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Bedrohter Brotbelag - Die Butter-Verschwörung

Kolumne Empörung: In den Unterwegs-Bäckereien des Landes hält ein unerklärlicher Trend Einzug: Statt mit guter Butter werden Brote, Sandwiches und Baguettes nur noch mit klebrigen Cremes oder triefenden Joghurtsaucen beschmiert

Alexander Marguier

Autoreninfo

Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Es gibt natürlich dringendere Probleme in diesem Land, aber nur die wenigsten ließen sich, zumindest auf den ersten Blick, so einfach lösen. Nämlich mit Butter.

Also: Warum werden eigentlich 99 Prozent der hier verkauften belegten Brötchen mit irgendwelchen fiesen Cremes oder undefinierbaren Kräutersaucen malträtiert? Ist die gute deutsche Butter, die früher einmal Zeichen des Wohlstands war, wegen der Cholesterindebatte derart in Verruf geraten? Oder ist sie im Vergleich zu dem anderen Zeug, das die professionellen Brötchenbeschmierer verwenden, unerträglich teuer? Würde die Belegte-Brötchen-Branche tatsächlich kollabieren, wenn sie auf frischkäseartiges Unterfutter für den eigentlichen Belag verzichtete?

Ich habe wirklich keine plausible Erklärung für die bundesweite Verschwörung gegen Butter. In privaten Haushalten kommt doch auch niemand auf die Idee, seine Stullen mit diesem dickflüssigen Material zuzusauen, das selbst gestandene Bäcker für ihren To-Go-Verkauf verwenden. Außerdem tropft einem das Zeug beim ersten Bissen auf Hemd oder Hose, was sich insbesondere am Arbeitsplatz als nachteilig erweist. Vom Geschmack wollen wir lieber erst gar nicht reden. Mit Butter wäre all dieses nicht passiert. Und trotzdem ist sie die große Verliererin in einem gnadenlosen Verdrängungswettbewerb.

Politische Verschwörung?


Die Gründe dafür liegen wie gesagt im Dunkeln; vielleicht wäre das ja mal ein Thema für die Verschwörungstheoretiker von den Montagsdemonstrationen. Womöglich sind die CIA oder der Mossad daran schuld, dass deutsche Bürger außer Haus auf Butterentzug gesetzt werden. Vielleicht sind die ekelhaften Joghurtcremes ja mit irgendwelchen geheimen Zusatzstoffen vermengt worden, die das Volk willenlos und gefügig machen sollen. Das ist ja bekanntlich auch bei den Kondensstreifen der Flugzeuge der Fall. Die mysteriöse Anti-Butter-Offensive scheint jedenfalls auch von der Politik gewollt zu sein, denn sonst hätten ja zumindest die Grünen dieses Thema längst auf ihre Agenda gesetzt. Aber selbst die kamen ernährungsratgebertechnisch über den Veggie-Day nicht hinaus.

Gut, es gibt natürlich Ausnahmen. In Berlin zum Beispiel traut sich die Bäckerei der prominenten Köchin Sarah Wiener, für ihre belegten Brötchen echte Butter zu verwenden. Die sind dann aber gleich so teuer, dass Thilo Sarrazin von dem Geld für ein „Weckle“ (so heißt das dort) eine Hartz-IV-Familie mindestens eine Woche lang verköstigen könnte. In der Ökonomie nennt man eine derartige Preisgestaltung übrigens „prohibitiv“, womit deutlich wird, dass es auch Sarah Wiener in Wahrheit nicht um den Verkauf ihrer Brötchen geht, sondern um die konsequente Butterentwöhnung.

Vernichtungsfeldzug gegen Wurst- und Käsestullen


Und jetzt sage mir bitte niemand, wenn ich unbedingt Buttersemmeln haben will, soll ich sie mir halt zuhause selbst belegen. Denn erstens glaube ich als überzeugter Marktwirtschaftler daran, dass sich jede Nachfrage ihr entsprechendes Angebot schaffen sollte (und mir ist persönlich niemand bekannt, dem die seltsamen Cremes nicht verhasst sind). Außerdem handelt es sich um ein kulturelles Problem. Während beispielsweise in Holland ein regelrechter Kult um belegte „Broodjes“ getrieben wird mit Broodjes-Festivals und Broodjes-Wettbewerben, führen wir in Deutschland einen wahren Vernichtungsfeldzug gegen das Ansehen von Wurst- oder Käsestullen. Das gefährdet letztendlich unsere weltweite Reputation.

Findet sich denn wirklich niemand, der dem schier unaufhaltsamen Vormarsch der Joghurtcremes und Frischkäsepampen Einhalt gebieten will? Wäre ein Joghurtcremeverbot nicht ein tolles Kampagnenthema für die darbende FDP? Meines Erachtens sind die Grenzen des Liberalismus auf dem Gebiet der Brötchenbelegerei jedenfalls längst überschritten. Ansonsten empfehle ich der „Alternative für Deutschland“, endlich aktiv zu werden. Denn auch zu Joghurtcreme gibt es eine Alternative. Und die heißt Butter.

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