Sebastian Edathy:Knoten der Unwahrhaftigkeit

Edathy - Untersuchungsausschuss

Sebastian Edathy verlässt die Sitzung des Untersuchungsausschusses in Berlin.

(Foto: dpa)

Ach, die Unschuldsvermutung. Im Fall Sebastian Edathy kann von ihr keine Rede sein. Er ist schon bestraft, aber er hat eben auch Fehler gemacht. Um Strafrecht geht es letztlich nicht mehr. Es geht um Moral, Unmoral und Politik.

Kommentar von Heribert Prantl

Sebastian Edathy ist schon bestraft, bevor die Strafverhandlung gegen ihn begonnen hat. Er ist bestraft, auch wenn das Verfahren gegen ihn womöglich eingestellt wird, weil sich herausstellen könnte, dass er zwar moralisch verwerflich, aber nicht unbedingt strafbar gehandelt hat.

Er ist schon jetzt bestraft mit einer Sanktion, die es im Gesetzbuch nicht gibt: Er hat seine Ehre verloren, seine soziale Existenz, sein bürgerliches Leben. Bei der Pressekonferenz in Berlin hat er das mit souveräner und herrischer Larmoyanz beklagt.

Das alles geschieht ihm recht, mag man da sagen; er hätte sich ja nicht Bilder von nackten Jugendlichen bestellen müssen. Indes: Ist es wirklich recht, wenn die Unschuldsvermutung so überhaupt keine Bedeutung mehr hat? Edathy hätte sich, auch das muss man sagen, zu den Vorwürfen anders einlassen sollen. Er hat sich verheddert in den Ungeschicklichkeiten des ersten Augenblicks, wie Strafverteidiger die Fehler nennen, die Beschuldigte am Beginn der Ermittlungen machen: Da waren auf einmal Daten gelöscht, da war der Laptop verschwunden. Fragwürdig war das. Man kann das erklären: Wenn das Damoklesschwert über einem zittert und zu fallen beginnt, dann wird fast jeder, dem so etwas widerfährt, ungeheuer nervös. Er macht Fehler, selbst dann oder gerade dann, wenn er an seine strafrechtliche Unschuld glaubt.

SPD verstrickt sich in der eigenen Feigheit

Fragwürdig ist viel an der ganzen Geschichte. Das Verhalten von Edathy zuvorderst. Aber auch die Ermittlungen waren fragwürdig - und die Art und Weise, wie sie sehr gezielt bekannt geworden sind. Was wurde da gedreht, gemauschelt? Wann hat die SPD-Spitze wann was von wem erfahren? Und wer hat dann mit wem in der SPD mit welchem Ziel was beraten? Die Erklärungen dazu schnüren sich zu einem Knoten der Unwahrhaftigkeit. Die sozialdemokratische Führung hat sich auf der Flucht vor ihrem Genossen Edathy verstrickt in der eigenen Feigheit.

Hat der Chef des Bundeskriminalamts wirklich Informationen aus seinem Haus an den SPD-Parlamentarier Michael Hartmann weitergegeben? Strafvereitelung im Amt - wie viele meinen - wäre das kaum, weil ein formelles Ermittlungsverfahren damals noch gar nicht lief. Ein Strafverfahren, das noch nicht einmal läuft, kann man nicht vereiteln. Aber Informationen, die die Behörde über bestimmte Personen hat, können (unabhängig davon, ob sie ein Strafverfahren tragen oder tragen können) ein strafrechtlich geschütztes Dienstgeheimnis sein, das nicht verraten werden darf.

Wird man aufklären können, wer welche Kanäle zu welchem Zweck bedient hat? Vielleicht. Kann man das künftig abstellen? Wahrscheinlich nicht. Das ist halt so. Das wird im nächsten und im übernächsten Fall wohl wieder so sein. Womit soll man sich trösten? Vielleicht damit, dass es in Deutschland wenigstens keine Lynchjustiz gibt, dass also aufs schnelle Vorurteil nicht auch noch der schnelle Prozess folgt.

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