Pestizidrückstände auf Südtiroler Spielplätzen gefunden

Bewohner einer kleinen Vinschgauer Gemeinde haben Grasproben in vier Südtiroler Tälern gesammelt und auf Spritzmittel analysieren lassen. Elf der zwölf aufgespürten Substanzen sind hormonell wirksame Stoffe. Vor allem Kinder gelten als empfindlich.

Stephanie Lahrtz
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Reihen mit Apfelbäumen bei Naturns im Vinschgau. Auch Mals ist von Apfelplantagen umgeben, die dort eingesetzten Spritzmittel bereiten vielen Anwohnern Sorgen. (Bild: CHROMORANGE / imago)

Reihen mit Apfelbäumen bei Naturns im Vinschgau. Auch Mals ist von Apfelplantagen umgeben, die dort eingesetzten Spritzmittel bereiten vielen Anwohnern Sorgen. (Bild: CHROMORANGE / imago)

Den Malsern stinkt’s. Ihr kleiner Ort im nördlichen Vinschgau nahe der Grenze zum Münstertal ist umgeben von Obstplantagen. Doch so idyllisch, wie das klingt, ist es nicht. Denn meist stehen hier niederstämmige Apfelbäumchen in engen Reihen, die regelmässig mit Insektiziden und Fungiziden besprüht werden. An manchen Tagen derart intensiv, dass bei einem Besuch letzten Mai unser Picknick im Auto stattfand. Viele Malser kämpfen daher seit Jahren für eine pestizidfreie Gemeinde. Zur Untermauerung ihrer Forderung haben sie vor zwei Jahren Grasproben von 71 Spielplätzen im Vinschgau und in Nachbartälern gesammelt und von Wissenschaftern auf Pestizidrückstände analysieren lassen. Die nun veröffentlichen Daten schüren Befürchtungen.

Verfrachtung über mehr als 100 Meter

Die Forscher fanden nämlich im Gras von 32 Spielplätzen Rückstände von Insektiziden, Fungiziden sowie einem Herbizid. Fast ein Viertel der belasteten Spielplätze wies mehr als eine Substanz auf. «Wir sagen seit Jahren, dass die auf den Plantagen versprühten Pestizide auch in unsere unmittelbare Umgebung gelangen», betont Koen Hertoge, einer der Malser Aktivisten und Initiator der Sammelaktion. «Jetzt haben wir die von Politikern und Landwirten immer wieder geforderten Fakten für diese Behauptung geliefert.» Die Studienergebnisse liessen vermuten, dass Pestizide auch auf Gemüse und Obst in Hausgärten landeten.

«Je näher ein Spielplatz an einer Apfelplantage lag, desto höher war die Pestizidkonzentration in den Grasproben», erläutert Caroline Linhart von der Universität Innsbruck, die an der Aufarbeitung der Daten beteiligt war. Zudem spielte die Windstärke eine Rolle. Ein Regenguss nach dem Spritzen erhöhte die Pestizidrückstände im Spielplatzgras ebenfalls.

Die Forscher vermuten drei Verbreitungswege: Offenbar werden Pestizidtröpfchen sowohl während des Spritzens mehr als 100 Meter weit in der Umwelt verteilt als auch später aus der Luft ausgewaschen. Zudem können die Spritzmittel auch mit Bodenstaub aufgewirbelt und durch den Wind verteilt werden.

Störungen der Fruchtbarkeit und im Gehirn

Besorgniserregend seien zum einen die mancherorts festgestellten Konzentrationen, erläutert der Toxikologe Peter Clausing. Bei einem Fünftel der Grasproben seien Rückstände in einer Höhe gefunden worden, die die EU-Grenzwerte für bestimmte Lebensmittel überschritten hätten. Zum anderen handelt es sich bei elf der zwölf auf den Spielplätzen aufgespürten Pestizide um Substanzen, die ins Hormonsystem eingriffen. In Tierversuchen haben bereits geringe Mengen solcher Stoffe ausgereicht, um bei Fischen oder Ratten Schäden im Gehirn, Störungen der Fruchtbarkeit oder des Fettstoffwechsels inklusive Fettleibigkeit hervorzurufen.

Gerade Kleinkinder gelten als besonders sensibel für solche hormon-ähnliche Substanzen. Und genau diese Gruppe hält sich häufig auf Spielplätzen auf, isst dort auch einmal eine Portion Gras oder Sand und nimmt vor allem ihr Znüni oder ihr Zvieri ohne Händewaschen zu sich. Daher geben für Wissenschafter wie Aktivisten die Ergebnisse Anlass zur Sorge.