Ein Nadelbaum wird zum Zankapfel

Die aus Nordamerika eingewanderte Douglasie macht sich auch in Schweizer Wäldern breit. Was die Forstwirtschaft freut, ruft bei Naturschützern gemischte Gefühle hervor.

Lukas Denzler
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In den USA ist die Douglasie zu Höherem berufen. 2015 schmückte sie als «First Tree» den Blue Room im Weissen Haus. (Bild: Andrew Harnik / AP)

In den USA ist die Douglasie zu Höherem berufen. 2015 schmückte sie als «First Tree» den Blue Room im Weissen Haus. (Bild: Andrew Harnik / AP)

In Nordamerika, wo die Douglasie heimisch ist, schafft sie es ab und zu sogar ins Weisse Haus in Washington – als «First Tree», also als offizieller Weihnachtsbaum. In der Schweiz hingegen zählt sie nicht zu den üblichen Christbäumen. Interesse an ihr besteht trotzdem: Denn in den letzten Jahren avancierte der um 1830 in Europa eingeführte Baum zur Hoffnungsträgerin der Forstwirtschaft. Widerstand kommt von Naturschützern. Sie sehen durch den Nadelbaum die heimische Biodiversität gefährdet.

Witterungsbeständig in jeder Beziehung

Für die Forstwirtschaft erfüllt die Douglasie gleich mehrere Wünsche. So wird sie im Holzbau aufgrund ihrer Witterungsbeständigkeit sehr geschätzt; entsprechend begehrt ist ihr Holz. Zudem erträgt sie Trockenheit besser als die Fichte – ein Pluspunkt bei fortschreitendem Klimawandel. Denn dadurch könnte sie die schwächelnde Fichte zumindest teilweise ersetzen. Dies käme der stark auf Nadelholz ausgerichteten Holzindustrie entgegen.

Tatsächlich ist die Douglasie in Mitteleuropa die mit Abstand bedeutendste forstwirtschaftlich angebaute nichteinheimische Baumart. Im Schweizer Mittelland beträgt ihr Anteil 0,9 Prozent, während er in Deutschland bei rund 2 Prozent liegt. In einigen Regionen wachsen jedoch deutlich mehr Douglasien. So liegt ihr Anteil im Stadtwald von Freiburg im Breisgau etwa bei rekordverdächtigen 13 Prozent. Mit 28 Prozent des gesamten Holzerlöses tragen sie aber überproportional zu den Einnahmen des städtischen Forstbetriebs bei.

Schwarze Liste oder nicht?

Doch der Anbau der Douglasie stösst in Naturschutzkreisen auf Skepsis. So setzte etwa das deutsche Bundesamt für Naturschutz als Fachbehörde den Baum 2013 auf die Schwarze Liste der invasiven Arten. Aus Sicht des Naturschutzes gefährde sie die heimische Biodiversität, hiess es zur Begründung. Dafür ausschlaggebend ist ihre angebliche Invasivität, also eine mögliche unkontrollierbare Ausbreitung.

Deutsche Forstwissenschafter wehrten sich gegen diesen Befund. «Die Douglasie wurde auf die Schwarze Liste gesetzt, weil auf einzelnen, aber wenig verbreiteten Standorten eine unerwünschte Ausbreitung nachgewiesen wurde», sagt Jürgen Bauhus vom Institut für Waldbau an der Universität Freiburg im Breisgau. In der Beurteilung sei aber nicht berücksichtigt worden, dass junge Douglasien – falls nicht erwünscht – sich relativ einfach mechanisch entfernen liessen, kritisiert er.

2016 einigten sich Vertreter des Bundesamtes und der Forstwissenschaft auf gemeinsame Empfehlungen. Darin halten sie fest, dass der derzeitige Douglasienanbau bei der weit überwiegenden Anzahl von Waldstandorten in Deutschland nach aktuellem Kenntnisstand keine erhebliche Gefährdung der Biodiversität und der damit verbundenen Ökosystemleistungen darstelle. Gleichwohl sollten auf seltenen oder für den Naturschutz wertvollen Standorten oder in deren unmittelbarer Nähe keine Douglasien gepflanzt werden.

Die Option offenhalten

Für die Frage der Invasivität ist es bedeutsam, ob es einer Baumart gelingt, sich selbständig neue Standorte zu erobern. Eine Auswertung der verfügbaren Informationen zeigt laut Bauhus, dass dies in Baden-Württemberg in nennenswertem Umfang lediglich dort geschieht, wo bereits alte Douglasienbäume wachsen. In geschützten Waldbiotopen finde eine unerwünschte Ausbreitung hingegen nur auf einer sehr geringen Fläche statt. Angesichts des sich anbahnenden Klimawandels plädiert Bauhus dafür, die Option Douglasie beizubehalten.

In der Schweiz untersuchte Thomas Wohlgemuth von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) die Ausbreitung der Douglasie. In 58 Waldbeständen mit mindestens drei Douglasien suchten er und sein Team im Umkreis von 100 Metern nach jungen Bäumchen. «Wir fanden keine Bestände mit starker Douglasienausbreitung», sagt Wohlgemuth. Um die jungen Bäumchen zu fördern, sei oft die konkurrierende Vegetation manuell entfernt worden. Mit anderen Worten: Ohne Hilfe des Försters hat die Douglasie kaum eine Chance aufzuwachsen.

Anbau nur in Mischbeständen

Das Potenzial der nordamerikanischen Baumart, plötzlich invasiv zu werden, hält Wohlgemuth für gering. Die Douglasie verfüge nicht über die dafür typischen Eigenschaften. So benötigt sie zum Wachsen genügend Licht, und anders als beispielsweise die nichteinheimischen Arten Robinie oder Spätblühende Traubenkirsche bildet sie keine Stockausschläge.

Ihre Samen verbreiten sich zudem nicht besonders weit. Doch gerade dazu gibt es unterschiedliche Angaben. «Als Ausbreitungsdistanzen werden oft 200 Meter genannt», sagt Rolf Holderegger von der WSL. Dies beruhe aber nur auf wenigen Beobachtungen. Laut Holderegger gehen Fachleute in Nordamerika davon aus, dass die meisten Samen innerhalb von 100 Metern um einen Samenbaum niedergehen. In anderen Studien sei aber auch von Ausbreitungsdistanzen von bis zu 2 Kilometern die Rede. «Um diese Frage zu klären, wären aufwendige genetische Untersuchungen nötig», so Holderegger. Aus ökologischer Sicht relevanter sei die Frage, ab welcher Beimischung die Douglasien die Ökosystemleistungen und die Biodiversität negativ beeinflussten sowie das Überleben von seltenen oder bedrohten Waldarten gefährdeten. Eine solche Beurteilung sei in der Schweiz zurzeit jedoch nicht geplant.

Die Schweizer mögen's klassisch

lde. In der Schweiz zählt die Douglasie nicht zu den üblichen Christbäumen. Neben den klassischen Bäumen wie Fichte (in der Schweiz auch Rottanne genannt), Weisstanne und Nordmannstanne werden unter anderem auch die ursprünglich aus Nordamerika stammenden Blaufichte, Weissfichte, Korktanne und Nobilistanne angeboten. Gemäss Wald Schweiz, dem Verband der Waldeigentümer, kaufen in der Schweiz wohnhafte Personen jedes Jahr rund 1,2 Millionen Christbäume. Davon stammen 400 000 bis 500 000 aus Schweizer Produktion. Zwei Drittel wachsen in landwirtschaftlichen Kulturen, ein Drittel stammt aus dem Wald. Beliebtester Baum ist die Nordmannstanne. Ursprünglich im Kaukasus beheimatet, hat sie einen regelmässigen Wuchs und behält ihre Nadeln lange.

Gewöhnlich werden Weihnachtsbäume im Alter von acht bis zwölf Jahren «geerntet». Ein Problem der Douglasie ist ihr rasches Wachstum. Dadurch entstehen zu weite, in einem Christbaum als unschön wahrgenommene Abstände zwischen den Astquirlen. Durch Einritzen der Rinde liesse sich das Wachstum aber reduzieren. Das wird beispielsweise bei den Nordmannstannen auch praktiziert. Mithilfe einer Spezialzange wird der Saftstrom in den Spitzentrieb gehemmt und so dessen Zuwachs um bis zu 30 Prozent gebremst.

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