Die Nachweise von Gravitationswellen häufen sich

Zehnmal wurden Astronomen bereits Zeuge, wie zwei massereiche Schwarze Löcher unter Abstrahlung von Gravitationswellen verschmelzen. Inzwischen steht nicht mehr das Einzelereignis im Fokus. Nun möchte man herausfinden, wie die binären Schwarzen Löcher entstehen, leben und sterben.

Christian Speicher
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Das Bild zeigt einen Ausschnitt aus einer numerischen Simulation. Simuliert wird, wie zwei Schwarze Löcher unter Abstrahlung von Gravitationswellen miteinander verschmelzen. (Bild: S. Ossokine, A. Buonanno [MPI für Gravitationsphysik], W. Benger [Airborne Hydro Mapping GmbH])

Das Bild zeigt einen Ausschnitt aus einer numerischen Simulation. Simuliert wird, wie zwei Schwarze Löcher unter Abstrahlung von Gravitationswellen miteinander verschmelzen. (Bild: S. Ossokine, A. Buonanno [MPI für Gravitationsphysik], W. Benger [Airborne Hydro Mapping GmbH])

Drei Jahre ist es her, dass Wissenschafter zum ersten Mal Gravitationswellen von zwei verschmelzenden Schwarzen Löchern nachweisen konnten. Die Entdeckung wurde gross gefeiert – nicht zuletzt deshalb, weil sich mit Gravitationswellendetektoren Vorgänge im Universum sichtbar machen lassen, die mit herkömmlichen Teleskopen nicht zu sehen sind. Astronomen schwärmten deshalb von einem neuen Kapitel der Astronomie.

Die Verschmelzung von Schwarzen Löchern

Die Verschmelzung von Schwarzen Löchern

Unbekannte Population

Inzwischen zeigt sich immer deutlicher, dass damals nicht zu viel versprochen wurde. Am letzten Wochenende haben Wissenschafter der Ligo- und der Virgo-Arbeitsgruppe an einem Workshop vier neue Nachweise von Gravitationswellen bekanntgegeben. Damit konnte man nun bereits zum zehnten Mal mitverfolgen, wie zwei Schwarze Löcher sich auf immer engeren Bahnen umkreisen und sich schliesslich unter Abstrahlung von Gravitationswellen vereinigen. Der Vergleich dieser zehn Ereignisse liefert Einblicke in eine bisher unbekannte Population von Schwarzen Löchern im Universum.

Die vier neuen Ereignisse wurden allesamt während der zweiten Beobachtungskampagne entdeckt, die im November 2016 begann und im August 2017 endete. Besonders ins Auge sticht dabei ein Ereignis, bei dem ein Schwarzes Loch mit der Masse von 50,6 Sonnen mit einem Schwarzen Loch von 34,3 Sonnenmassen verschmolz. Dieses binäre System ist die massereichste Quelle von Gravitationswellen, die man bisher beobachtet hat. Das resultierende Schwarze Loch besitzt eine Masse von 80,3 Sonnen, also deutlich weniger als die Summe seiner Teile. Das bedeutet, dass bei der Verschmelzung das Energieäquivalent von fast fünf Sonnenmassen in Form von Gravitationswellen abgestrahlt wurde. Aus der Abschwächung der Gravitationswellen lässt sich zudem folgern, dass all das vor ungefähr fünf Milliarden Jahren geschehen sein muss. Damit ist dieses binäre Schwarze Loch auch die am weitesten entfernte Quelle von Gravitationswellen, die man bis heute kennt.

Massenverteilung der verschmelzenden Schwarzen Löcher, die bisher nachgewiesen wurden

Schwarze Löcher kommen im Universum nicht nur einzeln, sondern auch in Paaren vor. Wenn zwei dieser Objekte verschmelzen, resultiert wieder ein Schwarzes Loch. Dessen Masse ist etwas kleiner als die Summe seiner Teile. Die «fehlende» Energie wird in Form von Gravitationswellen abgestrahlt.
Massenverteilung der verschmelzenden Schwarzen Löcher, die bisher nachgewiesen wurden - Schwarze Löcher kommen im Universum nicht nur einzeln, sondern auch in Paaren vor. Wenn zwei dieser Objekte verschmelzen, resultiert wieder ein Schwarzes Loch. Dessen Masse ist etwas kleiner als die Summe seiner Teile. Die «fehlende» Energie wird in Form von Gravitationswellen abgestrahlt.

Aus der Massenverteilung der binären Schwarzen Löcher folgern die Forscher, dass es vermutlich eine Obergrenze für deren Masse gibt. Demnach sollten in binären Systemen nur ganz selten Schwarze Löcher mit mehr als 45 Sonnenmassen zu finden sein. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Vorläufersterne, aus denen Schwarze Löcher normalerweise durch eine Supernovaexplosion hervorgehen, vollständig zerstört werden, wenn sie zu massereich sind. Ob die Masse der Schwarzen Löcher in den binären Systemen auch nach unten hin begrenzt ist, lässt sich derzeit noch nicht aus den Daten ablesen.

In ihrer Veröffentlichung gehen die Forscher der Ligo- und der Virgo-Arbeitsgruppe auch der Frage nach, ob die Verschmelzungsrate von Schwarzen Löchern zeitlich konstant ist. Dabei stellten sie fest, dass diese Rate tendenziell zunimmt, je weiter das Ereignis zurückliegt. Das würde bedeuten, dass es in der Entstehungsgeschichte von Schwarzen Löchern Verschiebungen gegeben hat. Allerdings ist der beobachtete Trend derzeit noch mit relativ grossen Unsicherheiten behaftet.

Schon vorher ein Paar?

Im Dunkeln tappen die Forscher auch noch bei der Frage, wie binäre Schwarze Löcher überhaupt entstehen. Hier gibt es eine ganze Reihe von Modellen. So könnte es zum Beispiel sein, dass die beiden Schwarzen Löcher aus einem Doppelstern hervorgegangen sind. Es könnte aber auch sein, dass sie sich unabhängig voneinander gebildet haben und erst in einem späteren Stadium zueinandergefunden haben. Einen Fingerzeig erhoffen sich die Forscher von der Spinverteilung der binären Schwarzen Löcher. Allerdings gilt auch hier: Die Einschränkungen, die sich aus den bis heute vorliegenden Daten ergeben, sind noch nicht stringent genug, um das eine oder das andere Entstehungsmodell ausschliessen zu können.

Deshalb wartet nun alles gespannt auf die nächste Beobachtungskampagne, die im Februar 2019 beginnen soll. Sowohl an den beiden Ligo-Detektoren in Amerika als auch am Virgo-Detektor in Italien sind Verbesserungen vorgenommen worden, um ihre Empfindlichkeit zu steigern. Deshalb rechnet man damit, dass in den nächsten Jahren Gravitationswellen von Dutzenden von verschmelzenden Schwarzen Löchern nachgewiesen werden können. Auf dieser Grundlage sollten sich dann sehr viel robustere Aussagen über die Entstehungsgeschichte dieser Systeme machen lassen.

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