarn, Serben und Österreicher, der bei ihm vorbeikommt. Nun also glaubt auch Tsipras daran, dass die große Turkish Stream Pipeline über Griechenland nach Europa weitergeführt werden soll. Nur beißt sich das mit Putins Versprechungen an die anderen. Ja, und Russland will, so heißt es, in die griechische Energieindustrie investieren. Nur woher die verschuldeten russischen Energiekonzerne dafür das Geld nehmen sollen, weiß Putin allein. Oder auch er nicht.

Tsipras hat also in den zwei Tagen nichts  bekommen, wofür man sagen könnte: Hier wurde den Interessen Griechenlands nachhaltig gedient. Umso weniger verständlich ist deshalb, dass der Grieche selbst kräftig vorauszahlte – und zwar in der Währung Symbolik.

Tsipras schwelgte in Reminiszenzen an die gemeinsame Vergangenheit vor 1.000 Jahren und die "brüderlichen Beziehungen", womit er russisch-sowjetische Terminologie aufgriff. Er erinnerte an die Bande der Orthodoxie und den gemeinsamen Kampf gegen das faschistische Deutschland im Zweiten Weltkrieg. Und er nannte die Sanktionen der EU gegen Russland einen "Weg ins Nirgendwo", warnte Brüssel, dass er jetzt mitreden würde. In Moskau nahm er den Begriff "Wirtschaftskrieg" gegen Russland in den Mund, was original der russischen Propaganda entlehnt ist. Wozu die rhetorische Anbiederung?

Tsipras begibt sich ohne Not in schlechte Gesellschaft. Denn es gibt in Europa mittlerweile eine wachsende Gruppe von Putin-Verehrern, die gegen Europa, Brüssel, Washington, Berlin und alles wettern, was Putin auch nicht gefällt. Sie reden ähnlich wie Tsipras in Moskau und tun alles, um die EU bestmöglich zu beschädigen. Dazu gehören der tschechische Präsident Miloš Zeman und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán. In der Schmuddel-Opposition großer europäischer Länder warten weitere Putin-Bewunderer: in Frankreich der Front National, in Deutschland die AfD. 

Eigentlich gehört Tsipras nicht in diese Galerie. Er selbst zählt in seiner linken Syriza-Partei nicht zu den Radikalen. Aber er ist in einer Koalition mit dem rechtsextremen Verteidigungsminister Kammenos. Der hetzt bei jeder Gelegenheit gegen Deutschland, während der linksextreme Energieminister Lafazanis in Moskau gegen Washington Front machte.

Wenn Tsipras die EU und den Euro wirklich so schätzt, wie er es vor zwei Wochen bei seinem Besuch in Berlin sagte, dann muss er die EU auch nach außen mutig verteidigen. In Moskau hat er dafür in einem wichtigen Test gepatzt.