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Maut in Frankreich: Über Gebühr

Foto: PHILIPPE MERLE/ AFP

Maut in Frankreich Wut auf die Wegelagerer

Die Maut auf französischen Autobahnen ist in den vergangenen zehn Jahren um 20 Prozent gestiegen - und mit ihr der Frust der Autofahrer. Jetzt soll die Gier der privaten Betreiber gezügelt werden. Tatsächlich drohen weitere Erhöhungen.

Kaum ist die Autobahn Karlsruhe-Basel verlassen und der Rhein überquert, träumt man von Strand, Mittelmeer und Liberté, Freiheit - mit dem Auto in den Urlaub nach Frankreich zu fahren, fängt gut an. Nach gut 30 Kilometern ist es damit aber auch schon vorbei.

Bei Fontaine-Lavrière taucht nämlich die erste Mautstelle auf. Ausländer wie Einheimische werden hier zur Kasse gebeten. Und bis Lyon folgen, je nach Route, weitere Zahlstellen, wo zusätzliche Gebühren fällig werden. Insgesamt summiert sich die Péage bis nach Lyon für einen PKW auf rund 30 Euro. Ein satter Wegzoll für 380 Kilometer - mit ständig steigender Tendenz.

Denn die endgültige Privatisierung der Autobahnen, vor acht Jahren als Schritt zur Modernisierung gepriesen, nutzt vor allem den Betreibern: Firmen wie Vinci, Eiffage, oder Abertis, Branchenriesen der Infrastruktur oder des Baugewerbes. Deren Töchterunternehmen verwalten rund zwei Drittel von Frankreichs rund 9000 Kilometer langem Netz und zocken die Autofahrer kräftig ab. Der Staat schaut tatenlos dabei zu.

So verteuerten sich die Gebühren während der vergangenen zehn Jahre um knapp 22 Prozent und mit ihnen stiegen die Renditen der Betreiberfirmen auf Spitzenwerte. Konkret: Von 100 Euro, die ein Autofahrer an der Mautstelle berappt, kassieren die Konzessionäre einen Nettoprofit zwischen 20 und 24 Euro.

"Wir haben das Familiensilber verscherbelt"

Die Betreiber haben bei dem Geschäft fast kein Risiko: Allein zwischen 2008 und 2011 stiegen bei den größten Betreibern die Einnahmen von 6,9 auf 7,6 Milliarden Euro pro Jahr. Angesichts der Kosten für die 20-Jahr-Konzessionen - rund 13 Milliarden Euro - erwies sich der Deal als gigantischer Reibach.

Für die Regierung war es ein folgenschwerer Fehler. "Wir haben 2006 das Familiensilber verscherbelt", rügten daher die beiden sozialistischen Abgeordneten Olivier Faure und Alain Rodet vergangenes Jahr in einem Rapport. Und folgerten kritisch: "Wir haben uns um äußerst wichtige Einnahmen gebracht."

Theoretisch sind die jährlichen Erhöhungen der Maut vertraglich festgelegt; sie sollen "dem Bau und dem Erhalt" der Autobahn dienen und im Schnitt 85 Prozent der Inflationsrate nicht überschreiten. Wo die Autobahnen fertiggestellt sind, suchen die Betreiber daher nach neuen "zusätzlichen Investitionen", um ihre Aufschläge zu rechtfertigen. Dazu zählen schwer bezifferbare "Operationen zur Modernisierung des Netzes", etwa der Bau von LKW-Parkplätzen oder Lärmschutzanlagen.

40.000 Tarife und ein paar Tricks

Obendrein orientiert sich die Maut meist nicht nach der Entfernung. Und weil der Preis pro Kilometer nicht festgelegt ist, gelten je nach Abschnitt verschiedene Preise. Die Folge ist ein undurchsichtiger Dschungel von bis zu 40.000 Tarifen, so Schätzungen der Tageszeitung "Le Monde". Kurios: Bisweilen lohnt es sich, die Autobahn an bestimmten Mautstellen zu verlassen, um gleich wieder aufzufahren - je nach Strecke sind dabei Einsparungen von bis zu zehn Prozent möglich .

Ein immer noch verbreiteter Trick: Stark frequentierte Abschnitte werden deutlich höher berechnet als wenig befahrenen Strecken. Damit werden die "Einnahmen optimiert", ohne dass sich die zusätzlichen Profite auf den Durchschnitt der Mautpreise niederschlagen.

"Ein schlechtes Geschäft" - für den Staat und die Autofahrer

Die Wegelagerermethoden der privaten Betreiber werden seit Jahren kritisiert. Frankreichs Rechnungshof bemängelte die Praxis bereits 2008; im vergangenen Jahr legten die staatlich bestellten Prüfer noch einmal nach. Gebracht haben die Tadel nichts, genauso wenig wie die Rüffel von Automobilclubs und Verbraucherschützern. Erst die jüngste Kritik des nationalen Kartellamts hat die Regierung aus ihrer Lethargie geweckt.

"Die derzeitigen Bedingungen erlauben es nicht, die Interessen der Nutzer und des Staates in genügendem Umfang zu berücksichtigen", so das harsche Urteil der staatlichen Wettbewerbswächter. Und der Chef des Amtes, Bruno Lasserre, sieht die Behörden von den Betreibern über den Tisch gezogen. "Man kann sich fragen, ob der Staat korrekt informiert wird, und ob er in der Lage ist, auf Augenhöhe mit dieser Lobby zu verhandeln."

"Die Autobahnunternehmen haben aus den außerordentlich günstigen Verträgen einen Nutzen gezogen", räumte Finanzminister Michel Sapin zerknirscht ein. "Die Privatisierung war ein schlechtes Geschäft für den Staat", gestand der neue Wirtschaftsminister Emmanuel Macron vergangene Woche und versprach baldige Besserung. Ob es gelingen wird, die Gebühren zu deckeln, bleibt angesichts der bestehenden Verträge jedoch völlig offen.

Und noch fraglicher ist die Aussicht günstigerer Mautgebühren. Denn nachdem die Regierung von Präsident François Hollande nach massivem Widerstand der Transportunternehmen auf die Öko-Steuer für LKW verzichtete, soll die Umweltabgabe auf die Autobahnnutzung umgelegt werden: Zahlen werden aber nicht die Betreiber, sondern die Kraftfahrer - Franzosen wie Ausländer.