Der russische Präsident Wladimir Putin hat laut einem EU-internen Protokoll im Gespräch mit dem ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko mit dem Einmarsch in Polen, Rumänien oder dem Baltikum gedroht. "Wenn ich wollte, könnten russische Truppen in zwei Tagen nicht nur in Kiew, sondern auch in Riga, Vilnius, Tallinn, Warschau oder Bukarest sein", soll Putin demnach in einem Gespräch mit Poroschenko gesagt haben.

Die Süddeutsche Zeitung zitierte aus einer ihr vorliegende Zusammenfassung des Auswärtigen Dienstes der EU. Darin geht es um ein Treffen von Poroschenko mit EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso am vergangenen Freitag. Ihm habe Poroschenko von den Drohungen erzählt. Verifizieren lassen sich die Äußerungen Putins nicht.  

Ähnliche Äußerungen Putins im Hinblick auf die militärische Erreichbarkeit Kiews hatte Barroso schon vor einigen Wochen öffentlich gemacht. Damals kritisierte Russland die Veröffentlichung der angeblich gefallen Äußerungen als Indiskretion.

Der Zeitung zufolge warnte Putin in den Gesprächen Poroschenko auch davor, sich zu sehr auf die EU zu verlassen. Er könne durch bilaterale Kontakte Einfluss nehmen und "eine Sperrminorität" im Europäischen Rat bewirken, um für Russland negative Entscheidungen zu verhindern, habe Putin gesagt. 

Poroschenko in den USA

Hintergrund ist, dass Länder wie Ungarn, Bulgarien, Zypern und die Slowakei die Verschärfung der EU-Sanktionen gegen Russland kritisch sehen. Sie könnten sich künftig weiteren Strafmaßnahmen widersetzen.

Poroschenko will bei einem Besuch in den USA um weitere Unterstützung für das in einen Konflikt mit Separatisten verwickelte Land werben. Am heutigen Donnerstag sind eine Rede Poroschenkos vor dem Kongress in Washington sowie ein anschließendes Treffen mit Präsident Barack Obama geplant. Eine solche Rede vor beiden Kammern des Hauses gilt als besondere Ehre für ausländische Staatsgäste.

Dabei soll es um die monatelange Krise und eine angemessene Antwort auf die russische Schatteninvasion gehen. Die USA haben der Ukraine bereits Unterstützung im Wert von 60 Millionen Dollar zugesagt, unter anderem für Lebensmittel, Schutzwesten und Nachtsichtgeräte. Der Kongress erwägt, diese Mittel noch aufzustocken. 

Russland hingegen soll die Separatisten in der Ostukraine einem Bericht zufolge mit modernen Luftverteidigungssystemen beliefert haben. Wie die Bild-Zeitung unter Berufung auf vertrauliche Antworten der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken berichtete, handelte es sich um Waffen vom Typ SA-22, das Russland 2007 erstmals auslieferte. Diese seien Mitte sowie Ende August in der Ostukraine geortet worden. 

Erkenntnisse des Bundesnachrichtendienstes

Das Waffensystem "befindet sich nicht im Bestand der ukrainischen Streitkräfte", heißt es dem Bericht zufolge in den Antworten der Regierung. Ob die prorussischen Separatisten die Waffen bedienten, blieb unklar. Wie das Blatt weiter berichtete, beruft sich die Bundesregierung in ihren Antworten auf Erkenntnisse des Bundesnachrichtendienstes.

Kurz vor dem Besuch Poroschenkos hatten die Ukraine und die Europäische Union ein Partnerschaftsabkommen beschlossen. Dies hat zusätzliche Spannungen zwischen der Ukraine und Russland ausgelöst. Doch auch im eigenen Land gibt es Widerstand gegen die Politik von Poroschenko. Grund ist der auf seine Initiative hin überraschend vom Parlament beschlossene Sonderstatus für den Osten des Landes.

Ministerpräsident Arseni Jazenjuk bekräftigte bei einer Kabinettssitzung, seine Regierung werde die selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk nicht anerkennen. Mehrere Abgeordnete beantragten bei der Obersten Rada die Rücknahme des Gesetzes wegen angeblicher Verstöße gegen Abstimmungsregeln. Mit dem neuen Sonderstatus räumt Kiew den Gebieten Donezk und Luhansk für drei Jahre Selbstverwaltungsrechte ein. 

Ein Amnestiegesetz gewährt den Separatisten zudem weitgehende Straffreiheit. Das russische Außenministerium begrüßte die Friedensinitiative Poroschenkos als "Schritt in die richtige Richtung".