Diese Schweizerin ist Herrin über den Kinderwunsch

Gründerinnen gibt es im Silicon Valley nicht viele. Lea von Bidder hingegen ist jung, selbstbewusst und erfolgreich. Im kommenden Jahr wird die Schweizerin den Chefposten des Startups Ava übernehmen.

Olga Scheer
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Lea von Bidder. (Bild: PD)

Lea von Bidder. (Bild: PD)

Vorerst will Lea von Bidder Frauen dabei helfen, schwanger zu werden. In Zukunft will sie genau das verhindern. Von Bidder gehört zum Gründerteam von Ava. Das Startup stellt ein Armband her, das nachts über Sensoren verschiedene Werte wie die Pulsfrequenz, die Durchblutung und die Körpertemperatur misst. Über eine App lässt sich so der Zyklus der Frau verfolgen, was ihr dabei helfen kann, schwanger zu werden, indem die App die fruchtbaren Tage der Frau anzeigt.

Pille, Spirale und dann?

Mehr als 20 000 Ava-Schwangerschaften gibt es nach Angaben des Unternehmens bereits. Mit Gewissheit lässt es sich allerdings nicht sagen, ob letzten Endes die App zu einer Schwangerschaft beigetragen hat oder nicht. Der Eintritt in den Markt für Verhütungsmethoden ist daher deutlich risikoreicher. Aber das Potenzial ist gross: Die Nachfrage nach hormonfreier Verhütung steigt immer mehr. Von Bidder selbst gehört zur Zielgruppe junger Frauen, die bestimmen wollen, wann sie schwanger werden.

Lea von Bidder stand bereits auf der Forbes-Liste «Top 30 unter 30», einer jährlich vom US-Wirtschaftsmagazin herausgegebenen Liste über aufstrebende Jungunternehmer. Dass sie jung ist, ist für sie weniger ein Thema, denn im Silicon Valley gehöre man mit knapp 30 schon eher zu den Älteren. In der Startup-Welt seien Erfahrung und Lebensläufe nicht so wichtig, auf die Ideen komme es an – und den Moment.

In St. Gallen hat die Zürcherin Wirtschaftswissenschaften studiert und dann einen internationalen Master in Frankreich, China und den USA gemacht. Ein gutbezahlter Job in einem grossen Unternehmen wäre eine Alternative gewesen. Aber von Bidder wollte an einer Sache arbeiten, die ihr wichtig ist. Das sei einfacher, wenn man sein eigenes Unternehmen gründe, sagt von Bidder. «Du musst dich nicht bei drei Unternehmen bewerben, von denen du denkst, dass sie das machen, was dir wichtig ist. Du kannst dieses Umfeld in deinem eigenen Unternehmen selber kreieren.»

Ava ist bereits von Bidders zweites Startup. Direkt nach der Uni ging sie mit einer Kommilitonin für zwei Jahre nach Indien und gründete dort eine Schokoladenfabrik. Dann wollte sie wieder zurück. In Indien habe alles extrem lange gedauert. Sie wollte in eine schnelllebigere Branche wechseln, den Tech-Bereich.

«Der freie Zugang zu Bildung ist ein Privileg»

Lea von Bidder konnte immer aus Alternativen wählen. Das hat nicht nur mit Glück zu tun, es liegt auch an ihrer Art, die Welt zu sehen. «Ich habe nicht viel zu verlieren», sagt von Bidder, «die meisten von uns haben die Wahl.» Der freie Zugang zu Bildung sei ein Privileg, das sie erst in den USA zu schätzen gelernt habe. Von Bidder kommt aber auch aus einer Familie, in der unternehmerisches Denken verankert ist. Der Vater war Verwaltungsratspräsident des Pharmaunternehmens Acino und ist mittlerweile als Business-Angel tätig. Ein grösseres Vorbild sei aber die Mutter gewesen, die auch selbständig ist. Sie hat vermutlich recht, wenn sie sagt, dass sie morgen einen Job finden würde, käme es darauf an – weil sie es selbst in die Hand nähme. Dass sie das so sieht, hat weniger mit Arroganz infolge ihrer persönlichen Situation zu tun, sondern mit dem Selbstbewusstsein, das sie ausstrahlt.

Aus Indien zurück, lernte sie in Zürich den Gründer Pascal König kennen und konnte sich sofort für seine Geschäftsidee von Ava begeistern. Bereits ihre Maturaarbeit schrieb sie zum Thema Frauen in Verwaltungsräten. Die Themen Women’s Empowerment und Women’s Health sind für sie eng miteinander verknüpft. «Die Arbeit in Indien hat mir gezeigt, wie wichtig es für Frauen ist, selber über die Familienplanung bestimmen zu können», sagt die Unternehmerin. Das habe auch viel mit Aufklärung und Bildung zu tun.

Bis zum Treffen mit König wusste sie allerdings wenig über das Thema Digital Health. Gemeinsam mit ihren Mitgründern, die aus dem Sensorik- und aus dem Gesundheitsbereich kamen, las sie alle Studien zu diesem Thema, die sie finden konnte.

Weil Lea von Bidder für das Marketing zuständig war, wurde sie schnell zum Gesicht von Ava. Untypisch für Startups, eröffnete Ava schnell weltweit fünf Büros. 120 Mitarbeitende sind mittlerweile in diesen beschäftigt. Von Bidder zog mit ihrem Mann nach San Francisco und übernahm dort die Leitung des Büros. «Wir können das Beste aus fünf Welten haben», sagt von Bidder. Die Technologie, aber auch das Kapital aus den ersten beiden Finanzierungsrunden stammt hingegen aus der Schweiz. Im kommenden Jahr wird sie den Chefposten von König übernehmen, der Mitglied des Verwaltungsrats wird, und zurück nach Zürich kommen.

Erschwerter Zugang zu Wagniskapital

Gerade einmal 2% des weltweit zur Verfügung stehenden Venture-Capitals gehe an Startups, die von Frauen gegründet worden seien oder in deren Gründerteam eine Frau sei, sagt von Bidder. Auch Ava gehört also zu diesen 2%. «Ich bin stolz, zu zeigen, dass es als Frau doch auch möglich ist, CEO von einem Startup zu sein», sagt von Bidder.

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