Merkel ermahnt die Ökonomenzunft

Angela Merkel hat das Treffen der Wirtschaftsnobelpreisträger in Lindau eröffnet. Ob sie und die Ökonomen gute Freunde werden, muss nach ihrer Rede aber bezweifelt werden.

Matthias Müller, Lindau
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Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte die Wissenschafter zu verständlicher Rede auf. (Bild: Keystone / EPA / Karl-Josef Hildenbrand)

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte die Wissenschafter zu verständlicher Rede auf. (Bild: Keystone / EPA / Karl-Josef Hildenbrand)

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat an die Wirtschaftswissenschafter appelliert, sich mit verständlichen Beiträgen in die politische Debatte einzubringen. Davon profitierten alle, sagte sie anlässlich der Eröffnung des fünften Treffens der Wirtschaftsnobelpreisträger in Lindau, das in diesem Jahr unter dem Motto «Wie nützlich sind die Wirtschaftswissenschaften – wie sind die Wirtschaftswissenschaften nützlich?» steht.

Wahlen statt Preise gewinnen

In der Rede Merkels schimmerte immer wieder eine leichte Enttäuschung über die Ökonomenzunft durch. So hätten Politik und Wissenschaft zwar gemein, dass sie einer übergeordneten Sache dienten. Doch während die Wissenschafter allein nach dem Erkenntnisgewinn strebten, müssten Politiker bei der Gestaltung des Gemeinwesens nicht nur die Umsetzung verantworten, sondern benötigten in Demokratien auch Mehrheiten. Diese Interdependenzen auch mit anderen Fachdisziplinen gelte es von den Ökonomen zu berücksichtigen, fügte Merkel an.

Sie spielte damit indirekt auf ein Zitat ihres – ordnungspolitisch wankelmütigen – Vorgängers Helmut Kohl an, der einmal sagte: «Ich will Wahlen gewinnen und nicht den Ludwig-Erhard-Preis.» Und vor dem Hintergrund der oft zu realitätsfernen Theorien der Wirtschaftswissenschaft bat Merkel die wirtschaftspolitischen Berater, sie sollten die Ehrlichkeit haben, die Unschärfe ihrer Ergebnisse anzugeben. Dieser Schritt helfe, Enttäuschungen zu vermeiden. Dieser Satz war als Seitenhieb auf die vielen Ratschläge der Wirtschaftswissenschafter zu verstehen, von denen vor Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2007 jedoch nur die wenigsten auf die Gefahren hingewiesen hatten.

Merkel unterliess es auch nicht, für ihre Austeritätspolitik zu werben, wobei sie es vermied, auf die ausgabenfreudige Sozialpolitik ihrer grossen Koalition zu verweisen. Haushaltskonsolidierung, Wachstum und Beschäftigungsaufbau passten zusammen, sagte sie und verwies auf die Erfahrungen Deutschlands in den vergangenen Jahren. Merkel erntet dabei vor allem die Früchte der von Bundeskanzler Gerhard Schröder lancierten Agenda 2010. Dieser Hinweis auf die erfolgreiche Haushaltskonsolidierung hatte insofern Brisanz, als sich unter den anwesenden Nobelpreisträgern auch Joseph E. Stiglitz befand, der zu den grössten Kritikern der Austeritätspolitik zählt.

Schattenbanken im Fokus

Merkel blickte während ihrer Rede auch auf das Treffen der Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in Brisbane im November voraus. Dort werde auch die Frage diskutiert, wie man die Schattenbanken regulieren solle. Da die Bankenbranche international in ein neues Korsett gezwängt worden sei, wachse nun bei einigen Instituten die Begehrlichkeit, vor diesem neuen Regulierungsrahmen in die Welt der Schattenbanken zu flüchten, sagte Merkel.

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