Lösch-Jumbo gegen Amazonas-Brände

In Südamerika brennen in Bolivien und Brasilien riesige Flächen am Amazonas. Deshalb kommt jetzt ein zum Löschflugzeug umgerüsteter Boeing-Jumbo 747-400 zum Einsatz.

Jürgen Schelling
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Die Meldungen von verheerenden Waldbränden im Amazonasgebiet, vor allem in Brasilien, aber auch in Bolivien, gehen gerade um die Welt. In diesen dünnbesiedelten und oft unzugänglichen Regionen Südamerikas sind Löschflugzeuge und Helikopter meist die einzige Chance, einen Brandherd einzudämmen. Deshalb ist seit Samstag eines der grössten und exotischsten Löschflugzeuge der Welt von Bolivien aus im Einsatz: ein zur Feuerbekämpfung umgerüsteter Jumbo des Typs Boeing 747-400.

Dieses umgebaute frühere Frachtflugzeug der US-Firma Global Super Tanker ist mit Hightech vollgestopft. Denn eine Boeing 747 lässt sich nicht einfach zum Löschflugzeug umbauen. Eines der grössten Probleme: Wenn die mehr als 72 000 Liter Wasser oder Löschflüssigkeit in kürzester Zeit abgeworfen werden, könnte sich der Schwerpunkt des Fliegers dramatisch verändern und die Crew in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Deshalb ist ein ausgeklügeltes Computersystem an Bord, das zulässt, dass der Inhalt von sechs Tanks auch in Intervallen abgeworfen werden kann, ohne dass die Maschine aus ihrem Gleichgewicht gerät. Zudem besteht die Möglichkeit, statt auf einmal eine grosse Wassermenge zentral auf das Feuer zu werfen, auch eine Art Sprühnebel über eine grössere Fläche abregnen zu lassen. Die 747 fliegt dabei sehr tief über den Brandherd, um das Löschwasser möglichst gezielt über dem Brand abzuwerfen. Die Geschwindigkeit beim Abwurf des Löschwassers liegt unter 300 km/h. Der Jumbo fliegt dabei in einer Konfiguration, wie es normalerweise nur im Landeanflug geschieht. Dadurch, dass die 747 im Reiseflug aber auf mehr als 900 km/h kommt, kann nahezu jeder Punkt der Welt in maximal rund 20 Stunden erreicht werden. Deshalb war die Maschine 2016 und 2017 auch schon in Chile und Israel bei Waldbränden im Einsatz und operiert nun von einem Flughafen in Bolivien aus, um die Feuer am Amazonas unter Kontrolle zu bringen.

Da der umgebaute Jumbo schneller fliegen muss als andere Löschflugzeuge, ist die Zielgenauigkeit nicht besonders gross. Ein weiterer Nachteil solch grosser Löschflugzeuge: Zum Starten und Landen benötigt die Boeing 747 eine lange, betonierte Piste. (Bild: Juan Carlos Torrejon / Keystone)

Da der umgebaute Jumbo schneller fliegen muss als andere Löschflugzeuge, ist die Zielgenauigkeit nicht besonders gross. Ein weiterer Nachteil solch grosser Löschflugzeuge: Zum Starten und Landen benötigt die Boeing 747 eine lange, betonierte Piste. (Bild: Juan Carlos Torrejon / Keystone)

Bisher wurden lediglich drei Boeing 747 und andere Ex-Linienmaschinen zu Löschflugzeugen umgebaut. Derartig modifizierte ehemalige Passagier- oder Frachtjets haben aber zwei Nachteile. Sie müssen konstruktionsbedingt deutlich schneller fliegen als eine Propellermaschine. Deshalb ist ihre Zielgenauigkeit beim Löscheinsatz geringer. Der zweite Nachteil wiegt noch schwerer: Diese Lösch-Airliner benötigen die Infrastruktur eines richtigen Flugplatzes mit einer langen und betonierten Piste zum Starten und Landen.

Sie können nicht auf unbefestigten Buschpisten nahe des Brandherds abheben und aufsetzen. Um dieses Manko auszugleichen, startete deshalb ein weiteres Grossflugzeug eine neue Karriere als Feuerlöschbekämpfer. Die viermotorige Turboprop-Maschine Lockheed Hercules wird seit mehr als sechzig Jahren produziert und ist als Transportflugzeug im Einsatz. Es existieren bereits nachträglich zum Löschflugzeug umgebaute Versionen. Da die Zahl von Wald- und Buschbränden aber weltweit zunimmt, möglicherweise auch durch den Klimawandel bedingt, wurde vor zwei Jahren die Fire-Herc-Version LM-100J der Hercules entwickelt. Sie kann Löschmittel auf zweierlei Weise abwerfen: entweder mithilfe der Schwerkraft oder durch ein Druckluftsystem. Damit sind punktgenaue Einsätze möglich.

Die extrem robuste Maschine kann auf Gras, Schotter und anderen unbefestigten Pisten innerhalb von knapp 1000 Metern aufsetzen und abheben. Dadurch kann sie von Buschpisten aus näher am Brandherd operieren, ohne wie etwa die Lösch-Boeing 747 einen Flughafen nutzen zu müssen. So werden zeitraubende An- oder Abflüge zur Feuerstelle vermieden.

Nach der umgerüsteten Boeing 747-400 ist aber ein Oldtimer das zweitgrösste Löschflugzeug der Welt. Diesen Rekord hält die US-amerikanische Martin Mars. Sie ist ein viermotoriges Flugboot aus den 1940er Jahren, von dem ein Exemplar bis heute einsatzfähig ist. Die Martin Mars wird noch von altmodischen jeweils 3000 PS starken Sternmotoren angetrieben, hat 61 Meter Spannweite und ist so etwas wie ein fliegender Dinosaurier. Allerdings kann die Maschine bei Notfällen noch zu Löscheinsätzen herangezogen werden. Das Einzelstück wird in Kanada flugfähig gehalten und flog zuletzt vor vier Jahren im aktiven Löscheinsatz.

In Brasilien wüten zurzeit die schwersten Waldbrände seit Jahren, und noch ist kein Ende in Sicht. Das Bild zeigt einen Brand in Novo Progresso, im Teilstaat Pará, 23. August. (Bild: Victor Moriyama / Greenpeace Brazil Handout / EPA)
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Seit Januar nahm die Zahl der Feuer und Brandrodungen in Brasilien im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 83 Prozent zu. Über 72 000 Brände wurden insgesamt registriert. Links ist ein abgebranntes Regenwaldstück zu sehen, rechts ist der Wald noch intakt. Porto Velho, Rondônia, 25. August. (Bild: Victor Moriyama / Getty)
Nach heftiger internationaler Kritik am Zögern der brasilianischen Regierung im Kampf gegen die verheerenden Feuer im Amazonasgebiet greift nun das Militär ein. Zwei Löschflugzeuge vom Typ Hercules starteten am Samstag in Porto Velho zu ihren Einsätzen. Ausserdem stehen Zehntausende Soldaten zur Unterstützung bereit; 24. August. (Bild: brasilianisches Verteidigungsministerium via AP)
Umweltschützer machen Präsident Jair Bolsonaro für die Brände mitverantwortlich. Sie werfen ihm vor, ein politisches Klima geschaffen zu haben, in dem sich Bauern zu immer mehr Abholzung und Brandrodung ermutigt sehen. Bolsonaro hat stets betont, dass er die Amazonasregion vor allem mit ungenutztem wirtschaftlichem Potenzial verbindet. Das Bild zeigt einen Brandherd bei Porto Velho, 24. August. (Bild: Joedson Slves / EPA)
Eine Viehherde weidet in der Nähe eines Waldbrandes. Im Teilstaat Pará haben sich über 70 Personen in einer Whatsapp-Gruppe dazu verabredet, grosse Waldflächen in Brand zu stecken. Ziel der koordinierten Aktion ist es, Bolsonaro bei seinem Plan zu unterstützen, die Umweltkontrollen zu lockern. Die brasilianische Bundespolizei will nun gegen die Organisatoren des sogenannten «Tages des Feuers» ermitteln. Aufnahme: Novo Progresso, Pará, 25. August. (Bild: Leo Correa / AP)
Eine Schlange flieht vor einem Waldbrand im Teilstaat Rondônia. Bolsonaro beschuldigte Umweltschützer, die Brände gelegt zu haben. Die Nichtregierungsorganisationen sollen sich damit seiner Meinung nach an ihm rächen wollen, weil ihnen die Mittel gekürzt wurden; 24. August. (Bild: Joedson Alves / EPA)
Mitglieder des indigenen Stammes der Mura wollen sich gegen die Brandrodung wehren, sie wollen gegen die Zerstörung ihrer Heimat kämpfen. Mehr als 18 000 Mura leben im Teilstaat Amazonas, Pedro Mura ist einer von ihnen. Der Stamm hat sich nun bewaffnet, in seiner Nähe toben mehrere Brände; 20. August. (Bild: Ueslei Marcelino / Reuters)
Auch in den südlichen Nachbarländern brennt der Wald. In Bolivien erstrecken sich die Brände über eine Gesamtfläche von 950 000 Hektaren. 32 Prozent des Chiquitano-Waldes sollen zerstört sein, mehr als 1800 Familien in Dutzenden von Ureinwohnersiedlungen sind betroffen. Aufnahme: Robore, Bolivien, 24. August. (Bild: Juan Karita / AP)
Die Waldbrände führen auch zu Spannungen auf internationaler politischer Ebene. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron setzte das Thema wegen der globalen Bedeutung des Regenwaldes für den Klimaschutz auf die Tagesordnung beim G-7-Gipfel in Biarritz. Am Montag haben die G-7-Staaten eine Soforthilfe von 20 Millionen US-Dollar zugesagt. Aufnahme: Boca do Acre, Teilstaat Amazonas, 24. August. (Bild: Bruno Kelly / Reuters)
Macron widersetzt sich wegen der Brände auch dem ausgehandelten Mercosur-Freihandelsabkommen zwischen der EU und vier südamerikanischen Ländern. Aufnahme: Dichter schwarzer Rauch liegt wie eine Decke über dem Teilstaat Rondônia und macht den Bewohnern zu schaffen. Porto Velho, 25. August. (Bild: Victor Moriyama / Getty)
In brasilianischen Grossstädten gingen Tausende Menschen gegen die Umweltpolitik der Regierung auf die Strasse, wie hier am Freitag in São Paulo. Auf dem Transparent steht: «Der Amazonas gehört dem Volk», 23. August. (Bild: Andre Penner / AP)
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel will die betroffenen Länder in Südamerika bei der Wiederaufforstung unterstützen. «Die Lunge unserer gesamten Erde ist betroffen, und deshalb müssen wir hier auch gemeinsame Lösungen finden», meinte sie am Sonntag beim G-7-Gipfel in Biarritz. Boca do Acre, 24. August. (Bild: Bruno Kelly / Reuters)

In Brasilien wüten zurzeit die schwersten Waldbrände seit Jahren, und noch ist kein Ende in Sicht. Das Bild zeigt einen Brand in Novo Progresso, im Teilstaat Pará, 23. August. (Bild: Victor Moriyama / Greenpeace Brazil Handout / EPA)

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