«Stoppt den Völkermord an den Christen»

Der Erzbischof der syrisch-orthodoxen Christen in der Schweiz fühlt sich von der Politik im Stich gelassen. Er wünscht sich ein Treffen mit Aussenminister Didier Burkhalter.

Erich Aschwanden, Arth
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Dionysios Isa Gürbüz, Erzbischof des syrisch-orthodoxen Erzbistums Schweiz und Österreich, im ehemaligen Kapuzinerkloster im schwyzerischen Arth. (Bild: Annick Ramp / NZZ)

Dionysios Isa Gürbüz, Erzbischof des syrisch-orthodoxen Erzbistums Schweiz und Österreich, im ehemaligen Kapuzinerkloster im schwyzerischen Arth. (Bild: Annick Ramp / NZZ)

In Gedanken ist Dionysios Isa Gürbüz bei seinen Glaubensbrüdern. Eindrücklich schildert der Erzbischof der syrisch-orthodoxen Kirche für die Schweiz und Österreich, was sich momentan im Norden des Iraks abspiele: «Die Lage wird von Tag zu Tag schlimmer. Alle Christen, über 150 000 Menschen, sind geflohen. Die meisten von ihnen nach Kurdistan, wo es Christen gibt, die ihnen beistehen.» Immerhin seien diese Leute mit dem nackten Leben davongekommen. Zahlreiche Menschen seien von den Terroristen des Islamischen Staats (IS) ermordet worden, Häuser, Kirchen und Klöster geplündert und angezündet. «Unsere jahrhundertealte Kultur wird systematisch ausgerottet. Dieser Völkermord an den Christen muss gestoppt werden», fordert der Kirchenmann eindringlich.

Heimisch im Kanton Schwyz

Der Kontrast zwischen den Ereignissen im Nahen Osten und der friedlichen Umgebung, in der uns Dionysios Isa Gürbüz mit orientalischer Gastfreundschaft bei Tee und Gebäck empfängt, könnte grösser nicht sein. Seit 1996 hat das Erzbistum Schweiz und Österreich der syrisch-orthodoxen Kirchen von Antiochien seinen Sitz im ehemaligen Kapuzinerkloster im schwyzerischen Arth. 2006 konnte die Glaubensgemeinschaft das Kloster St. Avgin (St. Eugen) am Zugersee käuflich erwerben. Damals wurde Isa Gürbüz als Erzbischof eingesetzt und betreut seither rund 10 000 Gläubige in der Schweiz und 5000 in Österreich.

Die Arther Gemeinschaft, bestehend aus fünf Nonnen und Mönchen, fühlt sich wohl in der katholisch geprägten Umgebung. Auch innerhalb der christlichen Glaubensgemeinschaften der Schweiz sei sie gut aufgehoben. So werden die wöchentlichen Gottesdienste, die in Aramäisch, der Sprache Jesu, abgehalten werden, auch von Einheimischen besucht. Der frühere Churer Bischof Amédée Grab war auch schon in den schön renovierten Räumlichkeiten im kleinen Kloster zu Gast.

Von den anderen Konfessionen erfahren die Syrisch-Orthodoxen in dieser schweren Zeit Solidarität. So an einem ökumenischen Gottesdienst in Bern, der von der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz und der Schweizerischen Evangelischen Allianz organisiert worden war. In gemeinsamen Gottesdiensten in der näheren und weiteren Umgebung wird das Kirchenopfer zugunsten der Verfolgten im Irak und in Syrien aufgenommen.

Treffen mit Obama

Im Stich gelassen fühlt sich die Religionsgemeinschaft hingegen von der schweizerischen Politik. Anders als in Österreich, wo die Syrisch-Orthodoxen als Kirche anerkannt sind, arbeite man hier nicht mit dem Bundesrat zusammen. «Ich würde sehr gerne einmal Aussenminister Didier Burkhalter treffen und ihm die verzweifelte Lage unserer Glaubensbrüder klarmachen», wünscht sich der Erzbischof, der 1966 in Kfarze im südöstlichen Anatolien, im Tur Abdin, dem Berg der Gottesknechte, geboren wurde.

In anderen Ländern konnten Würdenträger der Religionsgemeinschaft ihre Hilferufe an höchster Stelle anbringen. So traf das Kirchenoberhaupt Patriarch Ignatius Ephrem II. Karim zusammen mit anderen kirchlichen Würdenträgern vor kurzem US-Präsident Barack Obama. Enttäuscht zeigt sich Dionysios auch von der Flüchtlingspolitik und hofft, dass die Schweiz mehr Familien aus Syrien aufnimmt. Diese Menschen seien auf Hilfe angewiesen.

Die Kirche von Antiochien ist nach der Urgemeinde in Jerusalem die weltweit älteste christliche Kirche überhaupt. Ihre Angehörigen lebten ursprünglich in ganz Mesopotamien, das Teile von Syrien und dem Irak, den östlichen Teil der Türkei sowie Gebiete im Westen Irans umfasst. Inzwischen sind die rund 3,5 Millionen Gläubigen der syrisch-orthodoxen Kirche verstreut über die ganze Welt. Dionysios betont die gemeinsamen Wurzeln in Sachen Religion, Kultur und Sprache, welche die Christen in Europa und im Nahen Osten hätten. Er hofft, dass diese gemeinsame Basis die Solidarität mit den Verfolgten fördert.

Bedrohung für Europa

Was den christlichen und jesidischen Minderheiten im Irak und in Syrien momentan widerfahre, stehe auch dem Westen bevor, wenn man der Barbarei nicht so schnell wie möglich Einhalt gebiete, ist Dionysios Isa Gürbüz überzeugt. Es gehe momentan um die Verteidigung der Menschenrechte schlechthin. «Es darf nicht sein, dass im Namen Allahs riesige Gebiete wie ein Tsunami mit Terror überzogen werden, und die Welt unternimmt nicht genug dagegen», klagt der Kirchenmann. Ein IS-Verbot auch in der Schweiz ist für ihn daher dringend notwendig. Kontakte zu islamischen Organisationen in der Schweiz pflegt Dionysios keine. «Ich hasse die Muslime nicht, aber ich traue ihnen nicht», sagt Dionysios und verweist auf den Koran, der explizit die Tötung von Christen und Juden befehle.

Besteht angesichts der Schreckensmeldungen aus dem Nahen Osten überhaupt noch Hoffnung? «Als Mann der Kirche gebe ich die Hoffnung nie auf», versichert Dionysios. Doch wir würden in einer ökonomischen Welt leben, in der es vor allem um Ressourcen gehe. Der Kirchenmann befürchtet, dass letztlich wirtschaftliche Interessen, wie der Zugang zu den Ölquellen, für die Weltpolitik wichtiger sein könnten als das Schicksal einer alten, aber armen Religionsgemeinschaft.