Der russische Bär sprengt seine Ketten

Über drei Stunden lang hat sich der russische Präsident Vladimir Putin den Fragen von Journalisten gestellt. Die Medienshow bot immerhin einige kleinere Kontroversen.

Ivo Mijnssen
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Präsident Putin: «Die Lage wird sich in die Bahnen lenken». (Bild: Pavel Golovkin /AP)

Präsident Putin: «Die Lage wird sich in die Bahnen lenken». (Bild: Pavel Golovkin /AP)

Wladimir Putins jährliche Pressekonferenz im Dezember ist ein Medien-Event, der im Vorfeld gross angekündigt wurde: 1259 akkreditierte Journalisten verfolgten den Anlass, und die staatlichen Fernseh- und Radiokanäle übertrugen ihn direkt. Im Zentrum standen die Rubel- und die Ukraine-Krise, aber auch eine Reihe von innenpolitischen Fragen. Dabei kamen auch kritische Journalisten zu Wort.

Eine Herzensangelegenheit

Grosse Paukenschläge wie etwa die letztes Jahr verkündete Amnestie für Michail Chodorkowski blieben dieses Jahr aus. Der Präsident bemühte sich um einen für seine Verhältnisse moderaten Ton. Dennoch blieben Seitenhiebe gegen die Ukraine und den Westen nicht aus. Die Nato-Osterweiterung nannte er eine «neue Mauer» gegen Russland. Die Annexion der Krim verteidigte er mit Verweis auf Russlands Recht, sich als Staat und Zivilisation zu verteidigen. «Wenn der Bär sich verteidigt, legt man ihn in Ketten, zieht ihm seine Zähne und Klauen», erklärte er mit Verweis auf die westlichen Sanktionen. Diese seien auch wesentlich für die gegenwärtige wirtschaftliche Krise in Russland verantwortlich, die sich bis zu zwei Jahren hinziehen könne.

Hinsichtlich des Bürgerkriegs in der Ostukraine blieb er seiner Linie treu, dass Russland keine Kriegspartei und an einer politischen Lösung interessiert sei. Immerhin gab der Moderator der Sendung, Putins Pressesprecher Dmitry Peskow, einem kritischen ukrainischen Journalisten das Wort, der zudem noch einen Pullover mit einem Symbol des ukrainischen Widerstands gegen Russland trug.

Das Symbol, das der ukrainische Journalist trug, wurde von Petro Poroschenko zum Zeichen des ukrainischen Widerstands erklärt und wird zuweilen auch mit dem Rechten Sektor assoziiert.

Er fragte, wie viele russische Soldaten Putin in die Ukraine geschickt habe. «Jene Leute, die aus aus eigenem Antrieb, ihrem Herzen folgend, ihre Pflicht erfüllen und freiwillig in den Nordosten der Ukraine gehen, treffen ihre eigene Entscheidung», antwortete Putin. Hingegen bombardiere und töte die ukrainische Regierung ihre eigenen Bürger. Russland leiste nur «humanitäre Hilfe» – mit bereits 10 Konvois.

Opposition und Subversion

Etwas mehr Unruhe als diese sorgfältig einstudierten Antworten auf Fragen zur aussenpolitischen Situation schufen innenpolitische Themen. Die oppositionelle Fernsehmoderatorin Xenia Sobtschak stellte zwei kritische Fragen zu Tschetschenien und zur Verteufelung der Opposition in den russischen Medien. Als Reaktion herrschte Putin seinen Mediensprecher Peskow an: «Wieso hast du ihr das Wort erteilt?» Peskow entschuldigte sich, liess Sobtschak aber dennoch den Rest ihrer Frage stellen.

Putin stellte dabei in Abrede, dass in den Staatsmedien eine Kampagne gegen die Opposition geführt werde. «Negative Reaktionen in der Gesellschaft» gegen die Opposition könne es natürlich geben, aber dafür seien diese selbst verantwortlich. «Sie können nicht alle beschuldigen und keine Verantwortung für ihre Worte übernehmen.» Putin wandte auch ein, dass der Unterschied zwischen «richtigen» Oppositionellen, die das System aus Überzeugung ablehnten und einer «fünften Kolonne», die dies mutmasslich im Auftrag ausländischer Geheimdienste tue, nicht immer klar sei. Die Oppositionellen bleiben somit unter Generalverdacht.

Kontroverse um Kadyrow

Für eine weitere kleine Kontroverse sorgte Putins Beurteilung der Strafmassnahmen gegen Familienangehörige von mutmasslichen Terroristen in Tschetschenien. Der tschetschenische Führer Ramsan Kadyrow hatte solche nach dem Terroranschlag in Grosny am 4. Dezember angekündigt und laut Informationen von Menschenrechtsorganisationen auch ausgeführt. Putin erklärte, der tschetschenische Führer Ramsan Kadyrow habe mit dieser «emotionalen» Reaktion möglicherweise gegen russische Gesetze verstossen.

Der Pressesprecher Kadyrows fragte Putin daraufhin rhetorisch und sichtlich irritiert, ob er denn nicht der Meinung sei, Kadyrow müsse alle Mittel nutzen, um das Volk gegen den Terrorismus zu schützen. Putin relativierte seine Aussage mit Hinweis auf den schwierigen Kampf gegen den Terrorismus. Ausserdem sei es eine Tatsache, dass Familien oft von Anschlagsplänen wüssten.

Nach drei Stunden und zwanzig Minuten beendete Putin die Pressekonferenz mit dem Versprechen, dass die Regierung und die Zentralbank alles tun würden, um die Krise zu bekämpfen und ihre sozialen Folgen abzumildern.

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