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Gaza-Krieg Die bizarre Debatte um den Flugstopp nach Tel Aviv

Deutsche Fluglinien streichen wegen der Raketengefahr ihre Flüge nach Israel - und Politiker fordern vehement, diese Entscheidung zu revidieren: Man müsse ein Zeichen gegen den Terror setzen. Was für ein merkwürdiges Argument.

Sollten deutsche Flugpassagiere ihr Leben riskieren, um ein politisches Zeichen im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zu setzen? Sollte man dafür das Risiko - und sei es auch noch so klein - in Kauf nehmen, dass ein Flugzeug voller Unbeteiligter abgeschossen wird?

Einige deutsche Politiker scheinen so zu denken. Anders lassen sich Einlassungen wie die von CDU-Politikerin Gitta Connemann, der Verzicht auf Flüge nach Tel Aviv sei eine "Kapitulation des Westens vor dem Terror", kaum erklären.

Die US-Flugsicherheitsbehörde FAA hat das Anflugverbot für amerikanische Fluggesellschaften inzwischen aufgehoben. Warum dieser Schritt erfolgte, blieb weitgehend unbekannt. Auf ihrer Webseite spricht die Behörde lediglich von "bedeutenden neuen Informationen". Der Verdacht liegt nahe, dass auch politischer Druck bei dieser Entscheidung eine Rolle gespielt haben könnte. Die Kommentare von Israels Verkehrsminister Israel Katz sind kaum geeignet, diesen Eindruck zu zerstreuen.

Richtige Entscheidung europäischer Airlines

Die europäische Flugsicherheitsbehörde Easa ist der FAA am Donnerstag gefolgt und hat ihre Empfehlung vom Dienstag, den Flughafen Ben Gurion zu meiden, revidiert - ebenfalls ohne nähere Begründung. Die Pilotenvereinigung Cockpit sprach prompt von einer politischen Entscheidung. "Uns ist nicht bekannt, dass sich an der Bedrohungslage grundlegend etwas geändert hat", sagte Cockpit-Sprecher Jörg Handwerg.

Die Entscheidung einiger europäischer Airlines wie der Lufthansa und Air Berlin, zunächst am Flugstopp festzuhalten, ist daher verständlich. Man stelle sich vor, es gelänge der radikalislamischen Hamas tatsächlich, eine zivile Maschine abzuschießen: Zahlreiche Kritiker würden der betroffenen Fluglinie verantwortungsloses Handeln vorwerfen - insbesondere nach dem Abschuss des Malaysia-Airlines-Flugs MH17 über der Ukraine.

Die Wahrheit ist: Wie groß genau das Risiko ist, weiß niemand. Nur lässt es sich nicht wegdiskutieren, dass am Dienstag eine Rakete in der Nähe des Flughafens von Tel Aviv eingeschlagen ist, was die FAA dann zum Anflugverbot veranlasste. Erst am Donnerstagvormittag - nur wenige Stunden nach Aufhebung der FAA-Sperre - wurden nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur erneut fünf Raketen aus dem Gazastreifen von Abfangraketen über Tel Aviv abgeschossen. Das heißt: Es schwirrten binnen kurzer Zeit mindestens zehn Raketen durch den Luftraum. Im Zentrum der Stadt waren mehrere laute Explosionen zu hören, im etwa zwei Kilometer vom Flughafen Ben Gurion entfernten Jahud heulten die Sirenen.

Zahlreiche Flüge von Frankfurt nach Tel Aviv

Wer nun wie CDU-Politikerin Connemann verlangt, aus politischen Gründen trotzdem den Flugbetrieb nach Israel wieder aufzunehmen, müsste auch die Freigabe des Luftraums über der Ukraine verlangen - denn nach dieser Lesart wäre alles andere eine Kapitulation vor Russlands Expansionspolitik. Das zeigt: Entscheidungen der Luftfahrtbehörden und der Airlines über die Sicherheit von Passagieren sollten nicht zum Spielball der Politik werden.

Grünen-Politiker Volker Beck versuchte derweil, die politische Forderung nach einer Aufhebung des Flugstopps mit einem praktischen Argument zu verschleiern: Ein nicht funktionierender Flugverkehr sei "kein Zustand, den man lange hinnehmen kann". Hätte Beck sich allerdings nur ein paar Minuten Zeit für einen Blick ins Internet, hätte er festgestellt, dass derzeit mehr als 20 Airlines Flüge von Frankfurt nach Tel Aviv anbieten.

Die Airlines hätten eine "Verantwortung für die Menschen", so Beck weiter. Die haben allerdings auch deutsche Politiker - und sie werden ihr nicht gerecht, wenn sie Zivilisten aus politischen Gründen Gefahren auszusetzen bereit sind.