Auch Schweizer Youtuber haben heute teilweise mehr Abonnenten als Regionalzeitungen

Die Schweizer-Social-Media-Szene ist im Vergleich zum Ausland klein. Dennoch: Die Branche hat sich professionalisiert – und einige haben auf Kanälen wie Youtube oder Instagram den Sprung zur Berühmtheit geschafft.

Dominique Zeier
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Der Youtuber Lionel Battegay hat mehr Abonnenten als manche Regionalzeitung: Auf seinem Kanal askswitzerland folgen ihm über 50 000 Leute. (Bild: Karin Hofer)

Der Youtuber Lionel Battegay hat mehr Abonnenten als manche Regionalzeitung: Auf seinem Kanal askswitzerland folgen ihm über 50 000 Leute. (Bild: Karin Hofer)

Facebook, Youtube und Instagram sind heutzutage oft die ersten Applikationen, die nach dem Aufwachen angeschaut werden, und die letzten, die vor dem Zubettgehen wieder geschlossen werden. Mithilfe von Social Media bleiben wir mit Bekannten in Kontakt, liken oder kommentieren deren Posts, sehen uns aber auch gerne die Kanäle von fremden Personen an, die sich dazu entschlossen haben, ihr Leben mit der Welt zu teilen.

Diese Personen werden im Fachjargon auch «Influencer» genannt, Beeinflusser. Damit gemeint sind laut dem Social-Media-Berater Jürg Kobel Personen, die mit einem Blog und Vermarktung auf Instagram, Youtube und Ähnlichem bekannt wurden, und nicht etwa Berühmtheiten aus Sport, Wirtschaft und Unterhaltung, die dank ihrer Bekanntheit auf Social Media auch Werbeträger und Beeinflusser sind. Der Begriff Influencer entwickelte sich hauptsächlich aufgrund des Geschäftsmodells der Social-Media-Seiten. Denn das meiste Geld, das die Influencer über ihre Kanäle verdienen, kommt nicht von Klicks oder Likes, sondern von Partnerschaften mit Marken oder Firmen, die sie in ihren Posts oder Videos anpreisen sollen.

Im Ländervergleich

Besonders gross ist dieses Geschäft in den USA, dem Geburtsland von Seiten wie Facebook, Instagram oder Youtube, und im restlichen englischsprachigem Raum. Dort erzielen die grössten Social-Media-Influencer mehrere Millionen Dollar mit ihren Kanälen. So verdiente der berühmteste Youtube-Star der Welt, PewDiePie, laut forbes.com im Jahr 2016 rund 15 Millionen Dollar. Momentan zählt sein Youtube-Kanal volle 61 Millionen Abonnenten.

Die Dimensionen in der Schweiz sehen anders aus, nicht zuletzt aufgrund der Sprachgrenzen. Dennoch gibt es auch hierzulande Online-Persönlichkeiten, die einem grossen Publikum bekannt sind. So erreicht beispielsweise Gabirano auf Instagram rund 180 000 Abonnenten, Fabio Zingg hat 200 000 Follower, und Julia Graf ist auf Youtube mit 700 000 Zuschauern vernetzt. Um solche Zahlen zu generieren, ist es laut Kobel wichtig, über eine überdurchschnittliche Engagement-Rate zu verfügen und authentisch und gewinnbringend zu kommunizieren.

In den letzten Jahren habe sich die Branche spürbar professionalisiert, sagt Kobel. Je nach Ziel und Zielpublikum werde die entsprechende Social-Media-Plattform ausgewählt. Die Meinungsmacher seien vor allem auf Youtube, Instagram und Snapchat aktiv. Videos seien aber sicher das erfolgreichste Format.

Nur in rechtlicher Hinsicht gebe es in der Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern noch offene Punkte. In Deutschland beispielsweise müssen Posts, die einen kommerziellen Inhalt haben und aufgrund deren Geld fliesst, klar als Werbung deklariert werden. In der Schweiz wird diese Kennzeichnungspflicht laut Kobel noch wenig konsequent durchgeführt.

«Ich fühle mich nicht als Influencer»

Lionel Battegay ist mit seinem Youtube-Kanal askswitzerland einer der bekannteren Youtuber der Schweiz. Seine Abonnentenzahl befindet sich augenblicklich in einer Höhe von 54 000 – ein Wert, von der manche Regionalzeitung nur träumen mag. Das Wort «Influencer» hört er aber nicht gerne: «Mir geht es nicht darum, die Leute auf irgendeine Weise zu beeinflussen, sondern schlicht darum, gute Videos zu machen», sagt der Basler. Begonnen hat er damit vor drei Jahren. Seine Markenzeichen sind eine dunkle Sonnenbrille und das Mikrofon, mit welchem er Menschen auf der Strasse anspricht und Fragen zu verschiedensten Themen stellt. Dabei spielt er gerne mit Klischees und den regionalen Unterschieden der Schweiz.

Dieses Konzept kommt bei seinen Zuschauern offenbar gut an. Seine Abonnentenzahl ist von Anfang an stetig gewachsen. «Vielleicht war das auch ein Glück. Es gibt Personen, die gewinnen in wenigen Tagen Zehntausende Abonnenten und sind dann überfordert. Für mich war es ein stetiges Wachstum, mit dem ich mitwachsen konnte», sagt Lionel Battegay. Heutzutage ist er jedenfalls berühmt. Nach eigenen Angaben wird er mehrmals täglich von Zuschauern auf der Strasse erkannt. «Ich sehe das aber eher als Reaktion auf meine Videos denn als Reaktion auf mich. Im amerikanischen Raum setzen sich die Menschen gerne selbst in Szene, ich möchte aber, dass es in erster Linie um meine Videos geht.»

Mittlerweile kann Battegay mit seinem Kanal auch Geld verdienen. «Ich arbeite pro Woche rund 20 Stunden für meine Videos, und das neben meinem Studium an der Universität St. Gallen», sagt der Zwanzigjährige. Reich werde er aber mit diesem Hobby nicht: «Ich habe vielleicht gerade meine anfänglichen Investitionen herausgeholt. Jetzt ist mein Hobby auch zu meinem Nebenjob geworden.» Auch er hat in den vergangenen Jahren die Professionalisierung der Branche miterlebt: «Das merke ich schon an mir selbst. Meine Videos sind jetzt viel besser als früher. Qualität ist heutzutage einfach ein Muss.»

Monatlich 1000 neue Follower

Neben Youtube ist auch die Plattform Instagram in der Schweiz beliebt. Der Schweizer Fotograf Jan Kaya ist seit rund drei Jahren auf der Plattform aktiv und zählt auf seinem Kanal Lichterfang heute zirka 40 000 Abonnenten. Monatlich kommen rund 1000 neue Follower hinzu. Auf seinem Profil sind hauptsächlich stimmungsvolle und dramatische Naturszenen aus der Schweizer Alpenwelt oder aus Skandinavien zu sehen.

Berühmt fühlt er sich nicht. Auch auf der Strasse wird er beinahe nie erkannt. Dies liegt vielleicht daran, dass auf seinen Bildern die Natur in den Mittelpunkt gestellt wird und er selbst beinahe nie auf seinen Fotos zu sehen ist. «Nur manchmal beim Wandern oder an bestimmten Fotostellen werde ich angesprochen», sagt er. Die Interaktion mit seinen Abonnenten geschehe eher online durch Kommentare oder direktes Feedback. Auch Geld verdiene er durch Instagram nicht wirklich. Dies käme hauptsächlich von Kooperationen mit Tourismusbüros oder verschiedenen Outdoor-Brands, die Reisekosten oder Unterkünfte erstatteten oder ihm Produkte sendeten, für welche er dann visuelle Werbung gestalte.

Auch er distanziert sich vom Wort Influencer: Durch sporadische Productplacings auf seinem Feed nehme er bestimmt ein Stück weit einen gewissen Einfluss auf das Kaufverhalten oder die Wahrnehmung eines Abonnenten. Jedoch könne er sich mit dem Begriff nicht wirklich identifizieren, da Productplacing bei ihm nicht primär sei und die Story eher selten für Werbung von Produkten genutzt wird. «Ob man mich deshalb als Influencer bezeichnen möchte, überlasse ich den anderen. Ich persönlich betrachte mich nicht als solcher.»