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Waffenhilfe für Kurden Die Alibi-Debatte im Bundestag

Es ist richtig, dass die Bundesregierung Waffen in den Nordirak liefert. Aber das Prozedere - erst entscheiden, dann debattieren - ist eine Farce.
Ein Kommentar von Axel Vornbäumen

Die Liste ist lang. Sie ist übersichtlich, zusammengestellt mit deutscher Gründlichkeit. Abgestimmt mit europäischen Partnern und auf die Bedürfnisse, der um ihr Leben kämpfenden Kurden in Nordirak. 8000 Sturmgewehre von Typ G36, 8000 Pistolen P1, 30 Panzerabwehrwaffen "Milan", 200 "Panzerfaust 3", 40 "Schwere Panzerfaust", 100 Signalpistolen, 10000 Handgranaten. Geliefert wird in zwei Tranchen, so zielgerichtet wie möglich - und immer im Bestreben, dass das militärische Material nicht irgendwann in falsche Hände gerät. Dazu kommen Munition, Fahrzeuge, allerlei "querschnittliche Ausrüstung", wie das im Militärjargon heißt. Oder auch "nicht-letale Ausrüstung", wie es Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen noch vor gut zwei Wochen genannt hat - Funkgeräte, Gefechtshelme, Minensonden, solche Sachen.

Nein, Deutschland zieht nicht in den Krieg. Aber es liefert Waffen in ein Kriegsgebiet. Es wird, im besten Fall, damit seinen Beitrag leisten, einen Völkermord zu verhindern - Gräueltaten von unfassbarem Ausmaß der selbsternannten Gotteskrieger des Islamischen Staates (IS). "Es ist unsere humanitäre Verantwortung und unser sicherheitspolitisches Interesse, den Leidenden zu helfen und den IS zu stoppen", so hat es Verteidigungsministerin von der Leyen am Sonntagabend begründet. Dagegen ist wenig zu sagen – sogar erklärte Pazifisten wie der Cap-Anamur-Gründer Rupert Neudeck sehen die Notwendigkeit des Eingreifens.

Vertrauen geschwächt

Wenn der Bundestag nach einer Regierungserklärung von Angela Merkel darüber heute ab 14 Uhr quasi postum debattiert, dann hat das allerdings etwas merkwürdig Verdruckstes. Denn die Aussprache kommt zu spät. Sie wirkt wie lästig hintendran geklebt an einen politischen Prozess, der längst stattgefunden hat. Dass sich die Waffenlieferung in den Irak unterhalb der Mandatierungsschwelle bewegt, der Bundestag mithin ohnehin darüber nicht abstimmen muss, ist dabei nur eine akademische Argumentation. Doppel ärgerlich wirkt, dass sich in Berlin der kleine Kreis der entscheidenden Minister erst um die Kanzlerin versammelt hat, als in Sachsen bereits die Wahllokale geschlossen hatten. Schon klar: Waffenlieferungen sind in diesem Land nicht beliebt, so wollte man auch nicht riskieren, dass die Bekanntgabe der Details doch noch irgendwie aufs Wahlergebnis Auswirkungen hat.

Das hat etwas, ja, Unsouveränes. Dass nun der Souverän, das Parlament, verspätet in die Debatte einsteigt, riecht doch stark nach Alibiveranstaltung. Es schwächt das Vertrauen in einen an sich richtigen Schritt.

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