Gastautor / 29.07.2014 / 23:18 / 1 / Seite ausdrucken

Die Logik der Südwest-Presse

Manfred Gillner

“Weißt du, was das Gefährlichste ist im Gazastreifen?”, fragt ein Taxifahrer, der gerade ein verletztes Kind ins Al-Shifa-Krankenhaus gebracht hat. “Kinder”, sagt er. “Die Israelis konzentrieren ihren Beschuss auf unsere Kinder. Also halte Dich von Kinder fern.” Was wie Irrsinn klingt, findet Rückhalt in Statistiken. 40 Prozent der getöteten palästinensischen Zivilisten sind Kinder.

So stand es gestern in der „Südwest Presse“. Auch eine Logik. Wenn ein Taxifahrer behauptet, die Israelis würden ihren Beschuss auf Kinder konzentrieren und man solle sich daher nicht bei Kindern aufhalten, dann sieht die Südwest Presse für diese Behauptung „Rückhalt“ in Statistiken, nach denen 40 Prozent der getöteten palästinensischen Zivilisten Kinder seien.

Nun hat David Harnasch hier gestern Statistiken über die Alterstruktur der Bevölkerung und über Opferzahlen veröffentlicht. Das Durchschnittsalter im Gazastreifen liegt bei nur 18,1 Jahren. Die Gruppe der bis zu 14-Jährigen macht 43,5 Prozent der Bevölkerung aus. Selbst wenn es also stimmen sollte, dass 40 Prozent der getöteten palästinensischen Zivilisten Kinder sind, so entspräche das ziemlich genau ihrem Bevölkerungsanteil. Die Statistik liefert somit keinerlei Beleg dafür, dass Kinder überproportional unter den Opfern vertreten sind oder gar absichtlich angegriffen werden.

Aus den Statistiken (die sich auf palästinensische Quellen stützen) ergibt sich außerdem, dass im derzeitigen Konflikt der Anteil getöteter Kinder bis zu 14 Jahren bis jetzt bei 17,6 Prozent liegt und nicht bei 40 Prozent. Weitet man die Altergruppe bis zu den 19-Jährigen aus, so sind es 27,9 Prozent. Der Bevölkerungsanteil dieser Altersgruppe liegt allerdings bei 55,0 Prozent. Sie wäre somit sogar stark unterproportional unter den Opfern vertreten.

Dem Leser aber werden die Informationen über die Bevölkerungsstruktur verschwiegen. Die Hamas wird im gesamten Artikel nicht ein einziges Mal erwähnt. Nur in einer als „Zusatzinfo“ beigefügten Chronik der Ereignisse ist von ihr die Rede. Die Chronik beginnt erst mit der Entführung und Ermordung der drei jüdischen Religionsschüler, so als habe es zuvor keinen Raketenbeschuss durch die Hamas gegeben. Stattdessen wird dem Leser die in der Tat irrsinnige Bemerkung untergejubelt, Israel konzentriere seinen Beschuss auf Kinder. Wundert man sich da, wenn auf deutschen Strassen Idioten herumlaufen und „Kindermörder Israel“ gröhlen?

http://www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/Im-Feuer;art4306,2724054
http://www.indexmundi.com/gaza_strip/demographics_profile.html
https://docs.google.com/spreadsheets/d/1mM2B0oIdsk06F98p16netyeDQRKZEdUmxxoDIUEa2TA/edit?pli=1#gid=382119973
http://www.neues-deutschland.de/artikel/201268.nur-die-flotte-kann-hilfe-nach-gaza-bringen.html

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Leserpost

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Max Wedell / 30.07.2014

Da die Palästinenser selber von 17,6% Kindern berichten, enthält die Berichterstattung der Südwestpresse eine offensichtliche Lüge. Welche Quelle hat die Südwest-Presse? Eine die es besser weiß als das von den Palästinensern betriebene “International Middle East Media Center”? Sehr wahrscheinlich aber haben die betreffenden Journalisten nur irgendwo gelesen, daß der Bevölkerungsanteil der Kinder in Gaza bei 40% liegt. Solche Oberflächlichkeiten, wie etwa diese Zahl gleich mal zum Opferanteil zu machen, sind dem deutschen Journalismus leider schon seit längerem zuzutrauen, nicht nur bei der Südwest-Presse. Mit Schlampigkeit hat das oft weniger zu tun, sondern… bei Zahlen, die so sind, wie man sie sich selber eigentlich wünscht, schaut man eben nicht so genau hin, wo sie herkommen oder wie sie entstehen. Bleibt zu fragen, wieso man sich bei der Südwest-Presse eigentlich die 40% herbeiwünscht, die man sich erfunden hat.

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