"Ich bin allgemein gegen Sanktionen"

Mit Total-Chef Christoph de Margiere starb ein unbequemer Wirtschaftsboss bei einem Flugzeugunfall in Moskau

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Am Montagabend gegen 22.00 verunglückte der Generaldirektor des französischen Energiekonzerns Total, Christoph de Margiere, in Moskau. Sein Flugzeug, eine Dassault Falcon, befand sich ersten Darstellungen zufolge bereits in der Startphase, als ein Schneepflug auf die Landebahn fuhr. Das Fahrwerk der Maschine streifte das Hindernis. Die Falcon überschlug sich und brannte auf dem Rollfeld aus. Mit dem CEO des französischen Mineralölunternehmens starben weitere drei Besatzungsmitglieder.

Der Fahrer des Schneepfluges überlebte den Zwischenfall unverletzt. Nach ersten Angaben aus Russland soll er stark alkoholisiert gewesen sein, seine Anwälte bestreiten dies. Zum Zeitpunkt des Unfalls herrschte auf dem Flughafen leichter Nebel. Die Sichtweite betrug etwa 350 Meter. Obwohl die Temperaturen in Moskau seit Tagen leicht unter null Grad lagen, hatte es noch nicht geschneit.

Christoph de Margiere hatte in Moskau an einem Wirtschaftsratschlag für ausländische Investoren teilgenommen. Laut RT-News trat de Margiere dort zum wiederholten Mal gegen die von der EU gegen Russland verhängten Sanktionen auf. "Ich bin allgemein gegen Sanktionen", zitiert Russia Today aus seiner letzten Rede, "weil sie beides sind: unfair und unproduktiv".

Der Chef von Europas größtem Energie-Unternehmen vertrat bereits seit dem Höhepunkt der Krim-Krise im März öffentlich die Position, dass "politische Probleme politisch gelöst" werden sollten, ohne dass die wirtschaftlichen Beziehungen darunter leiden. In diesem Zusammenhang hatte Christoph de Margiere immer wieder betont, dass Total sein Engagement in Russland fortsetzen wird.

Der französische Energiekonzern hält 18 Prozent an Novatek, dem zweitgrößten Gasproduzenten in Russland. Gemeinsam mit dem chinesischen Staatskonzern CNPC investierten die Franzosen 27 Milliarden US-Dollar in die Ausbeutung von Gas in Sibirien. In das Yamal LNG-Projekt bringt Total vor allem seine technischen Erfahrungen mit der Flüssiggasproduktion ein. Der Total-Chef betonte immer wieder, dass Europa nicht ohne das russische Gas auskommen könne. "Und gibt es irgendeinen Grund darauf zu verzichten? Nein", erklärte er vergangenen Sommer gegenüber Reuters.

Außerdem verhandelten die Franzosen seit Frühjahr 2014 mit Lukoil über gemeinsame Projekte für die Förderung von Schieferöl. Die dafür notwendigen Fracking-Technologien hatte Total frühzeitig über Kooperationen mit US-Unternehmen in der nordamerikanischen Schieferförderung angeeignet. Gemeinsam planen die beiden Unternehmen eines der weltweit größten Schieferöl-Vorkommen im Ural auszubeuten.

Dass Total offensiv auf einen Export von Fracking-Technologie nach Russland setzt, ist in zweierlei Hinsicht ein Politikum. Im Kontext der verhängten Sanktionen haben sich alle US-Unternehmen, namentlich Exxon, aus Kooperationen mit Russland zurückgezogen. Zudem hatte Total ursprünglich die Absicht, in Frankreich, wo sich die größten Schiefergasvorkommen innerhalb der EU befinden, mit Fracking-Technologie Gas zu fördern.

Dies hatten die französische Regierung und der Oberste Gerichtshof jedoch erst im Oktober 2013, kurz vor dem Ausbruch der Ukraine-Krise, aus Umweltschutzgründen verboten. Mit den Sanktionen gegen Russland hätte die Politik bereits das zweite große Total-Fracking-Projekt verhindert. Andererseits dürften die amerikanischen Firmen nicht glücklich darüber sein, dass Total Geschäfte tätigt, die ihnen aus politischen Gründen untersagt sind, und das auch noch mit in den USA erworbener Technologie. Mit den in September verhängten Sanktionen hatten die USA und die EU speziell den Transfer von Fracking-Technologie nach Russland untersagt.