Der Cyberangriff auf den Bundestag ist so dramatisch und so mysteriös, dass das Parlament überlegt, die gesamte technische Infrastruktur neu aufzubauen. Vor ungefähr einer Woche war bekannt geworden, dass Rechner von Bundestagsabgeordneten von einem Schadprogramm angegriffen werden. Seitdem fürchten viele Abgeordneten, dass sie von irgendjemandem belauscht werden und sind zutiefst verunsichert, ob und wie sie noch vertraulich arbeiten können.

"Noch immer herrscht weitgehende Unklarheit über die Intensität und das genaue Ausmaß des Angriffs. Die Verunsicherung unter den Abgeordneten ist groß", sagt Konstantin von Notz, der netzpolitische Sprecher der Grünen, der auch im NSA-Untersuchungsausschuss sitzt. "Welche Daten abgeflossen und inwieweit auch geheim tagende Gremien von dem Angriff betroffen sind, ist weiterhin unklar."

Die Umstände des Angriffs sind so sonderbar, dass ihr Misstrauen gerechtfertigt scheint. Die Kommission für Informations- und Kommunikationstechnik, eine Unterkommission des Ältestenrates des Bundestages, hat gerade dazu getagt. Es muss große Ratlosigkeit geherrscht haben. Aus der Kommission ist zu hören, dass man den Trojaner, der von Bundestagsrechnern aus das gesicherte Netz des Parlaments angreift, derzeit nicht beseitigen könne. Und dass noch immer Daten aus den Rechnern abfließen und niemand sagen könne, wohin sie von dem Schadprogramm geschickt werden.

Bei Spiegel Online war zu lesen, dass vor allem Rechner der Opposition betroffen sind, also von Linkspartei und Grünen. Von den offiziellen Gremien des Bundestages erfahren die Abgeordneten nichts dazu. Auch die eigenen IT-Leute der Fraktionen können nicht helfen. Die Grünen sagen, ihre eigenen Experten könnten auf den Computern nichts finden. Über das Ziel des Angriffs kann bislang nur spekuliert werden, die sogenannte I-und-K-Kommission des Bundestages schweigt – Abgeordnete fürchten: Amerikanische Geheimdienste greifen uns an, um zu erfahren, was wir über ihre Arbeit in Deutschland erfahren.

Ganz aus der Luft gegriffen scheint das angesichts der Fakten nicht. Das Schadprogramm, das die Rechner attackiert, ist ein "Trojaner mit Geheimdienstcharakter", wie es im Bundestag heißt. Keine Hobbyhacker also, sondern Experten seien dort am Werk. Er hat sich auf Abgeordnetenrechnern eingenistet und die Techniker des Bundestages und des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sind noch immer dabei, ihn zu analysieren. Der Versuch, den Trojaner zu blockieren, könne "noch mehrere Wochen dauern", heißt es.

Gerüchte um vorgezogene Sommerpause wegen Cyberattacke

Den Hinweis auf den Angriff übrigens bekam der Bundestag vom Verfassungsschutz. Dem war aufgefallen, dass zwei Rechner des Parlamentes auf seltsame Seiten zugreifen. Der Verfassungsschutz wiederum soll den Tipp aus dem "osteuropäischen Ausland" erhalten haben.

Möglicherweise muss deswegen die komplette IT-Infrastruktur des Bundestages neu aufgesetzt werden, heißt es. Das könnte dazu führen, dass das Parlament für diesen Zeitraum nicht mehr arbeiten kann. Sogar von einer vorgezogenen Sommerpause war die Rede. Der letzte Punkt wurde auf Nachfrage von ZEIT ONLINE aus Kreisen der Kommission für Informations- und Kommunikationstechnik klar dementiert. Auch die Bundestagsverwaltung antwortete, die Sommerpause werde nicht früher beginnen. 

Wie lange der Trojaner bereits in den Rechnern sitzt und Daten verschickt, ist nicht bekannt.