Die Debatte spaltet die deutsche Öffentlichkeit: Ist Gewalt ein Mittel zur Lösung von Konflikten oder nicht? Bundespräsident Joachim Gauck hatte sie mit Ja beantwortet und das hat der Theologe den 67 Pfarrern, die ihn dafür kritisiert haben, jetzt auch schriftlich mitgeteilt. In einem Brief ließ er den Chef des Bundespräsidialamtes, David Gill, auf die Argumente der Verfasser von Ende Juni reagieren. 

Er weist darauf hin, dass ohne Einsatz bewaffneter Kräfte etwa keine Befreiung von der Hitler-Diktatur möglich gewesen wäre. Der Einsatz von Soldaten könne "als ultima-ratio-ratio-Element einer Gesamtstrategie und unter klaren verfassungsrechtlichen Vorgaben wie dem Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen" erforderlich sein, schreibt Gaucks Vertrauter.

Diese Sicht des Bundespräsidenten sei durch die UN und die beiden christlichen Kirchen gedeckt. Sowohl der Papst als auch die Evangelische Kirche in Deutschland hätten in entsprechenden Äußerungen Krieg als Mittel der Friedenssicherung oder als letztes Mittel anerkannt, um Krieg und Völkermord zu beenden. Gill verweist zudem auf die Barmer Theologische Erklärung von 1934, der zufolge "Androhung und Ausübung von Gewalt" rechtens sein könnten. Gauck könne somit nicht erkennen, "dass der vom Evangelium gewiesene Weg ausschließlich der Pazifismus sei", heißt es in der Antwort. Man könne mit einem Ja und mit einem Nein zu militärischer Gewalt schuldig werden.

Gauck hatte in einer Rede auf der Münchener Sicherheitskonferenz am 31. Januar dafür geworben, dass Deutschland eine aktivere deutsche Rolle in der Welt einnimmt. Dafür könne manchmal "auch der Einsatz von Soldaten erforderlich sein". Am 14. Juni sagte er in einem Interview, im Kampf für Menschenrechte oder das Überleben unschuldiger Menschen sei es "manchmal erforderlich, auch zu den Waffen zu greifen".

Verrat christlicher Prinzipien?

Die Verfasser des Protestbriefes warfen Gauck daraufhin einen Bruch christlicher Prinzipien vor und den Verrat der Ideale aus der Friedlichen Revolution von 1989. Der Verzicht auf militärische Gewalt sei "ein notwendiger Schritt zur Schaffung einer europäischen und weltweiten Friedensordnung". Wie wenig militärische Mittel zur Friedensschaffung geeignet seien, zeige sich im Konflikt in Afghanistan. "Dessen vielen sinnlosen Opfern" seien wir es schuldig, "nicht die militärischen Kapazitäten des Landes zu verstärken, sondern zivilen Friedensdienst zum Exportschlager unseres Landes zu machen". Auch die frühere Bischöfin und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, hatte Gauck kritisiert und die Initiative der Pfarrer unterstützt.

Mit Gills Antwort sind die Pfarrer immer noch nicht zufrieden. "Gauck liefert nur erneut die Begründung, warum er Krieg als ultima ratio für legitim hält", sagte einer der Verfasser, der Berliner Theologe Siegfried Menthel, ZEIT ONLINE. In seiner am 18. Juli eingegangenen Antwort gehe er nicht auf die Forderungen nach einem Politikwechsel ein. "Die Antwort hat uns nicht überzeugt", sagte Menthel. Die Gruppe der 67 Unterzeichner wünsche sich, dass der Bundespräsident "auf gewaltlose Lösungen setzt". Für das Bewältigen der aktuellen und künftigen Konflikte im Weltgeschehen seien "grundsätzlich andere Lösungen nötig". Gewaltloses Vorgehen verdiene da mehr Aufmerksamkeit. Menthel beklagte in diesem Zusammenhang ein "Missverhältnis von Rüstungsausgaben und gewaltlosen Konfliktlösungen". 

Die Friedensbewegung in den Kirchen der DDR habe sich als ein "ein wichtiger Anfang" erwiesen, sagte Menthel im Hinblick auf die Friedliche Revolution von 1989. "Es hätte damals keiner gedacht, dass daraus grundsätzliche Änderungen resultieren."