Kann eine Politik Religion sein?

Ja, eine Politik bzw. ein politisches Konzept oder eine politische Richtung kann auch Religion sein. So sieht es jedenfalls der russische Philosophieprofessor Michail Ryklin. Er schrieb ein Buch darüber: Kommunismus als Religion.

Darin beschreibt und erklärt er die Faszination des Kommunismus für die westliche „Intelligenzija“, etwa Walter Benjamin, André Gide, Lion Feuchtwanger, Bert Brecht, und andere. Zwar sei die Partei, die in Russland mit dem Oktoberumsturz an die Macht kam, eine „Partei von Atheisten“ gewesen[1] und der Atheist Lenin habe „den Glauben an Gott für unvereinbar mit der Mitgliedschaft in der revolutionären Partei“[2] und jeden Nicht-Materialisten für einen potenziellen Feind gehalten.[3]Aber jenseits des Theismus, so Lenin, habe es auch keine Religion gegeben.

weiterlesen:

[http://www.heise.de/tp/artikel/40/40957/1.html

  1. #1 von AMB am 21. April 2014 - 16:52

    Es geht auch anders, Religion kann auch zur Politik werden.

  2. #2 von omega-tier am 21. April 2014 - 17:45

    Die Frage lässt sich ganz leicht beantworten. Man muss nur mal ein paar Jahre zurückschauen. Stalin, Ceausescu, Tito und Konsorten bis hin zu Mussolini und Hitler. Dogmen, die man nicht anzweifeln darf. Personen, denen gehuldigt werden muss. Bücher, die quasi zu heiligen Schriften erhoben wurden (von Mao, Hitler, Kim Il-Sung etc.). Natürlich hat das alles auch eine religiöse Komponente.

  3. #3 von Gottmagus am 21. April 2014 - 18:31

    Kommunismus in Russland war eine Orthodoxie ohne einen Gott, man hatte Propheten, eine heilige Schrift, Schicksal und Geschichte als Ersatzgoetter, ein Erlösungsversprechen, Maertyrer, Heilige und ein schlichtes Gut und Boese. Ohne das Vorbild eines alles umfassenden, staatlichen Christentums wäre ein Kommunismus in dieser Form unmöglich gewesen. Und Religionen brauchen keinen Gott, Buddhismus und Experimente im antiken Indien sind Beleg dafür.

  4. #4 von Lebrac am 21. April 2014 - 20:28

    Ja, es gibt Legionen an Dummheiten, die mit einer absoluten Wahrheit hausieren gehen.

  5. #5 von user unknown am 22. April 2014 - 04:14

    Der Mensch macht die Religion und der Mensch macht die Politik. In beiden Fällen sind es soziale Gruppen die an einer Gemeinschaft arbeiten. Es gibt keine trennscharfe Grenze zwischen den Religionen, und nicht alle Religionen haben alle Merkmale, die häufig bei Religionen anzutreffen sind. Umgekehrt findet man vieles was in Religionen gemacht wird auch außerhalb.

    Im Fußballstadion findet man die Abgrenzung, die Identitätsstiftung, das gemeinsame Singen aber keinen Glauben an höhere Mächte. In der Politik findet man nicht das Gute-Nacht-Gebet und es wird sehr wenig gesungen.

    Falsch ist die Vorstellung, dass es im Menschen ein Bedürfnis speziell nach Religion gäbe und dass die Politik (Sport, Kultur allgemein) kein Recht hätte Techniken der Religion zu benutzen, aber dass es Techniken sind ist schon eine geistige Herangehensweise, die das Heilige als Unhinterfragbare Tabuzone ablehnt.

  6. #6 von Skydaddy am 22. April 2014 - 06:44

    Tatsächlich weisen Religionen und Ideologien wie der Kommunismus auffällige Parallelen auf. (Das zeigt sich z.B. auch in der häufigen Benennung nach ihren Gründern: Stalinismus, Leninismus, Maoismus, Christen, Mohammedaner, Buddhisten.) Religionen sind allerdings m.E. eine Untergruppe von Ideologien, nicht umgekehrt.

  7. #7 von Noch ein Fragender am 22. April 2014 - 08:47

    Das gegenüber der Meinungsfeiheit und Parteienfreiheit privilegierte Recht auf Religionsfreiheit sollte nicht durch Ausweitung des Religionsbegriffes noch weiter ausgedehnt werden. Soll denn demnächst die Gründung und Tätigkeit einer kommunistischen Partei unter Religionsfreiheit fallen?

  8. #8 von deradmiral am 22. April 2014 - 09:48

    @Skydaddy

    Tatsächlich handelt es sich beim At(z)heismus auch um eine ideologische Religion, die nach ihrem Gründer At(z)e Schröder benannt worden ist. Weniger bekannt ist, dass die ideologische Religion des Humanismus nach seinem Gründer Homo S. Neanderthalensis benannt wurde.

  9. #9 von dl am 22. April 2014 - 11:13

    Wer den transzendenten Aspekt bei einer Religionsdefinition auslässt, erschwert die Diskussion unnötig, damit fehlt die klare Trennung zwischen prüfbaren Versprechen und unmöglich zu prüfenden Versprechen. Ob eine Gesellschaftsform besser ist kann man immer prüfen, ob man nach dem Tod ein besseres Leben hat, weil es eine transzendenten Entität gibt die dies ermöglicht, ist unmöglich zu prüfen.

  10. #10 von Barkai am 22. April 2014 - 11:44

    @skydaddy,
    nur, dass Moslems sich eigentlich nicht Mohammedaner nennen und das eine (inoffizielle) Fremdbezeichnung war, genauso wie Lutheraner erst eine veraechtlich Fremdbezeichnung war.

  11. #11 von user unknown am 22. April 2014 - 15:51

    Ich bin nicht so sicher bei der Transzendenz. Wenn ein Kommunist für das größere Ganze kämpft, den Weltgeist, eine objektive Tendenz der Geschichte – ob das wirklich immer so fern von Religion ist?

  12. #12 von dl am 23. April 2014 - 12:30

    @user unknown
    Der objektiven Tendenz der Geschichte liegt ein simples Geschichtsmodell zu Grunde das die Menschheit in zwei Gruppen einteilt, die der Herrschernde und die der Beherrschten und die Geschichte nur als Kampf zwischen diesen beiden Gruppen interpretiert. Bei der objektiven Tendenz der Geschichte handelt es sich um eine Regel die aus der Geschichte abgeleitet wird und aus einem bestimmten Menschenbild. Das ist eine starke Vereinfachung, aber als Ursache wird keine transzendente Entität oder Kraft angenommen, sondern immer der Mensch.
    Beim Kommunismus kann ich nur extremen starken Optimismus erkennen, aber keine transzendenten Konzepte.