Putin schmiedet Energie-Allianzen

Während in Westeuropa und Nordamerika die gegen die russische Regierung angeschlagenen Töne langsam hysterisch werden, bauen die Schwellenländer ihre Kooperation aus und pochen auf das Völkerrecht

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Russlands Präsident Vladimir Putin hat Mitte Juli im brasilianischen Fortaleza, wo sich, wie berichtet, die Staats- und Regierungschefs der sogenannten BRICS-Staaten zu ihrem sechsten Gipfel trafen, seinen Amtskollegen vorgeschlagen, eine BRICS-Energieallianz aufzubauen. Dazu sollten die Schaffung gemeinsamer Reserven und die Gründung eines eigenen Instituts für Energiepolitik gehören. "Diese Schritte würden erlauben, die Energiesicherheit unserer Länder zu stärken und von der Schaffung neuer Instrumente und neuer Institute für den Handel mit Energieressourcen zu sprechen", zitiert ihn die Stimme Russlands.

Der BRICS gehören neben Russland Brasilien, Indien, China und Südafrika an. Am Rande des Gipfels traf sich Putin unter anderem mit Indiens Premierminister Narendra Modi, der die Enge Verbundenheit seines Landes mit Russland und sein Interesse an einer vertieften Zusammenarbeit in der Atom-, Verteidigungs- und Energiepolitik betonte.

In der gemeinsamen Abschlussdeklaration – wegen ihres starken Bezugs auf die UN und auf das internationale Recht und wegen diverser Stellungnahmen zu den gegenwärtigen Krisenherden ein durchaus lesenswertes Dokument – wird allerdings auf den russischen Vorschlag nicht eingegangen. Aber das muss nicht heißen, dass nicht über ihn gesprochen worden wäre. Nur für eine gemeinsame Initiative reicht es bisher offenbar noch nicht. Auch der in Fortaleza besiegelten Gründung einer gemeinsamen Entwicklungbank war ein langer Diskussionsprozess vorausgegangen.

Zum Thema Energie findet sich unter Punkt 53 ein klares Bekenntnis zur Entwicklung erneuerbarer Energieträger. Etwas abgeschwächt wird dies jedoch dadurch, dass diese in einem Atemzug mit "sauberer Energie" genannt werden, was ein insbesondere in China oft gebrauchter Euphemismus für Atomenergie ist. Die BRICS-Spitzen wollen, so das Dokument, die internationale Zusammenarbeit zur Förderung der "erneuerbaren und sauberen Energie stärken und den Zugang zu Energie verallgemeinern, welches beides von großer Bedeutung für die Verbesserung des Lebensstandards unserer Völker ist".

Putin nutzte, wie auch sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping, den BRICS-Gipfel für eine kleine Tour durch Lateinamerika, bei der Energie-Themen eine wichtige Rolle spielten. In Kuba erließ er dem Land 90 Prozent einer zumeist mehrere Jahrzehnte alten 32-Milliarden-US-Dollar-Schuld und verabredete eine Zusammenarbeit bei der Ausbeutung kubanischer Offshore-Ölfelder. In Argentinien gab es Gespräche über den Bau zweier Atomkraftwerke sowie über die Erschließung großer Schiefergas- und -ölvorkommen, letzteres allerdings noch sehr unverbindlich. Und auch in Brasilien gab es eine Absichtserklärung über den gemeinsamen Bau eines Atomkraftwerkes und einer Wiederaufbereitungsanlage.

Argentinien, das sich derzeit in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befindet, verursacht unter anderem durch US-amerikanische Hedgefonds, dürfte die Aufmerksamkeit gerade recht gewesen sein. Chinas Präsident Xi Jinping hatte sogar Kredite in Höhe von rund sieben Milliarden US-Dollar im Gepäck. Rund zwei Milliarden US-Dollar sollen in Argentiniens ausgedehntes, aber extrem marodes Eisenbahnnetz investiert werden. Der Rest ist für zwei Staudämme in Patagonien vorgesehen.

Ob dem Land allerdings mit dem Bau neuer Atomkraftwerke wirklich ökonomisch gedient ist, dürfte überaus zweifelhaft sein. Die Technologie müsste größtenteils importiert werden, die Bauzeit wird nach bisherigen Erfahrungen wohl kaum unter zehn Jahren liegen und die Auslandsverschuldung würde weiter zunehmen (was natürlich auch für die chinesischen Kredite gilt). Auf der anderen Seite verfügt Argentinien in seinem Süden über die besten Windenergiestandorte der Welt, die bisher kaum genutzt werden. Mit Impsa gäbe es dafür sogar einen einheimischen Anlagenhersteller, doch der muss seinn Hauptgeschäft bisher eher im Ausland, zum Beispiel in Brasilien und Vietnam, machen.