Anzeige

Eurovision Song Contest

ESC-Song für Wien Russland als Weltverbesserer? Zum Kotzen!

Russland schickt eine Weltverbesserer-Ballade zum Eurovision Song Contest: Polina Gagarina singt in Wien vom "Traum" auf "Frieden". Eine widerliche Inszenierung, denn scheinheiliger geht es nicht.
Ein Kommentar von Jens Maier

Ein bisschen Frieden geht immer. Spätestens seitdem Nicole 1982 mit dem gleichnamigen Siegel-Song den Eurovision Song Contest gewann, ist in jedem Jahr mindestens ein Lied am Start, das sich dem Wunsch nach einer besseren Welt annimmt. Im Kanon unzähliger Liebes-Balladen meist eine nette Abwechslung, wird die Friedens-Hymne in Wien für viele Ohren wie Hohn klingen. Denn ausgerechnet Russland macht auf Peace and Love.

Ohne Zuschauerabstimmung bestimmte der russische Staatssender "Channel One Russia" nicht nur Sängerin Polina Gagarina als Teilnehmerin, sondern auch gleich ihren Beitrag. Die 27-Jährige wird vor rund 140 Millionen Fernsehzuschauern weltweit die Ballade "A Million Voices" zum Besten geben. "Wir sind das Volk der Menschheit, verschieden und doch gleich. Wir glauben an einen Traum. Beten für Frieden und Heilung", heißt es darin. Ein Weltverbesserer-Schmachtfetzen nach bester Nicole-Manier. Einfach zum Kotzen.

Putin missbraucht die ESC-Bühne

Denn mit dem Lied missbraucht Wladimir Putin die ESC-Bühne erneut für seine politischen Manöver. Bereits beim ESC 2009 in Moskau ließ der Mann im Kreml keinen Zweifel daran, wie wichtig Russland den größten Musikwettbewerb der Welt nimmt. Der ESC ist Chefsache und ein willkommenes Mittel zum Zweck für Propaganda. Putin will sein Land im besten Licht präsentiert wissen. Krim-Annexion, Ukraine-Konflikt und Schwulenhetze sollen im triefenden Glanz einer Friedenshymne vergessen gemacht werden.

Wenn im Video zum Song glückliche Kinder spielen, die gemeinsam die Zukunft ein Stück besser machen wollen, ist das nicht nur zynisch, sondern auch allzu durchschaubar. Dennoch wird Europa am 23. Mai die heuchlerische Inszenierung mehr oder weniger hilflos mit ansehen müssen. Zwar heißt es im Regelwerk der European Broadcasting Union (EBU), die den Wettbewerb veranstaltet, dass politische Meinungsäußerungen auf der Bühne nicht erlaubt sind. Doch die Formulierungen im Lied sind so allgemein gehalten, dass das Verbot geschickt umgangen wird.

Zur Not helfen nur Buhrufe

Im vergangenen Jahr zeigten die Zuschauer in der Arena in Kopenhagen schon mehr als deutlich, was sie von der russischen Tartüfferie halten. Die Tolmatschowa-Schwestern wurden für ihre Friede-Freude-Eierkuchen-Ballade "Shine" ausgebuht. Sehr zum Ärger einiger Fans, die darauf bestehen, dass der ESC eine unpolitische Show ist, in der nur die Musik zu bewerten sei. Doch angesichts der kriegerischen Auseinandersetzung in der Ostukraine kann es nicht gelingen, den russischen Beitrag losgelöst von der menschenverachtenden Politik Russlands zu sehen.

So könnte es in Wien gut passieren, dass sich auch Polina Gagarina für ein Pfeifkonzert rüsten muss. Um die Künstlerin kann es einem leidtun, schließlich steht nicht Putin auf der Bühne. Doch gerade Wien mit seiner Vorjahressiegerin Conchita Wurst, die wie keine andere für Freiheit und Toleranz steht, wird ein Zeichen setzen müssen. Zur Not auch mit Buhrufen.

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel