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Lese-Flatrates im Direktvergleich Amazon fällt durch

Amazon geht mit Kindle Unlimited jetzt auch in Deutschland an den Start. Wirklich überzeugend ist die E-Book-Flatrate nicht: Top-Titel fehlen, Hörbücher ebenso. Wir haben das Angebot mit den Konkurrenten Skoobe und Readfy verglichen.
Leserin mit Tablet: Bei den Flatrates kann man sich über zahlreiche Bücher freuen - aktuelle Bestseller fehlen aber

Leserin mit Tablet: Bei den Flatrates kann man sich über zahlreiche Bücher freuen - aktuelle Bestseller fehlen aber

Foto: Corbis

Sie wiegen nichts, sind in Sekunden besorgt und können nicht knicken: Obwohl E-Books Vorteile mit sich bringen, liest die Mehrheit der Deutschen nach wie vor analog . Ein Grund dürften die Preise sein, denn digitale Bücher sind hierzulande kaum günstiger als gedruckte. Jonas Jonassons Bestseller "Die Analphabetin, die rechnen konnte" beispielsweise kostet bei Amazon und Bücher.de digital 15,99 Euro, Ken Folletts "Kinder der Freiheit" 22,99 Euro. Und selbst für André Agassis Biografie "Open" zahlt man drei Jahre nach Erscheinen noch 9,99 Euro, während die Buchfassung mancherorts bereits in der Ramschkiste liegt. Eine seltsame Situation.

Nun will der Marktführer den E-Book-Markt erweitern: Amazon hat am Dienstag Kindle Unlimited gestartet, eine Online-Flatrate im Stil von Spotify und Netflix, bei der man für einen monatlichen Festbetrag ein durchaus beachtliches Angebot nutzen darf. Statt Musik oder Filmen gibt es bei Kindle Unlimited eben E-Books.

Wirklich neu ist eine solche Bücher-Flatrate aber nicht. In Deutschland gibt es schon seit 2012 Skoobe  (rückwärts für "E-Books"), ein ähnliches Angebot von Bertelsmann und Holtzbrinck, das auch zahlreiche andere Verlage unterstützen. Und erst Ende September ist Readfy  gestartet, ein kostenloses und werbefinanziertes Flatrate-Angebot aus Düsseldorf.

Was also bietet Kindle Unlimited? Wir haben das neue Angebot unter verschiedenen Gesichtspunkten mit Skoobe und Readfy verglichen, von den Preisen über die Buchauswahl bis hin zur Kündigung.

Alles zur Verfügbarkeit, zu den Preisen und zur Anmeldung

Das Anmelden ist bei allen Diensten unkompliziert - bis zum Lesen sind es nur wenige Klicks, solange man ein kompatibles Gerät besitzt. Während Kindle Unlimited auf diversen Plattformen  von iOS und Android über Windows-PC und Mac bis zum Browser verfügbar ist, schließen Skoobe und Readfy große Nutzergruppen aus. Readfy gibt es nur als App für Android- und iOS-Geräte, Skoobe zusätzlich zumindest noch für den Kindle Fire und wenige weitere E-Reader. Amazons Kindle-Reader sind derzeit nur mit Kindle Unlimited kompatibel.

Preislich spielen Kindle Unlimited und Skoobe in einer ähnlichen Liga. Kindle Unlimited kostet 9,99 Euro pro Monat, der erste Monat ist als Testphase kostenlos. Zahlen kann man nur per Kreditkarte, das Kündigen ist jederzeit online möglich. Ob man Mitglied bei Amazon Prime ist, hat auf das Kindle-Unlimited-Angebot keine Auswirkungen. Jeder Unlimited-Kunde kann maximal zehn E-Books gleichzeitig ausleihen, hintereinander aber so viele er will.

Bei Skoobe kann man für 9,99 Euro im Monat drei Bücher gleichzeitig ausleihen, dies ist der günstige Tarif. Für 14,99 Euro bekommt man dank "Skoobe Plus" fünf Bücher gleichzeitig, "Skoobe Premium" erlaubt für 19,99 Euro das Ausleihen von fünfzehn Büchern auf einmal. Die Skoobe-Mitgliedschaften können bis zwei Tage vor der automatischen Verlängerung online gekündigt werden, zahlen lässt sich per Kreditkarte und per Lastschrift. Im teuersten Tarif kann man Skoobe auf drei Geräten nutzen, sonst maximal auf zweien.

Anders als die Konkurrenten ist Readfy ein kostenloses Flatrate-Angebot. Die App finanziert sich durch Werbeeinblendungen beim Lesen, anmelden kann man sich zum Beispiel mit seinem Facebook-Account. Vorschriften dazu, wie viele Bücher man gleichzeitig ausleihen kann oder auf wie vielen Geräten der Dienst nutzbar ist, gibt es nicht. Fürs Lesen braucht Readfy aber eine Internetverbindung. Damit die eigene Mitgliedschaft gekündigt wird, muss man Readfy eine E-Mail schicken.

Kindle Unlimited, Skoobe und Readfy: Alles zum Offline-Modus, zum Leseerlebnis, zur Werbung

Alles zum Offline-Modus, zum Leseerlebnis, zur Werbung

Da Readfy immer wieder kleine animierte Banner oder Werbeclips laden muss, läuft der Dienst nur mit einer dauerhaften Internetverbindung. Ein Offline-Modus soll erst 2015 kommen, bis dahin ist die App zum Lesen auf Bahnfahrten oder in ländlichen Gegenden nur bedingt geeignet.

Bei Skoobe hängt es vom Tarif ab, wie lange man ein Buch ohne Netzverbindung lesen kann. Im 9,99-Euro-Tarif können ausgeliehene Werke 24 Stunden lang offline gelesen werden, in den beiden höherpreisigen Tarifen 30 Tage lang.

Bei Kindle Unlimited ist es prinzipiell ähnlich lang möglich, ausgeliehene E-Books offline zu lesen: Wie bei Skoobe und anders als bei Readfy werden die Bücher hier komplett und nicht nur häppchenweise heruntergeladen. Kündigt man seinen Account, bleiben die Bücher noch bis zum nächsten Rechnungsdatum erhalten.

Extrem praktisch ist, dass sich die Apps von Skoobe und Amazon geräteübergreifend merken, welche Stelle eines Buches man zuletzt gelesen hat. Readfy bietet eine solche Synchronisierung nicht, hier kann man höchstens manuell ein Lesezeichen setzen.

Das Leseerlebnis ist bei allen Apps ordentlich. Sie bieten jeweils eine Handvoll Komfortfunktionen, etwa das Einstellen der Schriftgröße. Wie eine typische Buchseite in der jeweiligen iPad-App aussieht, zeigen die folgenden Screenshots:

Seite eines Kindle-Unlimited-E-Books: Neben der Schriftgröße lässt sich zum Beispiel auch die Schriftart einstellen, ein praktisches Feature

Seite eines Kindle-Unlimited-E-Books: Neben der Schriftgröße lässt sich zum Beispiel auch die Schriftart einstellen, ein praktisches Feature

Seite eines Skoobe-E-Books: Neben der Schriftgröße lässt sich die Hintergrundfarbe wechseln, ungeduldigen Lesern hilft die "Noch X Seiten im Kapitel"-Anzeige

Seite eines Skoobe-E-Books: Neben der Schriftgröße lässt sich die Hintergrundfarbe wechseln, ungeduldigen Lesern hilft die "Noch X Seiten im Kapitel"-Anzeige

Seite eines Readfy-E-Books: Festlegen lassen sich die Schriftgröße und der Zeilenabstand

Seite eines Readfy-E-Books: Festlegen lassen sich die Schriftgröße und der Zeilenabstand

Anders als in unserem Beispielbild erscheint bei Readfy hin und wieder ein animiertes Banner im oberen Zehntel der Seite - das erinnert an Websites mit dezenter Bewerbung und kann beim Lesen schon mal ablenken. Nach dem Ende eines Kapitels wird manchmal auch ein kurzer Werbeclip abgespielt, dieser lässt sich immerhin wegklicken.

Kindle Unlimited, Skoobe und Readfy: Alles zum Angebot an bekannten Romanen und fremdsprachigen Büchern

Alles zum Angebot an bekannten Romanen und fremdsprachigen Büchern

Schaut man sich das E-Book-Angebot der Dienste an, sollte man sich nicht von großen Zahlen blenden lassen. Kindle Unlimited beispielsweise wirbt mit 650.000 Titeln, davon sind jedoch nur etwas mehr als 40.000 auf Deutsch verfügbar. So gibt es beispielsweise die beliebten "Die Tribute von Panem"-Bücher kostenlos, jedoch nur auf Englisch.

Auch bei Skoobe sind bemerkenswerte 25.000 von 74.000 Büchern fremdsprachig. Das ist einerseits toll für Menschen, die gern auf Englisch oder Spanisch lesen, anderseits ärgerlich, wenn es etwa Charlotte Roches "Feuchtgebiete" nur als "Furores íntimos" gibt. Readfy wirbt mit 25.000 E-Books, auch davon sind einige auf Englisch.

Um einen Eindruck davon zu gewinnen, was die drei Dienste an populärer Literatur im Angebot haben, haben wir beispielhaft nach 15 bekannten Romanen und Klassikern gesucht.

Populäre Romane und Klassiker

Autor - Titel Skoobe Readfy Kindle Unlimited
Helen Fielding - Schokolade zum Frühstück ja - -
George Orwell - 1984 ja - -
Julia Franck - Die Mittagsfrau - - -
Milan Kundera - Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins - - -
Haruki Murakami - Gefährliche Geliebte - - -
Ildiko von Kürthy - Sternschanze ja - -
Thomas Mann - Der Tod in Venedig ja - -
Louis-Ferdinand Céline - Reise ans Ende der Nacht - - -
Ernest Hemingway - Wem die Stunde schlägt - - -
Gabriel Garcia Marquez - Hundert Jahre Einsamkeit ja - -
Raymond Chandler - Der lange Abschied - - -
Harry Mulisch - Die Entdeckung des Himmels - - -
Karel Capek - Der Krieg mit den Molchen - - -
Jack Kerouac - Unterwegs ja - -
Günter Grass - Die Blechtrommel - - -

Das Ergebnis ist enttäuschend, zumindest für Kindle Unlimited und Readfy: Stand 7. Oktober 2014 hatten beide Dienste keins der 15 gesuchten Bücher in ihren Flatrates. Skoobe dagegen macht mit sechs Büchern eine halbwegs gute Figur.

Als weiteren Test haben wir nach den meistverkauften Hardcovern der Jahre 1994 bis 2013 gesucht, darunter die schon erwähnten Bestseller "Feuchtgebiete" und "Die Tribute von Panem".

Meistverkaufte Hardcover der Jahre 1994 bis 2013

Autor - Titel Skoobe Readfy Kindle Unlimited
Jonas Jonasson - Die Analphabetin, die rechnen konnte ja - -
Suzanne Collins - Die Tribute von Panem. Gefährliche Liebe - - -
Jussi Adler-Olsen - Erlösung - - -
Tommy Jaud - Hummeldumm - - -
Stephenie Meyer - Bis(s) zum Ende der Nacht - - -
Charlotte Roche - Feuchtgebiete - - -
Joanne K. Rowling - Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - - ja
Daniel Kehlmann - Die Vermessung der Welt ja - -
Joanne K. Rowling - Harry Potter und der Halbblutprinz - - ja
Dan Brown - Sakrileg - - -

Erneut ist das Ergebnis ernüchternd: Skoobe hat nur "Die Analphabetin, die nicht rechnen kann" und "Die Vermessung der Welt" im Angebot, Kindle Unlimited nur die beiden "Harry Potter"-Bücher. Bei Readfy gibt es gar keinen der Bestseller - so erinnert die App an ein Spotify ohne Charthits.

Fündig wird man bei Readfy derzeit eher, wenn man keine Bestseller, sondern Nischenmaterial wie Liebes- und Fantasyromane oder Regionalkrimis sucht - davon hat der Dienste eine Menge im Angebot, vor allem von unbekannteren Autoren. Zu den bekannteren Titeln im Readfy-Sortiment zählen die Perry-Rhodan-Geschichten und Bücher von Wolfgang Hohlbein.

Auch bei Skoobe und Amazon finden sich viele Bücher, die nie in Bestsellerlisten aufgetaucht sind, etwa eine Menge sehr zielgruppenspezifischer Ratgeberliteratur vom Schlag "So begeistern Sie Ihre Frau für Anal-Sex" und "How to Use Microsoft Excel 2013".

Einige Titel aus dem Kindle-Unlimited-Sortiment kann man auch als Prime-Mitglied mit Kindle-Gerät kostenlos leihen. So gibt es "Harry Potter und der Halbblutprinz" sowohl bei Kindle Unlimited, als auch in der davon unabhängigen Kindle Leihbücherei .

Kindle Unlimited, Skoobe und Readfy: Alles zum Angebot an aktuellen Büchern, Exklusivtiteln, Hörbüchern

Alles zum Angebot an Aktuellem und Hörbüchern

Wer am liebsten frisch erschienene Bücher liest, den werden die Flatrate-Angebote ganz sicher nicht glücklich machen. Das zeigt unser folgender Test, bei dem wir nach den aktuellen Belletristik-Bestsellern gesucht haben - weitgehend erfolglos.

Top 10 Belletristik, 41/2014

Autor - Titel Skoobe Readfy Kindle Unlimited
Volker Klüpfel, Michael Kobr - Grimmbart - - -
Ken Follett - Kinder der Freiheit - - -
Paulo Coehlo - Untreue - - -
Bernhard Schlink - Die Frau auf der Treppe - - -
Dave Eggers - Der Circle - - -
Wolfgang Herrndorf - Bilder deiner großen Liebe - - -
Jan Weiler - Das Pubertier - - -
Fredrik Backman - Ein Mann namens Ove - - -
Robert Seethaler - Ein ganzes Leben - - -
Stephen King - Mr. Mercedes ja - -

Ähnlich mau sieht es bei aktuell meistverkauften Sachbüchern aus.

Top 10 Sachbuch, 41/2014

Autor - Titel Skoobe Readfy Kindle Unlimited
Peter Scholl-Latour - Der Fluch der bösen Tat - - -
Wilhelm Schmid - Gelassenheit - - -
Charlotte Link - Sechs Jahre ja - -
The Bodleian Library (Hrsg.) - Leitfaden für britische Soldaten in Deutschland 1944 - - -
Ferdinand von Schirach - Die Würde ist antastbar - - -
Peter Hahne - Rettet das Zigeuner-Schnitzel! - - -
Norbert Blüm - Einspruch! ja - -
Matthias Weik, Marc Friedrich - Der Crash ist die Lösung - - -
Reinhold Messner - Über Leben - - -
Marti Perarnau - Herr Guardiola - - -

Bei beiden Tests fallen Kindle Unlimited und Readfy komplett durch, Skoobe hat zumindest noch drei der 20 Bestseller im Angebot.

Erwähnenswert ist, dass Amazon damit wirbt, "mehr als 30.000 exklusive, deutschsprachige E-Books" im Unlimited-Angebot zu haben. Das ist einerseits natürlich ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber der Konkurrenz, wenn man sich als Leser für bestimmte Digitalbuch-Autoren interessiert. Anderseits bedeutet diese Zahl, dass die Zahl der bekannten Bücher nicht sonderlich groß sein kann, wenn schon 30.000 der "mehr als 40.000" deutschsprachigen Bücher auf die Kindle-exklusiven E-Books entfallen. Bei Kindle Unlimited gibt es derzeit auf Deutsch vor allem Material von Selfpublishern, wenig von den großen Verlagen.

Manche Lücken bei den E-Book-Flatrates sind anbieterübergreifend: So scheint derzeit keiner der Dienste E-Books der Verlagsgruppe Bonnier im Angebot zu haben, zu der zum Beispiel die Verlage Ullstein, Carlsen und Piper gehören.

Ebenso mau sieht es bei Hörbüchern aus. Während Kindle Unlimited in den USA einige Tausend davon im Flatrate-Programm hat - sogar mit fliegendem Wechsel zwischen Text- und Audioversion -, gibt es in Deutschland bislang kein einziges. Auch die Angebote von Skoobe und Readfy sind derzeit hörbuchfrei.

Fazit: Für wen sich die E-Book-Flatrates lohnen

Fazit: Für wen sich die E-Book-Flatrates lohnen

So schade es für E-Book-Fans ist: Zumindest zum Marktstart gibt es kaum einen Grund, von Kindle Unlimited zu schwärmen. Das deutschsprachige Angebot besteht überwiegend aus unbekannteren Titeln, die oft nie als gedrucktes Buch erschienen sind. Darüber können auch die wenigen großen Namen wie "Harry Potter" nicht hinwegtäuschen. Und Hörbücher hat Amazon in Deutschland kein einziges im Paket, da schaut man neidisch gen USA.

Erwähnenswert ist dagegen das große Angebot an fremdsprachiger Literatur: Wer gern auf Englisch liest, findet eine Menge Lesestoff, der sich mit fast jedem Gerät abrufen lässt. Überhaupt ist wohl die eigene Einstellung zum Lesen entscheidend dafür, ob einem Kindle Unlimited zusagt oder nicht. Wer gern einfach irgendetwas liest, der findet für 9,99 Euro im Monat jede Menge irgendwie interessanten Stoff. Wer dagegen wählerischer ist oder sich von aktuellen Buchkritiken leiten lässt, den dürfte Kindle Unlimited in der jetzigen Form enttäuschen.

Bei Skoobe ist die Chance, bekannte Werke zu finden, zumindest einen Tick höher als bei Kindle Unlimited. Dafür fehlt dem Dienst zum Beispiel eine Browser-Variante. Und wer seine Bücher am liebsten ohne Internetverbindung, durcheinander und auf diversen Geräten liest, dem bleibt eigentlich nur eine der beiden teureren Dienstvarianten, für 14,99 beziehungsweise 19,99 Euro.

Im Vergleich damit punktet Readfy, obwohl wir in dieser App keins der 45 gesuchten Bücher gefunden haben. Dadurch, dass der Dienst kostenlos ist, ist hier halb so schlimm, dass bekannte Titel fehlen - man kann ja einfach mal in diverse Bücher hineinlesen, ohne Geld zu bezahlen. Schade ist aber, dass Readfy bislang keinen Offlinemodus bietet. Auch eine Möglichkeit, die Werbung gegen eine kleine Gebühr abzuschalten, würden manche Leser sicher schätzen.