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TTIP-Zoff in der SPD Gabriel haut auf die Pauke

Der SPD-Chef rüffelt seine Kritiker: Schwer genervt reagiert Sigmar Gabriel auf die innerparteiliche Kritik am Freihandelsabkommen. Im Parteivorstand knöpft er sich drei Genossen vor.
SPD-Chef Gabriel: Frontalangriff auf Kritiker

SPD-Chef Gabriel: Frontalangriff auf Kritiker

Foto: AP/dpa

Berlin - Außenpolitik, digitaler Wandel und Freihandelsabkommen - die Liste der Themen, die die SPD auf ihrem Parteikonvent bearbeiten wollte, war lang. Doch was bei vielen Genossen von diesem Samstag hängen bleiben dürfte, sind nicht etwa die inhaltlichen Debatten, sondern vielmehr ein kleiner Wutausbruch.

Dieser kam ausgerechnet vom Parteivorsitzenden. Sigmar Gabriel zeigte sich in der Sitzung des Parteivorstands schwer genervt von den eigenen Leuten. Was ihn wurmte, waren die öffentlichen Stellungnahmen, die einige linke Genossen in den vergangenen Tagen zum innerparteilich äußerst umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP abgegeben hatten. Jene, die sich mit Kritik besonders hervorgetan hatten, ging Gabriel Teilnehmern zufolge frontal an.

Darunter auch sein Stellvertreter Ralf Stegner. Dieser hatte sich am Morgen mit Worten zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA zitieren lassen, die man als Kritik an Gabriel verstehen konnte. "Es müssen mehrere Dinge klargestellt werden", sagte der SPD-Vize der Deutschen Presse-Agentur. Es dürfe keine Sondergerichte geben, wo Konzerne Staaten verklagen können. Auch Verschlechterungen bei Arbeitnehmerrechten, im Kulturbereich und für die Verbraucher seien nicht hinnehmbar. Mit Blick auf eine Beschlussvorlage für den Parteikonvent, in der lediglich ein kritischer Diskussionsprozess zu TTIP versprochen wird, sagte Stegner: "Da ist mehr Klarheit erforderlich, das ist noch zu schwammig formuliert."

Das gehe so nicht, schimpfte Gabriel. Er sei auch Wirtschaftsminister, weshalb das Freihandelsabkommen unweigerlich mit seiner Person verknüpft sei. Die Botschaft: Wenn ihr das Prozedere rund um das Abkommen kritisiert, kritisiert ihr mich automatisch mit.

Wachsende Unruhe in der SPD

Doch Gabriels Wutausbruch dürfte kaum spontan gekommen sein, er hatte sich offenbar gut vorbereitet. Auch der Berliner Landeschef Jan Stöß und der Sprecher der Parlamentarischen Linken, Carsten Sieling, der auf SPIEGEL ONLINE einen härteren TTIP-Kurs gefordert hatte, bekamen den Zorn des Vorsitzenden zu spüren. Gabriel konfrontierte Stöß und Sieling mit einigen ihrer Zitate aus den vergangenen Tagen. Mit ihren Wortmeldungen, so der SPD-Chef, hätten sie eine völlig unnötige Debatte provoziert. Inhaltlich liege man bezüglich des Freihandelsabkommens eigentlich nicht sehr weit auseinander. Viele Forderungen, die die Kritiker zuletzt gestellt hätten, stünden sogar im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Als "komplett irre" habe auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann die Diskussion kritisiert, schreibt die "Süddeutsche Zeitung" . Sie hatte zuerst über den Streit berichtet. Rund 20 Minuten habe man sich laut Teilnehmern gestritten.

Gabriels Abrechnung ist auch ein Zeichen für die wachsende Unruhe in der SPD. Nach dem bitteren Wahlergebnis in Thüringen hatte es erste Kritik am Parteivorsitzenden und dessen öffentlicher Einmischung in die Belange des Landesverbands gegeben. Zwar ist die Arbeit Gabriels in der Großen Koalition innerparteilich weitgehend unumstritten, immer mehr Sozialdemokraten sind jedoch angesichts der unverändert schlechten Lage in den Umfragen beunruhigt.

Gabriel dürfte von der TTIP-Debatte auch deshalb schwer genervt gewesen sein, weil der Parteikonvent eigentlich einen anderen Akzent setzen sollte. Die SPD-Führung hatte ein Papier zum digitalen Wandel erarbeitet - ein Thema, das die Sozialdemokraten gerne stärker besetzen würden. Bis zum Parteitag Ende 2015 soll nun ein SPD-Programm zur Digitalisierung geschrieben werden. Die Partei dürfe dabei "keine Angstdebatte führen, die die großen Chancen der Digitalisierung aus dem Auge verliert", mahnte Gabriel. Diese Mahnung gelte umso mehr, als die SPD eine Partei sei "mit - ich sage das mal vorsichtig - einem etwas höheren Mitgliedsalter".

Trotz der Streitigkeiten auf Führungsebene waren sich die Parteimitglieder in Sachen TTIP am Ende weitgehend einig: Bei sieben Gegenstimmen nickten die rund 200 Delegierten die von Gabriel befürwortete Fortsetzung der TTIP-Verhandlungen ab. Die Unterstützung holte sich der Parteivorsitzende, indem er dem Konvent vorschlug, die Verhandlungen auf Grundlage eines mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund erstellten Positionspapiers zu führen. So sollen besondere Regelungen für den Investitionsschutz von Unternehmen beim TTIP und die Absenkung von arbeits- und verbraucherpolitischen Standards verhindert werden.