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Sanktionen gegen Russland Europäer bleiben hart gegen Putin

Die Europäer halten im Konflikt mit Russland zusammen. Kanzlerin Merkel machte am Ende des EU-Gipfels in Brüssel klar: Die Bündnispartner wollen Moskau nicht nachgeben.
Angela Merkel auf dem EU-Gipfel: Sanktionen gegen Russland bleiben bestehen

Angela Merkel auf dem EU-Gipfel: Sanktionen gegen Russland bleiben bestehen

Foto: THIERRY CHARLIER/ AFP

Wenn Angela Merkel am Ende eines EU-Gipfels spricht, hängt Europa an ihren Lippen. Der deutsche Pressesaal war am Donnerstagabend mal wieder überfüllt mit italienischen, französischen, spanischen, griechischen Berichterstattern. Doch kurz nach 23 Uhr konnte die Kanzlerin auch auf einen Zuhörer auf der anderen Seite des Atlantiks zählen: US-Präsident Barack Obama.

Betont deutlich sagte die Kanzlerin: "Sanktionen sind aus bestimmten Gründen erlassen worden, und sie können nur aufgehoben werden, wenn diese Gründe wegfallen." Will heißen: Eigentlich hat sich noch nichts Wesentliches geändert im Umgang mit Russland, allen jüngsten Waffenstillstandsvereinbarungen in der Ukraine zum Trotz. Die Sanktionen bleiben.

Viele Punkte müssten von russischer Seite noch umgesetzt werden, stellte Merkel klar. Das dürfte die Zuhörer im Weißen Haus beruhigen. Schließlich bestand die Gefahr, dass Europa offen gegen die neuen Drohungen aus den USA rebellieren würde, die unmittelbar vor dem Brüsseler Gipfel bekannt wurden: Obama unterzeichnete ein vom Kongress beschlossenes Gesetz, das ihn dazu befugt, Maßnamen gegen Russland zu verhängen, die in ihrer Tragweite "an das Vorgehen gegen Iran erinnern", wie Heather Conley es formulierte, Europachefin der Washingtoner Denkfabrik Center for Strategic and International Studies.

Dazu könnten nach einem Vorschlag des US-Kongresses gehören:

  • Strafen gegen Russlands wichtigsten Waffenexporteur Rosoboronexport

  • das Recht, Geldgeschäfte mit dem russischen Energieriesen Gazprom zu untersagen

  • die Lieferung von Panzerabwehrwaffen oder Aufklärungsdrohnen im Wert von 350 Millionen Dollar an die Ukraine

Allerdings erklärte Obama, die Unterzeichnung bedeute zunächst "keine Änderungen in der Sanktionspolitik der Regierung". Eine weitere Verschärfung der Sanktionen gegen Russland ist somit vorerst nicht in Sicht. "Dies sind verwirrende Botschaften an unsere Verbündeten", räumte Obama-Sprecher Josh Earnest ein.

Washington fühlt sich beflügelt

Merkel ließ sich in Brüssel von den neuen Drohungen aus Washington nicht unter Zugzwang setzen. Sie verwies kühl darauf, dass die EU pünktlich zum Gipfel neue Schritte beschlossen habe.

Allerdings beziehen sich diese nur auf die Krim, mit deren Annexion sich die Europäer offiziell nicht abfinden mögen. Die neuen Schritte sollen eher bisherige Maßnahmen unterstützen - und etwa Schlupflöcher schließen, indem nun zum Beispiel auch EU-Kreuzfahrtschiffen das Anlaufen der Häfen auf der Halbinsel Krim verboten wird.

Wird das den Amerikanern genügen? Washington fühlt sich durch den Verfall des Rubels und den Absturz der russischen Wirtschaft beflügelt. "Es ist klar, dass sich Putin verkalkuliert hat", heißt es in Obamas Umfeld laut US-Medienberichten. Angesichts der Währungsschwäche will man mit neuer Härte nachlegen.

Zwar kann der Präsident entscheiden, wie er die Sanktionsvorschläge des Kongresses umsetzt. Dass Obama sich aber überhaupt zum Unterschreiben des Gesetzes bereit erklärt hat, zeigt: notfalls riskiert Washington Ärger mit den europäischen Verbündeten.

Denn dort fürchtet man die weitere Schwächung der russischen Volkswirtschaft - und die Auswirkungen auf Europa. Ein Vertreter der EU-Kommission warnte in kleinem Kreis, eine weitere Destabilisierung Russlands sei für den ganzen Kontinent eine "schlechte Nachricht".

Die Ukraine braucht mehr Geld

Die Europäer hoffen eher, dass die marode Wirtschaftslage Putin zum Einlenken zwingt. Sozialdemokrat Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments, sagte: "Ich glaube, dass wir in absehbarer Zeit zu Lösungen kommen können. Wenn ökonomischer Druck wächst, wächst auch die Unzufriedenheit von Menschen und damit wiederum der Druck auf die Politiker, zu handeln."

Freilich können amerikanische Vertreter eines härteren Kurses durchaus auf Verbündete in Europa zählen. Der polnische Präsident Bronislaw Komorowski etwa sieht keine Hindernisse, um gar Waffen an die Ukraine zu liefern - ein Schritt, den viele EU-Staaten ablehnen, darunter Deutschland. Das Thema sei beim Gipfel gar nicht zur Sprache gekommen, sagte Merkel. Doch die Kanzlerin weiß auch: Die wahren europäischen Bewährungsproben warten noch.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bezifferte den zusätzlichen Finanzbedarf der Ukraine auf rund zwei Milliarden Euro. Er habe das Geld allerdings nicht, fügte der Luxemburger hinzu.

Und in den Mitgliedstaaten, auch in Deutschland, herrscht wenig Bereitschaft, mehr zu geben. Merkel sagte: "Wir wollen der Ukraine helfen, allerdings ist die Voraussetzung, dass die Ukraine wirtschaftliche Reformen durchführt und die Korruption bekämpft."

Der zweite Showdown droht bei der anstehenden Verlängerung der EU-Sanktionen. Merkel bekräftigt, auch weitere EU-Entscheidungen dazu sollten in "Einigkeit" erfolgen - und ergänzt, es sei beim Gipfel durchaus zur Sprache gekommen, wie unterschiedlich Mitgliedstaaten von den Strafmaßnahmen betroffen seien.

Ist das ein vorsichtiger Hinweis, dass es bald Anpassungen der Sanktionen geben könnte, auf Druck mancher europäischer Staaten? Schon im März 2015 könnte es zum Schwur kommen. US-Expertin Conley: "Dann müssen die 28 EU-Staaten zum ersten Mal entscheiden, ob sie die aktuellen Sanktionen weiterführen wollen. Das wird spannend."