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Rund 2000 Muslime sind zum Freitagsgebet in der Skalitzer Straße in Kreuzberg gekommen. Danach soll demonstriert werden.

© Reuters

Kampf gegen islamistische Extremisten: Deutschland braucht einen starken Islam

Das Image des Islams ist schlecht wie nie – doch ein Grund zur Freude ist das nicht. Nur selbstbewusste Muslime können sich gegen Extremisten in den eigenen Reihen wehren. Deshalb sollte der Staat den Islam als gleichberechtigte Religion anerkennen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claudia Keller

Am vergangenen Freitag haben tausende Muslime in Deutschland gegen Hass und Gewalt demonstriert. Sie haben sich von jenen abgegrenzt, die in Allahs Namen Menschen quälen und ermorden. Die jungen Männer aber, die jetzt vielleicht gerade in Berlin oder Köln an den Lippen von Hasspredigern hängen, haben an den Kundgebungen nicht teilgenommen. Sie haben nicht gehört, was Imame über die Friedfertigkeit ihrer Religion gepredigt haben.

Der Aktionstag der Muslime war richtig

Solche Kundgebungen werden auch die Kämpfer des „Islamischen Staates“ nicht davon abhalten, ihre monströsen Pläne umzusetzen. Dennoch war der Aktionstag richtig. Er hat ein wichtiges Signal nach außen gesandt: Wir, die Mehrheit der Muslime, sind keine Terroristen. Wir sind nicht so verbohrt, wie ihr denkt. Das sollte eigentlich eine Binsenwahrheit sein. Doch der Islam steckt weltweit in einer großen Legitimitätskrise, theologisch und moralisch. Das liegt nicht nur an mörderischen IS-Milizen. Sondern auch an Großmuftis, die mit Diktatoren paktieren oder schweigen, wenn Häftlinge hingerichtet werden wie in Saudi-Arabien.

Eine Religion, die von sich sagt, dass sie für Frieden, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit eintritt, verrät so ihre Grundsätze. Diese Krise wirkt sich auf die Muslime weltweit aus. Das Image des Islams ist schlecht wie nie. Es sollte sich niemand im Westen über die Schwäche des Islams freuen. Wir brauchen einen starken Islam, und wir brauchen selbstbewusste Muslime. Denn nur wer sich seiner selbst bewusst ist, kann sich gegen die Extremisten in den eigenen Reihen wehren und eine klare Trennlinie ziehen zwischen sich und denen, die Gottes Namen pervertieren.

Wer sich in die Ecke gedrängt fühlt oder aus Angst heraus handelt, verliert den klaren Blick. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat das begriffen. Er und andere Politiker haben an den Kundgebungen teilgenommen, ihnen Gewicht verliehen und mit Professionalität und sanftem Druck mitgeholfen, dass der Tag ein Erfolg wurde. Denn sie wissen, dass weder die Polizei noch der Verfassungsschutz den Kampf um die Köpfe junger Muslime gewinnen können. Das können nur die Freunde, Familien und die Frauen und Männer, die sich in den Moscheegemeinden engagieren.

Mehr Unterstützung würde mehr Kontrolle ermöglichen

Wir sollten sie unterstützen und stärken, statt sie mit Häme und Misstrauen zu überziehen. Es ist Zeit, den Islam aus der Schmuddelecke zu holen. Es ist Zeit, das Staatskirchenrecht zu öffnen und Schritte zu unternehmen, um den Islam als gleichberechtigte Religion anzuerkennen – mit allen Rechten und auch Pflichten. Und auch mit finanzieller Unterstützung. In vielen Moscheegemeinden fehlen Strukturen, und es mangelt an Professionalität. Die meisten, die sich dort engagieren und sich um Jugendliche kümmern, tun das ehrenamtlich.

Das reicht nicht aus. Mehr Unterstützung würde auch mehr Kontrolle ermöglichen. Denn wer öffentlich gefördert wird, muss nachweisen, was er mit dem Geld tut. Auch die Moscheegemeinden dürfen sich nicht auf dem Aktionstag ausruhen. Den Worten vom Freitag müssen Taten folgen: Grenzt die Scharfmacher aus, argumentiert den Hass nieder und duldet keinen Antisemitismus. Nur so kann der Islam Legitimität gewinnen.

Lesen Sie hier auch die Kolumne von Harald Martenstein zum Thema "IS": "Wer auf Islamisten schießt, darf sich über die Folgen nicht wundern"

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