Sarah Eichert in ihrer Heimatstadt Weimar.

Sarah Eichert in ihrer Heimatstadt Weimar.

Die Menstruationsbeauftragte: «Lasst uns die Periode feiern!»

Sarah Eichert möchte das Tabu rund um die Periode brechen und hat sich den Titel «Menstruationsbeauftragte» verliehen. Ihre Stimme ist wichtig – aus einem ganz bestimmten Grund.

Valerie Zaslawski
Drucken

Die Menstruation hat gerade einen Lauf: Am Tag des Frauenstreiks wurde im Schweizer Parlament eine Petition eingereicht, die eine tiefere Mehrwertsteuer auf Tampons und Binden fordert. Die 7,7 Prozent seien «bloody unfair». Wie für Blumensträusse oder Viagra – sogenannte Güter des täglichen Bedarfs – sollten auch für Damen-Hygieneprodukte 2,5 Prozent gelten. Die gleiche Forderung wurde in Deutschland laut, dort muss sich nun der Bundestagsausschuss damit befassen. In solchen Zeiten überrascht es kaum, dass es auch eine sogenannte Menstruationsbeauftragte gibt.

«Hallo, ich bin Sarah Eichert», stellt sich die 27-Jährige vor. Die gebürtige Weimarerin sitzt an diesem sommerlichen Samstag unter sattgrünen Lindenbäumen in der Altstadt in der ACC-Galerie, einem Café-Restaurant im Kulturzentrum, wo Wolfgang Goethe 1776 ein Jahr lang wohnte. Mit ihrem roten Haar und dem kantig geschnittenen Pony ist sie nicht zu übersehen.

«Make Periods Great Again!»

Den Titel «Menstruationsbeauftragte» hat sich die studierte Illustratorin und Grafikerin selbst verliehen. Sie möchte die Welt verändern, durch Aufklärung das angebliche Tabu rund um die Periode brechen. 2017 hat Eichert dafür ihren Blog ins Leben gerufen. Auch auf Facebook und Instagram füttert die Netzaktivistin ihre Follower seither fleissig mit Text und Bild. Und auf Bestellung werden ihre Illustrationen rund um die Welt verschifft – beispielsweise blutige Tampons, gedruckt auf T-Shirts, Tassen oder Necessaires.

Eichert ist überzeugt, dass selbst viele Frauen nicht wüssten, was während ihres Zyklus genau passiere. Welches hormonelle Wunderwerk der Körper Monat für Monat vollbringe, um die besten Voraussetzungen für neues Leben zu schaffen.

Ihr Slogan lautet denn auch: «Make Periods Great Again!» – angelehnt an US-Präsident Donald Trump, der während seines Wahlkampfes die Moderatorin Megyn Kelly aufgrund kritischer Fragen beleidigt hatte. Sie habe doch nur Menstruationsprobleme, sagte er, und weiter: «Man konnte sehen, dass Blut aus ihren Augen kam. Blut kam aus wo auch immer.» Trump wolle Amerika gross machen, indem er Frauen klein mache, sagt Eichert. «Ich möchte das Gegenteil: Ich möchte Frauen ermächtigen.»

Dass es dazu kam, ist allerdings Zufall. Beim Brainstorming für ihre Bachelorarbeit vor drei Jahren dachte sie zuerst über die Toilette oder das WC-Papier nach, Themen halt, über die niemand spricht. Zumindest standen diese beiden Alternativen im Raum. Dann entschied sie sich für die Monatsblutung als Thema. Das Resultat ist ein hübsch gestaltetes Buch mit Text und Bild über die Entstehungsgeschichte des Menstruations-Tabus und dessen Fortbestand. Herausgekommen ist aber auch eine neue feministische Kämpferin. «Die Auseinandersetzung hat mich zur Feministin gemacht», sagt Eichert. Es waren die Ungerechtigkeiten, die sie mehr und mehr beschäftigten.

Die Menstruation – «eine Unflat»

Die Ungerechtigkeiten gründen ihrer Meinung nach auf den historischen Darstellungen. So zitiert Eichert im Gespräch das dritte Buch Mose im Alten Testament: «Wenn eine Frau ihren Blutfluss hat, so soll sie sieben Tage für unrein gelten. Wer sie anrührt, der wird unrein bis zum Abend. Und alles, worauf sie sitzt oder liegt, wird unrein.» Selbst der Schweizer Arzt und Philosoph Paracelsus, Vorreiter der naturwissenschaftlichen Medizin, bezeichnete das Menstruationsblut noch als «eine Unflat, dem kein Gift auf Erden gleichen mag – schädlicher als alles andere».

Diese Darstellungen mögen in der westlichen Welt überholt sein, doch noch immer schwängen Ekel oder Scham beim Thema Menstruation mit, sagt Eichert – oder zumindest ein Unverständnis. Sie wünscht sich Arbeitgeber, Ehemänner oder Väter, die, wenn ihre Arbeitnehmerinnen, Ehefrauen oder Töchter mit Krämpfen und Hormonen zu kämpfen hätten, nicht die Augen verdrehten, sondern Verständnis zeigten, beispielsweise mit Home-Office. Oder mit Einfühlsamkeit.

Eichert kritisiert, dass Elternhaus und Schule ihre aufklärerische Rolle zu wenig wahrnähmen. Als junges Mädchen hatte sie dies selbst erlebt. Nachdem sie der Mutter ihren ersten blutigen Fleck auf dem olivgrünen Rock gezeigt hatte, bekam sie ganz pragmatisch Binden und Tampons in die Hand gedrückt. Damit war die Sache erledigt.

Doch Eichert wünscht sich eine Welt, in der die Menstruation «gefeiert» wird als das, was sie ist: als «Zeichen der Fruchtbarkeit und Gesundheit». Und zwar nicht nur am Weltmenstruationstag Ende Mai.

Sie ist denn auch überzeugt: Wenn Männer menstruieren würden, würden sie damit prahlen, wie lange und heftig sie ihre Tage hätten. Auch wären dann die Hygieneartikel vielleicht schon längst von der Mehrwertsteuer befreit und die monatlichen Bauchschmerzen als Leiden akzeptiert.

«Ich menstruiere auf das Patriarchat!»

Ob Feiern oder Prahlen der richtige Weg ist, um die Menstruation von ihrer Scham zu befreien, sei dahingestellt. So mag zwar amüsant sein, dass an Musikfestivals wie dem Lollapalooza in Berlin Zelte bereitgestellt werden für menstruierende Frauen, die sich darin mit einem Bloody Mary von ihren Strapazen erholen können. Oder dass Anhänger und Pins im Umlauf sind, die die frohe Botschaft «Ich menstruiere auf das Patriarchat!» verbreiten. Doch solcher Aktivismus birgt immer auch die Gefahr, dass nicht nur diese durchaus ernstzunehmende Sache ins Lächerliche gezogen wird, sondern mit ihr auch gleich der ganze Feminismus.

Dennoch sind Stimmen wie Eichert, die mit ihrem Vokabular vielleicht zu Überspitzungen und Übertreibungen neigen, wichtig. Denn der London-Marathon 2015 hatte gezeigt, wie weit wir von einem Tabubruch noch entfernt sind – und welch gehässige Reaktionen Menstruationsblut auch im 21. Jahrhundert noch hervorruft: Damals entschloss sich die Inderin Kiran Gandhi, die rund 42 Kilometer ohne Tampon zu laufen. Das Foto, das die junge Frau danach auf dem Podest mit einem roten Fleck zwischen den Beinen zeigte, ging um die Welt. Die Netzwelt tobte und «hatete», was das Zeug hielt.

Eichert zeigt sich empört: Gandhi habe ein Jahr lang für diesen Lauf trainiert. Da sei es doch klar, dass sie wegen ihrer Periode nicht darauf verzichte. Durch die sogenannte Free-Bleeding-Aktion habe die Frau Mut bewiesen und der ganzen Welt hemmungslos klargemacht: «Die Menstruation existiert, und wir leben damit.»

In diesem Sinne: Ja, lasst sie uns feiern!