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Meinung Islamismus

Die arabischen Kämpfe entscheiden unser Schicksal

Senior Editor
Überall Kriegsgeschrei, martialische Posen, Stammesfehden – man verliert leicht den Überblick bei den Konfliktparteien. Diese machen ausnahmsweise einmal Hoffnung: Peschmerga-Krieger sollen die IS-Terroristen zurückdrängen Überall Kriegsgeschrei, martialische Posen, Stammesfehden – man verliert leicht den Überblick bei den Konfliktparteien. Diese machen ausnahmsweise einmal Hoffnung: Peschmerga-Krieger sollen die IS-Terroristen zurückdrängen
Überall Kriegsgeschrei, martialische Posen, Stammesfehden – man verliert leicht den Überblick bei den Konfliktparteien. Diese machen ausnahmsweise einmal Hoffnung: Peschmerga-Krieg...er sollen die IS-Terroristen zurückdrängen
Quelle: dpa
Warum ziehen wir uns nicht aus den Konflikten der islamischen Welt zurück? Überlassen die Streithähne einfach sich selbst? Leider ist das keine Option. Denn die Folgen reichen bis vor unsere Haustür.

Die Homepage des amerikanischen Magazins „Foreign Policy“ ist so etwas wie eine Kurstafel sicherheitspolitischer Strategien. Hier sieht man nicht nur, wer die Konflikte dieser Welt wie einschätzt, sondern auch, wer wie viel Unterstützung für seinen Standpunkt findet. Denn das schlägt sich in der Zahl nieder, die am Vorspann jeder Analyse angezeigt wird.

Sie gibt an, wie oft ein Artikel in den sozialen Netzwerken geteilt wurde. Und in den letzten Wochen gab es kaum einen, der von Lesern so oft weiterverbreitet wurde wie jener von Stephen Walt mit der Überschrift: „Lasst es bluten! Jedes Mal, wenn die USA etwas im Nahen Osten tun, wird alles nur schlimmer. Es ist Zeit, zu gehen, ohne sich umzuschauen.“

Nicht mehr wissen zu wollen, was in der Welt geschieht, ist ein eigenartiger strategischer Ansatz. Dass er so heftige Sympathie hervorruft, ist nachvollziehbar angesichts der immer neuen und doch irgendwie immer gleich scheinenden Krisen in Gaza, Syrien, Libyen, Irak und Kurdistan. Überall scheinen geschwächte Regierungen, kaum bekannte Ethnien und Milizen mit austauschbaren Namen miteinander zu ringen. Diese Mikrokosmen, so scheint es, sind viel zu kompliziert, als dass man von außen daran rühren dürfte.

Wir sind Teil des Konfliktmusters

Der Makrokosmos der muslimischen Welt aber scheint so unermesslich viel komplexer, dass allein unsere Präsenz sie aus dem Gleichgewicht bringen muss. Wir schließen vom Besonderen auf das große Ganze und flüchten erleichtert in unsere Ohnmachtsfantasien. Zufällig ist dieser Ausweg ebenso amoralisch wie unrealistisch.

Wenn man nach den Zusammenhängen der Krisen fragt, dann wird deutlich, dass wir weder weggehen dürfen noch können. Das liegt nicht nur an unserer wirtschaftlichen Verflechtung mit der muslimischen Welt, sondern auch an einem Konfliktmuster, dessen Teil wir unweigerlich sind. Denn das, was derzeit im Irak passiert, folgt zentralen Mechanismen, die sich im Kern zeitgleich in Nordafrika und Nigeria, in Pakistan und Afghanistan abspielen.

Zu diesem Muster gehören natürlich einerseits die lokalen Gegensätze, die den jeweiligen Konflikt für den westlichen Nachrichtenkonsumenten so verwirrend erscheinen lassen. In Afghanistan behaupten die Taliban, die Interessen der paschtunischen Bevölkerungsmehrheit zu vertreten. In Pakistans Stammesregion Nordwasiristan versucht die Armee gerade, Überreste von al-Qaida und mit ihr verbündeter Islamistengruppen zu vertreiben, die dort Zuflucht bei teilautonomen Stämmen gefunden haben.

In Nigeria kämpft Boko Haram für ein Kalifat im muslimischen Norden. Libyen schließlich versinkt in dem Chaos, das einmal zwischen Stämmen aufgebrochen war, und in dem islamistische Kräfte nicht mehr von der Macht lassen wollen, die sie nach dem Fall des Gaddafi-Regimes gewonnen haben. Diese Frontstellungen sind für sich genommen einzigartig. Doch in dieser Form und Schwere entladen sie sich auch, weil der Westen eine Rolle darin spielt – freiwillig oder unfreiwillig.

Akteure mit einem hohen Erpressungspotenzial

In all diesen Konflikten haben westliche Staaten zu irgendeinem Zeitpunkt militärisch oder politisch interveniert. Aber selbst wenn der Westen nicht aktiv eingreift, ist er auf mindestens zwei Ebenen stets ein Beteiligter. Die eine Ebene entsteht durch wirtschaftliche oder strategische Interessen, die Industrienationen mit der jeweiligen Region verbinden – sei es das Öl im Irak, Libyen, Nigeria, die zentrale Lage Afghanistans oder das Risiko der pakistanischen Atomwaffen. Die weltwirtschaftliche Bedeutung dieser Regionen bietet dort jedem lokalen Akteur ein erhöhtes internationales Erpressungspotenzial an.

Die zweite Ebene ist die politische Psychologie dieser Konflikte. Denn in allen spielen islamistische Gruppen eine Hauptrolle, die zwar für lokale Ziele eintreten, die aber nur deshalb so stark sind, weil sie Geld, Waffen und Kämpfer aus dem Ausland erhalten. Bei den internationalen Sponsoren handelt es sich meist um potente Einzelpersonen oder private Stiftungen in den arabischen Golfstaaten, mitunter auch um militaristische Regime wie jenes in Syrien oder dem Iran.

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Sie unterstützen die jeweiligen Akteure aber letztlich nicht, weil ihnen deren lokale Anliegen besonders wichtig wären, sondern als Teil eines weltweiten Mehrfrontenkrieges gegen den Westen. Global denken, lokal handeln – für die terroristische Variante dieses Prinzips ist die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) das neueste und beste Beispiel.

Ein Modell-Kalifat, weltweit medialisiert

Einst im Irak entstanden, dann auf Syrien ausgeweitet, hat IS in den letzten Jahren Kämpfer von allen Kontinenten angezogen. Die Miliz gewinnt ihre Attraktivität dadurch, dass sie erfolgreich mit örtlichen sunnitischen Stämmen kooperiert, dass sie aber andererseits durch Gesetze, Symbole, grausame Bestrafungsrituale eine Art virtuelles Modell-Kalifat errichtet, das sie über das Internet weltweit medialisiert. Das reale Terrorregime ist zugleich seine eigene Dauerwerbesendung für ein globales Publikum. Das Video von der Enthauptung des entführten amerikanischen Journalisten James Foley war der letzte grausame Höhepunkt.

An dieser Schnittstelle ist der Westen nicht mehr nur ein gedachter Beteiligter in den neuen Terrorkriegen. Denn Zulauf erhalten viele der lokal agierenden Gruppen auch aus Europa und Amerika, von dort aufgewachsenen Muslimen oder Konvertiten. Sie riskieren ihr Leben für eine Erzählung, in der die Muslime zu den Rächern der Menschheit gegen das plutokratische Weltsystem des Westens werden, dessen angebliche Liberalität in Wahrheit nur der seelischen Versklavung dient.

Einen solchen Kampf müssen junge Menschen zumindest ideell irgendwann auch im Herzland des Feindes führen wollen, in ihrer eigenen westlichen Heimat. Alles andere würde der Psychologie und der Logik ihrer Biografien widersprechen. Auch in diesem Sinn können wir gar nicht „weggehen“ aus diesem Krieg. Er findet längst auch bei uns statt.

Vor Ort sinkt die Unterstützung der Militanten

Aber wir haben potenzielle Verbündete in diesem Krieg – zahlreiche Menschen in jenen fernen Krisengebieten. Denn dass die Terrormilizen derzeit so erfolgreich sind, hängt eben nicht damit zusammen, dass sie relevante Antworten auf die realen Probleme der örtlichen Bevölkerungen geben, sondern daran, dass sie durch ihre gewachsene internationale Vernetzung wesentlich unabhängiger geworden sind von der Zustimmung der sie umgebenden Bevölkerung.

Soweit die Meinung in den genannten Krisengebieten erforschbar ist, in Afghanistan und Pakistan etwa, sinkt die Akzeptanz für die Militanten dort eher. In Libyen ging die jüngste Offensive der Islamisten sogar offenkundig auf eine dramatische Niederlage zurück, die sie bei der Wahl im Mai erlitten hatten. Um das Chaos im Land zu schüren und seine Bürger einzuschüchtern, brauchen Milizen keine Wählerstimmen. Das heißt aber nicht, dass man ihnen darum auch den politischen Sieg überlassen muss.

Der Zerfall von Staatlichkeit in den Ländern des „arabischen Frühlings“, am Hindukusch oder in Afrika hat die Ausbreitung und Vernetzung dieser neuen terroristischen Internationalen entscheidend ermöglicht. Wenn er aufgehalten und umgekehrt werden kann, dann wird die Gegenerzählung der militanten Islamisten nicht nur dort, sondern weltweit an Stichhaltigkeit verlieren. Dabei kann der Westen helfen, politisch wie militärisch. Wenn er jedoch die Illusion pflegt, sich von diesen Problemen abkoppeln zu können, dann hilft er, das Chaos im Nahen Osten und Nordafrika zu verewigen, ohne dessen Folgen wirklich zu entkommen.

IS droht den USA per Video mit Blutvergießen

In dem Video heißt es unter anderem: „Wir werden euch alle in Blut ertränken." Zudem werden Siege über US-amerikanische Truppen gezeigt. Das Propagandavideo wurde über soziale Netzwerke gestreut.

Quelle: Reuters

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