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Peter Müller

Merkels Flüchtlings-Deal mit der Türkei Ihr Erfolg, ihre Verantwortung

Angela Merkel kann das EU-Flüchtlingsabkommen mit der Türkei als ihren Erfolg feiern. Doch jetzt beginnt erst die wahre Herausforderung: Die Kanzlerin trägt die Verantwortung dafür, dass der Deal wirklich funktioniert.
Angela Merkel

Angela Merkel

Foto: Olivier Hoslet/ dpa

Nein, man kann nicht sagen, dass Angela Merkel nach dem EU-Gipfel in Brüssel noch viel deutlicher hätte werden können. Die Vereinbarung mit der Türkei sei ein wichtiges Signal an die Flüchtlinge, sagt die Kanzlerin. Alle, die illegal über die Ägäis nach Europa kommen, werden in die Türkei zurückgeschickt: "Wer sich auf diesen gefährlichen Weg begibt, riskiert nicht nur sein Leben, sondern hat auch keine Aussicht auf Erfolg."

Ab Sonntag ist die Ägäis-Route blockiert. Oder besser: Soll blockiert sein. CSU-Chef Horst Seehofer, der von der Kanzlerin immer wieder Klartext in der Flüchtlingskrise einforderte, sollte sich den Mitschnitt von Merkels Pressekonferenz einfach mal anhören. Noch nicht mal er dürfte daran etwas auszusetzen haben. Beim Gipfel war Europa vereint in der Abwehr von Flüchtlingen. Und Merkel machte nicht nur mit, die Kanzlerin stand an der Spitze der Bewegung.

Der Deal der EU mit den Türken steht: Jeder Flüchtling, der ab Sonntag auf den griechischen Inseln ankommt, muss damit rechnen, in die Türkei zurückgebracht zu werden. Für jeden Syrer, der darunter ist, werden die Europäer im Gegenzug einen syrischen Flüchtling direkt aus der Türkei aufnehmen.

Der Verdienst der Kanzlerin

So soll, das ist die Hoffnung, das Geschäftsmodell der Schleuser zerstört werden. Gut möglich, dass das gelingt. Mit all den erhofften Nebenwirkungen: Der Druck auf Griechenland nimmt ab, die Balkanroute bleibt verwaist und die Binnenkontrollen an den Grenzen können irgendwann enden, Schengen lebt.

Es ist das Abkommen, das Merkel wollte, und dass dabei alle 28 EU-Länder mitmachen, ist das Verdienst der deutschen Kanzlerin. Fast im Alleingang hat Merkel in den vergangenen Wochen darauf gesetzt, die Flüchtlingskrise mit Hilfe der Türkei zu lösen. Auf dem Papier hat sie (mit Abstrichen) den Deal, den sie anstrebte. Jetzt trägt sie aber auch die Verantwortung dafür, dass es klappt.

Merkels dreifache Verantwortung

Das heißt erstens: Für jeden Flüchtling muss tatsächlich sichergestellt werden, dass im Einzelfall geprüft wird, ob er einen Anspruch auf Asyl hat. Wie dies ab Sonntag in Griechenland möglich sein soll, wo das Land doch jahrelang von europäischen Gerichten für sein katastrophales Asylsystem kritisierte wurde, bleibt Merkels Geheimnis. Die Kanzlerin und ihre Freunde in der EU müssten in diesen Tagen Heerscharen an Juristen in die Flugzeuge setzen, um in Lesbos und den anderen Hotspots rechtstaatliche Verfahren zu gewährleisten.

Das Gelingen des Abkommens ist zweitens auch deshalb Merkels Verantwortung, weil die Türkei ein sehr schwieriger Partner ist, um es zurückhaltend zu sagen. Kriegsähnliche Zustände im Kurdengebiet, Angriffe auf die Pressefreiheit, die Verfolgung von Oppositionellen - schon während der Verhandlungen mit den Europäern zeigte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, dass er sich nicht um den Eindruck kümmert, den seine Aktionen in Brüssel hinterlassen. Die Gefahr ist groß, dass er den Deal nun als Freibrief versteht, so weiterzumachen. Schließlich hat er es seit dem Gipfel schriftlich: Die Europäer hängen von ihm ab.

Und drittens trägt Deutschland als Ganzes die Verantwortung. Der große Haken des Deals: Es ist völlig unklar, wie die 72.000 syrischen Flüchtlinge aus der Türkei in Europa verteilt werden. Die Aufnahme der Flüchtlinge ist, man ahnt es, für jeden EU-Staat weitgehend freiwillig. Anders hätte Merkel die EU-28 nicht zusammengehalten, sicher. Doch wenn am Ende Deutschland wieder fast alle Flüchtlinge allein aufnimmt, dann wäre das ein miserables Ergebnis für einen Deal, den die Kanzlerin als europäische Einigung feiert.

Wahr ist aber auch: Beim Gipfel in Brüssel ging es um die Abwehr von Flüchtlingen, oder feiner gesagt, das Ende der unkontrollierten Zuwanderung. Ebenso engagiert sollte sich Merkel nun bei den anderen großen Baustellen der europäischen Migrationspolitik einsetzen: die EU braucht ein gemeinsames europäisches Asylrecht und endlich eine gute Idee, wie die legale Einwanderung sinnvoll organisiert werden kann.

Auch das ist Merkels Verantwortung.