Der russische Hilfskonvoi als Provokation

Nachdem Kiew die Fahrt in die Ukraine lange verzögert hat, könnten nun die ersten LKWs Richtung Lugansk fahren

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Der ukrainische Präsident Poroschenko will beim möglichen Treffen mit dem russischen Präsidenten Putin in Minsk am kommenden Dienstag über Frieden sprechen. "Die Welt sei des Krieges müde", sagte er. Man könne die Situation in der Ostukraine nicht militärisch lösen. Gleichzeitig kündigte er die dritte Mobilisierung ein. Nun werden Männer mit militärischer Erfahrung eingezogen, um der Armee mehr Schlagkraft zu verleihen. Derweilen gehen die verlustreichen Kämpfe um Donezk und Lugansk weiter. Vermutlich werden heute die ersten Fahrzeuge des russischen Hilfskonvois in die von den Separatisten kontrollierten Gebiete einfahren.

Offenbar werden die ersten 16 Lastwagen nach einer Woche Verzögerung nun an der Grenze vom ukrainischen Zoll inspiziert, um dann auf einer von ukrainischen Behörden festgelegten Route angeblich zunächst nach Donezk zu fahren, um dann die Hilfsgüter auch nach Lugansk zu bringen. Der umgekehrte Weg ist aber wahrscheinlicher. Das ICRC ist für den Konvoi und die Verteilung verantwortlich. Offenbar haben nun, was die Hauptschwierigkeit gewesen war, alle Parteien die Sicherheit der ICRC-Mitarbeiter garantiert.

Es wird eine heikle Mission, denn die LKWs des Konvois, die nicht zusammen, sondern nur in kleineren Gruppen einreisen werden, könnten sowohl das Angriffsziel von Separatisten als auch von ukrainischen Streitkräften oder Milizen werden, um dies jeweils der anderen Seite vorzuwerfen. Auf allen Seiten wird massiv Propaganda fabriziert. So hatte auch Kiew nicht nur die Zerstörung eines russischen Militärkonvois gemeldet, den es wohl gar nicht gegeben hat, auch der Beschuss eines Flüchtlingskonvois aus Lugansk mit vielen Toten seitens der Separatisten könnte eine Falschmeldung gewesen sein. Wirkliche Beweise blieb die ukrainische Führung schuldig. So heißt es nun etwa, dass große Teile von Lugansk bereits von ukrainischen Streitkräften erobert sein sollen. Die Menschen würden das nur nicht mitbekommen, weil kleine, mobile Einheiten unterwegs seien.

Russland fordert vom UN-Sicherheitsrat, einen Waffenstillstand zum Schutz des Konvois zu beschließen. Das dürfte auch eines der Hauptmotive für den Konvoi sein, der sicherlich keine Waffen und Kämpfer in die Ukraine schmuggeln soll, wie Kiew befürchtet, sondern einen Stopp der Kämpfe bewirken soll. Das würde vor allem die Separatisten entlasten und schützen, die, wie es den Anschein hat, derzeit zurückgedrängt werden. Ein Waffenstillstand würde die Separatisten stärken, die gerade auch Teile ihres Führungspersonals ausgetauscht haben, um eine politisch besser verkaufbare "Ukrainisierung" der Führung durchzuführen. Währenddessen hat Poroschenko eine Gesetz unterzeichnet, dass die willkürliche Inhaftierung von "Terrorverdächtigen" bis zu einem Monat ermöglicht. Kritik im Westen wird man nicht finden. Ein bisschen Klarheit über die Verhältnisse findet man beispielsweise hier.