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Frankfurter Buchmesse: Kampf um das Buch wird härter - ob gedruckt oder digital

Der Markt für E-Books boomt jetzt auch in Deutschland. Eine echte Konkurrenz zur Handelsplattform Amazon lässt aber noch auf sich warten.

Andreas Konrad Huber ist in der Buchmessen-Woche ein bisschen untergegangen. Zwischen dem Deutschen Buchpreis, der am Anfang dieser Woche an Lutz Seiler verliehen wurde, und dem Literaturnobelpreis, der am Ende dieser Woche an Patrick Modiano ging. Dabei hat auch der 17-jährige Schüler aus Niederbayern diese Woche einen Preis bekommen, und zwar den erstmals verliehenen „E-Book Award“.

Eine Jury, die aus Buchhändlern, Programmierern, Autoren und App-Entwicklern besteht, hat sich den Preis ausgedacht. Man wolle die Branche motivieren, sich noch intensiver mit den technischen Möglichkeiten des E-Books zu befassen. Es geht nicht um die Qualität der Texte, sondern um das innovative Drumherum. Andreas Huber überzeugte mit einem interaktiven Physiklehrbuch für den Gymnasialunterricht, Klasse 7. Es ist sein zweites digitales Lehrbuch, der erste Band, „Physik 8“, verkauft sich bei iTunes ziemlich gut.

Der E-Book-Markt in Deutschland boomt. Seit Jahren wird dieser Satz anlässlich der Frankfurter Buchmesse wiederholt, aber erst jetzt deckt sich die Behauptung mit der Realität. Lange hat sich der deutsche Leser bitten lassen, wollte nicht so recht warm werden mit Lesegeräten und digitalen Dateien. Kaum messbar war der Anteil der verkauften E-Books am Gesamtbuchmarkt bis 2010. 2012 meldete die Branche dann schon 2,6 Prozent, 2013 bereits 3,9 Prozent. Im ersten Halbjahr 2014 stieg der Umsatzanteil der E-Books auf 4,9 Prozent.

Amazon bleibt Verlagsfeind Nummer eins

Parallel dazu hat auch die Zahl der E-Book-Leser rapide zugenommen: 3,4 Millionen Menschen griffen in Deutschland 2013 regelmäßig zu E-Books. Und wer erst einen E-Reader besitzt, der nutzt ihn auch. Durchschnittlich 6,4 elektronische Bücher kaufte jeder E-Reader-Besitzer im letzten Jahr, auch hier ist die Tendenz weiter steigend.

Wo ein großer neuer Wirtschaftszweig entsteht, entbrennen naturgemäß heftige Kämpfe um Marktanteile und -konditionen. In den letzten Monaten hat vor allem der Streit zwischen Amazon und dem Medienunternehmen Bonnier Schlagzeilen gemacht. Amazon, lautete der Vorwurf, verlange von Verlagen bis zu 50 Prozent Einkaufsrabatt bei E-Books, bisher sind rund 30 Prozent üblich. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, habe der Onlinehändler die Auslieferung gedruckter Bücher der Bonnier-Gruppe absichtlich verzögert. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat Beschwerde beim Bundeskartellamt eingelegt, die EU-Kommission Voruntersuchungen eingeleitet.

Amazon bleibt aufgrund seiner marktbeherrschenden Position beim Verkauf von Büchern und seiner wenig zimperlichen Expansionsmethoden Verlagsfeind Nummer eins. Umso mehr hat sich die Branche in den letzten Monaten über eine kleine, aber hochsymbolische Zahl gefreut. Erstmals seit fünf Jahren hat der stationäre Buchhandel 2013 laut Börsenverein besser abgeschnitten als der Onlinebuchhandel. 0,9 Prozent Wachstum konnten die lokalen Buchhändler verzeichnen, dagegen mussten die Onlinehändler 0,5 Prozent Umsatzrückgang hinnehmen.

Drei Plattformen dominieren den E-Book-Verkauf in Deutschland

Lange war es umgekehrt, die Umsätze der stationären Händler sanken von 5,48 Milliarden Euro im Jahr 2000 auf 4,6 Milliarden Euro 2012. Offenbar haben etliche Kunden ihre Kaufgewohnheiten verändert. Nachdem sie zunächst ins Netz abgewandert waren, kehren sie nun zurück in die Buchhandlungen. Beim Börsenverein ist man verhalten optimistisch: „Für 2014 lässt sich sagen, dass bis jetzt die Entwicklung, dass das stationäre Sortiment positiver abschneidet als der gesamte Buchmarkt, anhält.“

Doch es ist nur ein kleiner, schwacher Trost angesichts der aktuellen Entwicklung auf dem E-Book-Markt. Drei große Plattformen dominieren den E-Book-Verkauf in Deutschland. Neben Platzhirsch Amazon machen auch die Tolino-Allianz und der iBook-Store von Apple gute Geschäfte mit digitalen Büchern. Dass Amazon jahrelang mit großem Aufwand und immensen Investitionskosten seinen E-Book-Reader Kindle in den Markt gedrückt hat, dafür sogar massive Gewinnrückgänge in Kauf nahm, hat sich als Strategie bislang ausgezahlt. Jetzt soll dieser Vorsprung weiter ausgebaut werden. Amazon bietet seit dieser Woche auch in Deutschland die E-Book-Flatrate „Kindle Unlimited“ an, die für einen monatlichen Preis von 9,99 Euro Zugang zu rund 600.000 Büchern verspricht.

Doch eine Flatrate ist nur attraktiv, wenn sich hinter ihr eine möglichst umfassende und mit zahlreichen Bestsellern bestückte Bibliothek verbirgt. Die eindrucksvolle Zahl, mit der Amazon hausieren geht, setzt sich bisher aber vor allem aus englischen Titeln und deutschen Büchern aus der Selfpublishing-Szene zusammen. Die großen deutschen Verlage haben bis auf wenige Ausnahmen ihre E-Books nicht zur Verfügung gestellt.

Amazon-Konkurrenz made in Germany

Einerseits liegt es auf der Hand, dass man den unliebsamen Konkurrenten Amazon so lange wie möglich bei seinem neuesten Geschäftsmodell ausbremsen will. Andererseits scheint es auch grundsätzliche Vorbehalte gegen Bücher-Flatrates zu geben. Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die sich öffentlich mit Autoren und Verlagen gegen Amazon solidarisiert hat, äußerte kürzlich in einem Interview, sie glaube nicht „an den Erfolg des Flatrate-Modells für Autoren und Verleger.“

Wonach sich die Branche deutlich mehr sehnt als nach Flatrates, ist Konkurrenz. Eine Plattform, die es schaffen könnte, Amazon nicht nur drei Kunden abzujagen, sondern am besten gleich drei Millionen. Versuche, neue Buchhandelsplattformen für E-Books zu gründen, gibt es immer wieder. Eine davon heißt Sobooks und wurde am Freitag auf der Buchmesse vorgestellt. Noch aber ist das Start-up ein zartes Pflänzchen. An Idealismus fehlt es den Gründern nicht, eher an den Werbemillionen, die es braucht, um in einem bereits aufgeteilten Markt Fuß zu fassen.

Steffen Meier, Sprecher des Arbeitskreises Elektronisches Publizieren (AKEP) beim Börsenverein, glaubt deshalb nicht so recht an Amazon-Konkurrenz made in Germany: „Ich denke, dass sich irgendwann eher der Markteintritt der Ali Baba Group aus China oder der des japanischen Onlineshops Rakuten bemerkbar machen wird.“ Nur internationale Player können andere internationale Player noch das Fürchten lehren.

Doch selbst wenn die globale Konkurrenz noch eine Weile auf sich warten lassen sollte, werden die Preise für deutsche E-Books weiter sinken. Der Hanser Verlag hat angekündigt, künftig einmal pro Woche ein neues E-Book zu publizieren, namhafte Autoren schreiben kurze Texte, das Ganze kostet dann zwischen 1,99 und 4,99 Euro. Das E-Book soll sich zum kleinen, billigen Bruder des Papierbuchs entwickeln. Literatur to go für zwischendurch, fürs Smartphone, Tablet oder den E-Reader. Hauptverkaufszeit: Januar bis Oktober. Das lukrative Weihnachtsgeschäft, daran hat sich in den letzen Jahren nichts geändert, machen die dicken Papierschmöker nämlich immer noch unter sich aus.

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