Washington holt zum Schlag gegen Nord Stream 2 aus

Der US-Kongress beschliesst eine Resolution gegen die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. Ist dies nun das Ende für die umstrittene Röhre?

Christian Steiner, Moskau
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Den Röhren ist der Streit um die Pipeline egal. Sie werden stoisch in der Ostsee versenkt. (Bild: Sean Gallup / Getty Images)

Den Röhren ist der Streit um die Pipeline egal. Sie werden stoisch in der Ostsee versenkt. (Bild: Sean Gallup / Getty Images)

Die USA schiessen sich weiter auf das Pipelineprojekt Nord Stream 2 ein. Am Dienstag verabschiedete der Kongress eine nicht bindende Resolution gegen die Pipeline. Das parteiübergreifende Papier stellt fest, dass die Pipeline ein «drastischer Rückschritt für die europäische Energiesicherheit und die Interessen der Vereinigten Staaten» sei, und fordert die europäischen Regierungen auf, das Projekt abzulehnen. Das Parlament verlangt von Präsident Donald Trump, «alle verfügbaren Mittel zur Unterstützung der europäischen Energiesicherheit einzusetzen».

Russische Geiselhaft befürchtet

Die Pipeline ist vielen Gegnern schon lange ein Dorn im Auge. Auch in der EU ist der Widerstand aus Polen und den baltischen Staaten gross. Dort fürchtet man sich vor einem Russland, das durch die neue Pipeline das Transportmonopol über Erdgas erhält und damit Europa in Geiselhaft nehmen könnte. Nach dieser Logik würden nach dem Bau der Gasleitung bei den Russen alle Hemmungen fallen. Teile der Europäer erhoffen sich dank der Hilfe der Amerikaner, dass der Bau noch verhindert werden kann. Doch ist die Resolution nun das Ende für die Pipeline, die russisches Gas aus den Feldern von Sibirien über St. Petersburg bis nach Greifswald in Deutschland transportieren soll?

Der russische Analytiker und Gasexperte Michail Krutichin ist skeptisch. Die Resolution der Parlamentarier empfehle der amerikanischen Regierung bloss, das Projekt mit Sanktionen zu belegen, ohne spezifische Massnahmen oder Ziele zu nennen. Zudem sei es auch für das Weisse Haus schwierig, im Alleingang Strafmassnahmen gegen die Betreiberfirma zu ergreifen. Washington sei per Gesetz gezwungen, bei Sanktionen gegen Nord Stream 2 die Zustimmung der amerikanischen Verbündeten in Europa einzuholen, erklärt Krutichin weiter. Er glaube nicht, dass ohne die Erlaubnis aus Berlin Sanktionen möglich seien.

Reaktion auf Vorfälle im Asowschen Meer

Beobachter in Moskau sehen die Resolution als Reaktion der Amerikaner auf die Vorfälle im Asowschen Meer. Die Resolution war bereits im Sommer in den Kongress eingebracht worden und wurde nach den jüngsten Vorfällen wieder aus der Schublade hervorgeholt. Der Bau der Ostseepipeline geht trotz den Drohungen aus Amerika zügig voran, wie der Pressesprecher von Nord Stream 2, Ulrich Lissek, bestätigt. Mehr als 300 km der Pipeline seien bereits verlegt. Die Flachwasserarbeiten vor Deutschland seien fast beendet. Derzeit verlegten zwei Schiffe Rohre in tieferen Gewässern, ein drittes werde in wenigen Tagen die Arbeit aufnehmen. Lissek ist daher überzeugt, dass die Pipeline Ende 2019 in Betrieb gehen kann. In Russland ist man stolz auf das Projekt. Der russische Wirtschaftsminister Maxim Oreschkin lobte am Mittwoch vor europäischen Geschäftsleuten das Verhältnis zwischen der EU und Russland und strich dabei besonders die Röhre in der Ostsee heraus. Der Bau der Pipeline Nord Stream 2, die 55 Mrd. m3 zusätzliches Erdgas direkt nach Deutschland liefern soll, zeige, dass man sich wieder annähere, sagte der Minister.

Umgehung der Ukraine

Doch nur aus Freundschaft zu Europa baut Russland die Pipeline nicht. Moskau will verhindern, dass die Regierung in Kiew Transitgebühren einsacken kann. Derzeit bezieht Europa etwa einen Drittel seines Erdgases aus Russland. Davon wird knapp die Hälfte durch die Ukraine transportiert. Für diesen Transport zahlt Russland viel Geld. Doch für viele Beobachter ist klar, dass der staatliche russische Gasriese Gazprom auch mit Nord Stream 2 die Ukraine nicht völlig ignorieren kann. So kann nur die Ukraine Gazprom die Flexibilität bieten, die der Konzern für Spitzenlastzeiten benötigt, da das Land über genügend unterirdische Speicherkapazitäten verfügt. Zudem steigt der Erdgasverbrauch in Europa an, und Gazprom möchte in den nächsten Jahren mehr Erdgas liefern. Analytiker gehen davon aus, dass Gazprom bereits in diesem Jahr mehr als 200 Mrd. m3 exportieren wird. Bei weiter steigendem Verbrauch kann die Firma über jede Pipeline glücklich sein, sogar, wenn sie durch die Ukraine führt.

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