ZEIT ONLINE: Auf ihrem Parteitag im November wollen sich die Grünen mit Krieg und Frieden beschäftigen. Sind sie noch eine pazifistische Partei?

Katrin Göring-Eckardt: Die Grünen haben pazifistische Wurzeln, sie waren aber noch nie eine pazifistische Partei. Selbst ganz am Anfang gab es schon Strömungen, die mit der reinen Lehre des Pazifismus nichts anfangen konnten. Auch Hans-Christian Ströbele, bekanntlich Gründungsmitglied, bezeichnet sich nicht als Pazifist. Wir Grüne beschäftigen uns schon lange damit, unter welchen Umständen wir Militäreinsätze befürworten. Darüber wollen wir vor dem Hintergrund der neuen außenpolitischen Bedingungen diskutieren.

ZEIT ONLINE: Ihre Überlegungen zum Einsatz von Bodentruppen im Rahmen eines UN-Mandats sind als wohlfeil kritisiert worden: Sie wüssten genau, dass es dieses Mandat niemals geben wird. Ist das so?

Göring-Eckardt: Nein. Ich bin der Überzeugung, dass es endlich mehr humanitäre Hilfe, aber eben auch militärische Mittel braucht, um den IS zu stoppen. Die Bundesregierung hat bisher nur Waffen an die Kurden geliefert und sich sonst fein rausgehalten. Jetzt plant sie, deutsche Ausbilder in die Region zu schicken und will dabei übrigens das Parlament bewusst umgehen. Sie handelt also nur scheinbar. Um ein UN-Mandat muss man kämpfen: Ich fordere Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf, das endlich zu tun. Es ist nicht ausgeschlossen, dass man Russland und China dazu bekommt, einem solchen militärischen Vorgehen gegen den IS zuzustimmen.

ZEIT ONLINE: Aber Sie wollen in einem solchen Fall auch deutsche Soldaten schicken?

Göring-Eckardt: Es geht nicht darum, dass Deutschland unbedingt dabei ist. Da sind jetzt zuerst einmal die Regionalmächte gefragt. Mir ist aber wichtig, dass wir nicht von vorneherein alles ablehnen. Es kommt jetzt vor allem auf das UN-Mandat an. Und erst dann geht es um die Frage, welche Aufgaben Deutschland dann erfüllen könnte. Wenn es beispielsweise um die Entsorgung von ABC-Waffen geht oder um Minenräumungen, da ist die Bundeswehr sehr gut, da könnte ich mir – sollte es nötig werden – eine Hilfe vorstellen.

ZEIT ONLINE: Jürgen Trittin hat erklärt, deutsche Soldaten hätten in Syrien nichts zu suchen. Außer Ihnen hat in der Parteiführung überhaupt niemand von deutschen Bodentruppen gesprochen. Haben Sie sich von den Grünen alleingelassen gefühlt?

Göring-Eckardt: Nein, überhaupt nicht. Wir sind uns doch einig, dass es ein UN-Mandat braucht, selbst die Grüne Jugend ist da auf meiner Seite. Ich habe mich gewundert, dass Jürgen Trittin als Außenexperte die Aufgaben nicht sieht, die die Bundeswehr gegebenenfalls vor Ort übernehmen könnte. Aber wer wären die Grünen, wenn sie inhaltlich nicht streiten würden.

ZEIT ONLINE: Warum fordern Sie nicht, dass Deutschland sich an den Luftanschlägen gegen den IS beteiligt?

Göring-Eckardt: Die Frage stellt sich doch nicht. Dafür müssten wir erst mal von den Irakern darum gebeten werden. Aber das ist sicher nicht die erste Fähigkeit, die die Bundeswehr in ihrem jetzigen Zustand einbringen könnte.

ZEIT ONLINE: Der Parteitag soll auch das Bild eines immer weiter auseinanderdriftenden Haufens korrigieren, in dem erfolgreiche Grüne Realos in den Ländern misstrauisch von der Berliner Parteispitze beobachtet werden. Wie wollen Sie das anstellen?

Göring-Eckardt: Ach, es ist doch klar, dass sich nach einem solchen Generationenwechsel, wie wir ihn nach der Bundestagswahl hatten, erst mal alles wieder zurechtrütteln muss. Die Zeit nach der Wahl war sicher keine einfache. Wir haben uns neu aufgestellt – in Berlin, gemeinsam mit den Ländern. Jetzt geht es darum, gemeinsam nach vorne zu schauen. Uns stehen einige sehr wichtige Landtagswahlen bevor: 2016 in Baden-Württemberg haben wir das Wichtigste zu verteidigen. Deswegen bin ich auch so froh, dass Boris Palmer gerade so überzeugend als Tübinger Oberbürgermeister wiedergewählt wurde. Das passt einfach zusammen: Palmer und Tübingen. Auch wenn ich persönlich nicht dazu neige, Fahrradfahrer absteigen zu lassen, wenn sie zu schnell durch die Fußgängerzone fahren.